Wanderbäume in Nürnberg erhitzen die Gemüter

10.11.2017, 05:57 Uhr
Die mobilen Wanderbäume (hier vor den Kammerspielen) sorgen nicht bei allen Nürnbergern für Freude.

© Michael Matejka Die mobilen Wanderbäume (hier vor den Kammerspielen) sorgen nicht bei allen Nürnbergern für Freude.

Sie sind schwer wie ein Kleinwagen, fast einen Meter hoch und aus Holz oder Alu. Am Aufseßplatz stehen fünf dieser massiven Kisten, in denen junge Silberlinden stecken. Hier fehlen Bäume, sonst hätte Sör den Standort nicht gewählt. Beim Umbau des Platzes 2005 sind viele alte Baumriesen gefällt worden, sehr zum Entsetzen der Anwohner. Jetzt also diese kleine Reparatur.

Dass Grün auf Reisen geht, ist in Nürnberg relativ neu. 2016 hievte ein Gabelstapler die ersten mobilen Gewächse auf den steinernen Hallplatz. Nach dem Prinzip "Besser als nichts" sollen die Pflanzkisten Pflasterwüsten erträglicher machen. Gesponsert von einer Bank, gepflegt "nach dem Bonsai-Prinzip", wie André Winkel von Sör das nennt. Was heißt: sehr viel gießen, sehr viel schneiden. "Sonst bläst sie der Wind um."

Sör-Mann Winkel ist Wanderbaum-Fan: "Damit kann man den Bürgern zeigen, wie schön es sein kann." Nötig ist das, Nürnberg ist für vieles berühmt, aber sicher nicht für üppigen Laubschmuck. Laut Satelliten-Check der Berliner Morgenpost liegt die Stadt auf Rang 76 unter 79 Großstädten in Deutschland. Der Bund Naturschutz schätzt, dass vor Ort 18.000 Straßenbäume fehlen, um das Stadtklima zu verbessern.

4000 Euro kostet ein mobiler Baum, ohne die Pflege. Exemplare stehen nicht nur am Hall- und Aufseßplatz, sondern auch am Polizeipräsidium. Der Verein Grünclusiv spendierte 13 Bäume vor den Kammerspielen. Knallgelb sind die Pflanztröge der Jungbäume, die an der Christuskirche, Nonnengasse oder am Nägeleinsplatz Orte markieren, die bald umgebaut werden. Am neuen Bielingplatz, mit dem die Nachbarn unzufrieden sind, sollen ebenfalls drei Mobilbäume landen. Nachträglich, denn die Leitungen im Boden lassen nicht mehr zu. "Die Spartenträger denken inzwischen um", hält André Winkel dagegen. Seit ein paar Jahren lasse man mehr Raum für Wurzeln.

Mobile Bäume nur als Notlösung

Leider nicht am Bielingplatz. "Wahnsinn" findet das Matthias Schmidt, beim Bund Naturschutz für Straßenbäume zuständig. Acht Jahre lang sei an der U-Bahn dort geplant worden, und wieder stünde das Grün an letzter Stelle. "Echte" Bäume gegen Kübelpflanzen auszuspielen, sei inakzeptabel. Schmidt: "Nur wenn wirklich gar nichts geht, hilft ein mobiler Baum vorübergehend."

Dass die Baumschulsprösslinge inzwischen reflexhaft zur Stadtreparatur eingesetzt werden, legt der Fall der überbreiten und unübersichtlichen Gostenhofer Hauptstraße nahe. Sieben mobile Bäume sollen hier für Ordnung sorgen, "den Straßenraum begrünen und die Parkflächen gliedern", wie die Verwaltung mitteilt. Dass es sich die Stadtplaner zu leicht machen, fürchtet Frank Braun von der Umweltorganisation Bluepingu. Grün müsse immer mitgedacht werden, so Braun. Doch "Ingenieure haben die lebenswerte Stadt einfach nicht auf dem Schirm."

Wasser auf die Mühlen der BauLust-Vorsitzenden Brigitte Jupitz, die gerade in Frankreich war und viele schöne Plätze mit großen Bäumen bewundert hat (Jupitz: "Die haben doch auch Leitungen im Boden"). Sie hält die Pflanzkisten eher für Riesenpoller, die Autos abhalten sollen. Die Chefin des Architekturvereins: "Die vorhandenen Bäume gut zu pflegen, wäre wichtiger."

 

 

 

 

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