Vor OB-Stichwahl: Nürnberger zeigen Verständnis für Organisationsprobleme

28.3.2020, 14:00 Uhr
Da wird das Fensterbrett mal eben zur Wahlkabine umfunktioniert. Viele Nürnbergerinnen und Nürnberger waren am Samstag im Wahlamt, um sich Ersatz-Wahlscheine zu holen oder ihre - reichlich spät erhaltenen - Briefwahlunterlagen einzuwerfen.

© Johannes Handl Da wird das Fensterbrett mal eben zur Wahlkabine umfunktioniert. Viele Nürnbergerinnen und Nürnberger waren am Samstag im Wahlamt, um sich Ersatz-Wahlscheine zu holen oder ihre - reichlich spät erhaltenen - Briefwahlunterlagen einzuwerfen.

"Ist denn heute schon Wahl?", scherzt ein Fahrradfahrer, während er gerade absteigt. Am Unschlittplatz sieht es ja auch so aus. In den Händen hält er seine Briefwahlunterlagen, die er kurz darauf im Wahlamt in eine Wahlurne wirft. Viele, die am Samstagvormittag vorbeischauen, haben ihr Kreuz bereits gemacht. Sie huschen an der Sicherheitskraft vorbei, die am Eingang steht, werfen den Wahlbrief in die gelbe Wahlurne ein und verabschieden sich wieder.


OB-Stichwahl in Nürnberg dürfte enges Rennen werden


"Ich habe das sonst auch immer so gemacht", sagt Thomas Nawrotzki unaufgeregt, schließlich wohnt er ganz in der Nähe. Den Unmut vieler Bürger darüber, dass sie erst so spät oder – im schlechtesten Fall – gar keine Unterlagen in ihrem Briefkasten gefunden haben, kann Nawrotzki nicht so ganz nachvollziehen. "Die Leute haben ja Zeit", verweist er auf die geltenden Ausgangsbeschränkungen.

Stichwahl am Fensterbrett

Das Fensterbrett neben dem Eingang des Wahlamts hat sich inzwischen zur inoffiziellen Wahlkabine entwickelt. "Aber Kameras habt ihr hier nicht, oder?", witzelt eine Frau und richtet den Blick nach oben. Kurz darauf hat auch sie für einen der beiden OB-Kandidaten gestimmt. Sie verpackt die Unterlagen und geht wieder ins Gebäude. Auch Edith Zwosta, die das Fensterbrett als Schreibunterlage hergenommen hat, bleibt gelassen. "Ich wollte sowieso noch einkaufen gehen", sagt sie. Das habe sich mit der Stichwahl gut vereinbaren lassen.

Anders als es viele wütende Kommentare auf Facebook und weiteren Seiten im Internet hätten vermuten lassen, herrscht zumindest am Samstagvormittag kaum Aufregung rund um das Wahlamt. Man müsse doch die derzeitige Ausnahmesituation berücksichtigen, zeigt Stefan Diezinger Verständnis für die späte Zustellung seiner Unterlagen. "Es ist eher erstaunlich, wie gut aktuell alles trotz Corona läuft." Auch seine Partnerin Anette Herbst hat kein Problem damit, dass die beiden am Samstagvormittag mal eben im Wahlamt vorbeischauen müssen, um dort von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen zu können.

Nachsicht geboten

"Ich denke, in diesen Zeiten muss man nachsichtig sein mit der Stadt", ist auch Jürgen Hartlich überzeugt. Unter den städtischen Angestellten gebe es sicherlich einige, die coronabedingt ausfallen, andere arbeiteten von zu Hause aus. "Manchmal kommt eben alles zusammen", bilanziert er mit Blick auf das EDV-System, das bei der Auszählung der Stadtratswahl am 15. März immer wieder zusammengebrochen war.

Kurz darauf nähert sich eine Frau mit Mundschutz dem Wahlamt. Ob sie nicht Angst habe, sich anzustecken? Schließlich sollten doch alle per Briefwahl wählen, um sich auf keinen Fall im Wahllokal zu infizieren. "Nein, nein, ich bin ja geschützt", winkt sie ab, während sie sich doch recht schnell vom Wahlamt entfernt.


Stichwahl-Ergebnisse gibt es teilweise erst am Montag


Michael Ruf, der selbst im Bürgermeisteramt arbeitet, ist in erster Linie privat hier. "Ich habe die Unterlagen erst am Freitag erhalten", sagt er. Nun hat auch er abgestimmt. Gleichzeitig will sich der städtische Mitarbeiter ein Bild davon machen, wie viel am Wahlamt tatsächlich los ist. Sein Eindruck ist, dass die Bürger "sehr zivilisiert und vernünftig" mit der Situation umgehen.

Corona und Wahl: Einmalige Situation

Die Situation, dass statt der erwarteten 80.000 bis 90.000 Briefwähler nun alle rund 389.000 Wahlberechtigten ausschließlich per Briefwahl abstimmen dürfen, sei einmalig. Zwar hält es Ruf durchaus für möglich, dass einzelne Personen die Wahl aufgrund der Turbulenzen der vergangenen Tage anfechten. Eine Chance auf Erfolg vor Gericht räumt er ihnen allerdings kaum ein.



Wahlberechtigte, die das Wahlamt nicht selbst aufsuchen konnten, hatten die Chance, anderen eine Vollmacht auszustellen. Für Kranke oder andere Personen, die niemanden hätten beauftragen können, hatte die Stadt im Wahlamt am 28. März eine Hotline eingerichtet (0911/231-3350). Demnach sollten ehrenamtliche Kräfte die Unterlagen holen, die betreffenden Personen zu Hause besuchen und die Unterlagen wieder im Wahlamt abgeben.

Ob es wirklich Sinn ergeben hätte, die Wahl zum Beispiel um eine Woche zu verschieben, bezweifelt Ruf: "Wer weiß, wie es in einer Woche aussieht." Der Höhepunkt der Erkrankungszahlen scheine ja noch nicht erreicht zu sein. Ruf hält es für die bessere Entscheidung, die Stichwahl jetzt gleich über die Bühne zu bringen.


Auf unserer Wahlkarte sehen Sie eine Übersicht aller Stichwahlen in der Region. Nach der Wahl können Sie dort alle Ergebnisse einsehen.

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