Weihnachten während Corona: "Es gibt kein Gut oder Schlecht"

4.12.2020, 10:40 Uhr
In vielen Familien wird diskutiert, wie die Festtage in Corona-Zeiten gefeiert werden sollen.

© Anke Bingel, epd In vielen Familien wird diskutiert, wie die Festtage in Corona-Zeiten gefeiert werden sollen.

In vielen Familien wird derzeit darüber gesprochen, wie man es an den Festtagen vor allem mit den Älteren halten will. Wie kann ein solcher Diskurs gelingen?

Elisabeth Rümenapf: Es ist auf jeden Fall gut, wenn sich die Familien schon jetzt darüber Gedanken machen, wie die Festtage aussehen sollen. Denn dieses Weihnachten wird anders. Sinnvoll ist es deshalb, verschiedene Szenarien durchzugehen, einzeln und zusammen – und zwar zunächst nur im Kopf. Und nicht sofort groß in die Festplanung einzusteigen.

Elisabeth Rümenapf (58) ist Diplom-Psychologin und Leiterin der Erziehungs-, Paar- und Lebensberatung der Stadtmission Nürnberg.

Elisabeth Rümenapf (58) ist Diplom-Psychologin und Leiterin der Erziehungs-, Paar- und Lebensberatung der Stadtmission Nürnberg. © Stadtmission Nürnberg/ Stephan Grumbach, NN

Verschiedene Szenarien, was heißt das?

Rümenapf: Miteinander feiern muss nicht heißen, am Heiligabend gemeinsam um den Tannenbaum zu sitzen und Lieder zu singen. Es kann auch bedeuten, für eine halbe Stunde um die Feuerschale im Garten herum zu stehen und einen Glühwein zu trinken. Denn es wäre natürlich gut, wenn sich alle dabei wohl fühlen. Und keiner Angst haben muss, den anderen anzustecken. Corona macht an den Festtagen ja nicht Pause.

Die Meinungen unter Freunden oder Verwandten, wie Weihnachten in Corona-Zeiten aussehen soll, gehen jedoch weit auseinander.

Rümenapf: Bei einer solchen Diskussion ist wichtig zu wissen: Jeder hat Gutes im Sinn. Jeder will, dass die Familie gesund bleibt, jedem liegt die Verwandtschaft am Herzen. Es gibt kein Gut oder Schlecht. Doch die Ziele sind unterschiedlich. Die Enkel wollen zum Beispiel mit Oma und Opa feiern. Die Anderen sorgen sich mehr um deren Gesundheit. Dann geht es im Grunde um die Frage: Wie können wir beides unter einen Hut bringen? Darum ist es gut, frühzeitig mit dem Überlegen anzufangen und nicht erst zwei Tage vor dem Fest im Weihnachtsstress.


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Sollte man die Entscheidung nicht den Älteren und Risikopatienten überlassen?

Rümenapf: Nein, es muss eine gemeinsame Entscheidung sein, nicht die eines Einzelnen oder der Großeltern. Und natürlich muss jeder zuvor gehört werden. Denn wenn sich nicht alle mit der Situation gut fühlen oder am Ende ein Familienmitglied krank wird und sich jemand deshalb schuldig fühlt, wäre das fatal.

Was aber, wenn die Mehrheit der Familie zum Beispiel für eine Feier ist, man selbst aber nicht?

Rümenapf: Dann darf sich derjenige ruhig rausziehen, denn seine Sorge ist ernst zu nehmen. Menschen, die zum Beispiel beruflich täglich Kontakte haben, fürchten oft, andere anzustecken. Oder wenn die Enkelin sich um die Oma sorgt, ist das völlig legitim. Dann darf sie ihr ruhig einen Brief schreiben statt sie zu besuchen. Oder sie ruft sie an oder sagt ihr per Video, dass sie sie sehr lieb hat, aber genauso viel Angst hat, sie anzustecken und auf Abstand bleiben will.

Nicht in allen Familien klappt die Kommunikation so gut. Was kann helfen?

Rümenapf: Kommunikation hat immer zwei Ebenen: die verbale und die Beziehungsebene. Die letzte ist die entscheidende. Bevor die Familie also über Inhalte redet, sollte sie das Verhältnis untereinander klären. Ein Kommunikationskiller ist zudem die Du-Botschaft, etwa "Du bist schon wieder dagegen" oder "Du warst als Kind schon so".


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Der Staat hält sich mit Verboten weitgehend aus Weihnachten heraus. Also sind die Familien gefragt. Ist das gut?

Rümenapf: Für die Familien ist es jetzt sehr schwer, das Problem selbst zu lösen. Denn die Verantwortung liegt bei ihnen. Aber das Gute daran ist, dass jeder kreativ werden muss. Es kann sicherer sein, die Traditionen des Weihnachtsfestes abzuwandeln.

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