Tag der Sprachen

Welches Wort mögen Sie besonders gerne?

26.9.2021, 10:00 Uhr
Welches Wort sie am liebsten mag, ist klar. Und was mögen Sie?

© lokales-popart-20210921-151708_app11_00.jpg, NN Welches Wort sie am liebsten mag, ist klar. Und was mögen Sie?

Griesgrämig, feuchtfröhlich oder das schöne Huschala! – es gibt Tausende wunderschöne Worte. Am gestrigen 26. September ist der Europäische Tag der Sprachen. Wir haben Menschen nach einem Wort gefragt, das sie gerne mögen. Das haben sie geantwortet:

DOUSHAIRED
„Doushaired“ ist oberpfälzisch und heißt so viel wie „He??? –
Entschuldigung, ich habe Sie nicht richtig verstanden, mein Gehör ist nicht mehr wirklich das allerbeste!“ Das Wort bedeutet also schwerhörig. Es ist eines meiner Lieblingsworte, weil es nicht einmal die Hörenden verstehen. Lizzy Aumeier, Kabarettistin

Lizzy Aumeier liebt es oberpfälzisch. 

Lizzy Aumeier liebt es oberpfälzisch.  © e-arc-tmp_20151029-170917-016.jpg, NNZ


GEBORGENHEIT
Dieses Wort klingt für mich nach Kindheit, nach Unschuld, sich um nichts kümmern müssen, weil jemand anderes aufpasst, einen behütet. Es ist wie ein Versprechen: Nichts kann dir passieren, du wirst beschützt! Ich muss dabei an ein Gemälde denken, das in meinem Kinderzimmer hing, von zwei Kindern, die an einem wilden Fluss spielen, und einem Schutzengel, der über ihnen wacht. Auch wenn ich heute nicht mehr an Schutzengel glaube, ein bisschen Geborgenheit wie in Kindertagen, ich würde sie – gerade in diesen Zeiten – sehr zu schätzen wissen! Michael Jakob, Poetry-Slammer


GNÄRZLA
Bei nur einem Laib Brot kommt es gleich zweimal vor, das Gnärzla, nämlich vorn und hinten. Der letzte oder, je nach Annäherungsrichtung, der erste Brotabschnitt. Das Gnärzla und das Brot, ein schönes Sinnbild fürs Leben: Es fängt ganz klein, kaum kaubar an, wird immer größer und größer, dass man in seiner Hybris meint, es wird unendlich groß, bis es, sofort nach dem Zenit, anfängt zu schrumpfen, um wiederum als schwer zu kauendes Gnärzla zu enden und zu verschwinden. Wohin auch immer.
Der Knorzen ist ein knorriges Wurzelwerk, das Tätigkeitswort knorzen bedeutet „geizig sein, sich plagen“, passt beides also gut, sowohl zu uns Nürnbergern als auch zum Gnärzla. Klaus Schamberger, Autor und Kolumnist

BÉKA
Ich habe lange überlegt, ob ich ein ungarisches Wort habe. Ich liebe die ungarische Sprache, da sie die einzige Sprache ist, in welcher ich alle meine Gefühle, Gedanken, emotionalen Erlebnisse mitteilen kann. Die Muttersprache ist für jeden Menschen etwas Besonderes. „Béka“ heißt „Frosch“. Ich nenne meine Tochter so. Aber ich liebe auch die Worte „Magyarország“ (Ungarn) oder „gyöngyöm“ (meine Perle) oder „ballagás“ (Schulabschlussfest) und viele mehr.
Erika Pereszlényi, Mitarbeiterin der Ungarischen Schule Nürnberg

GEMEINSAM
Mein Lieblingswort lautet „gemeinsam“. In einer urbanen und diversen Stadtgesellschaft geht es nur gemeinsam: Gerade weil jeder und jede eigene Ideen, Ansprüche und Bedürfnisse hat, ist es wichtig, Rücksicht zu nehmen und die Entwicklung unserer Stadt gemeinsam zu gestalten. Marcus König, Nürnberger Oberbürgermeister

AMICIZIA
Dieses italienische Wort für „Freundschaft“ verbinde ich sofort mit dem Konzept des Teilens: Mit Freunden teilt man Erlebnisse, Erfahrungen, gute und schlechte Zeiten. Man unterstützt sich gegenseitig und freut sich gemeinsam. Daher stimmt meiner Meinung nach das Sprichwort: „Chi trova un amico, trova un tesoro” (Wer einen Freund findet, der findet einen Schatz). Nicoletta De Rossi, Journalistin

Nicoletta De Rossi hält es freundschaftlich.

Nicoletta De Rossi hält es freundschaftlich. © e-arc-tmp-20180502_181326-1.jpg, NNZ



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Ich liebe kein Wort, ich liebe die Sprache, nein, die Sprachen, unseren Dialekt, das weiche, singende Französisch, Italienisch in all seinen Facetten, aber natürlich auch und besonders meine Muttersprache.

Ulrich Maly kann und will sich nicht entscheiden.

Ulrich Maly kann und will sich nicht entscheiden. © Michael Matejka


Ginge es alleine nach der Schönheit der Buchstabenkombination, müsste man einräumen, dass „Kakerlake“ ein schönes Wort ist und die Hermann Glaser’sche Wortkreation der „Inkompetenzkompensationskompetenz“ schon auch was hat. Beides zeigt aber, dass Wörter und Inhalt nicht zu trennen sind, und wenn man daran denkt, welche Wörter uns unsere Kinder in der Phase des Spracherwerbs bescheren, wenn zum Beispiel die Zweijährige zum Essen gerne „Buchstabennudelsuppe“ hätte, das Wort aber noch weit über ihre Möglichkeiten geht, dann wissen wir, dass Sprache zwar allgemeinen Regeln genügt, aber etwas sehr Individuelles sein kann. Was bleibt, ist der Dialekt, das, was uns kulturell ausmacht und unterscheidet, was der Franke nicht verstecken sollte, weil er es nicht verstecken kann, ein Wort, das sich vom Wortstamm emanzipiert hat und als Multifunktionswort dienen kann, das Gefühle in einem Begriff verdichtet und als völlig ausreichende Kommunikationsform in bestimmten Situationen dient: Allmächd!
Ulrich Maly, Nürnberger Oberbürgermeister 2002 bis 2020

VACHEMENT
Ich habe vor einigen Jahren eine Ausstellung zur „Bürokunst“ gemacht – Künstlerinnen, die sich mit Büromaterialien und Arbeitsweisen befasst haben. Dabei hatten wir viel Freude an den deutschen Wortungetümen der Bürokratie, die einzigartig in der deutschen Sprache sind. Aber sie sind nicht meine bevorzugten Worte.
Ein schönes deutsches Wort ist für mich „Geborgenheit“. Es drückt für mich deutlich mehr als „Heimat“ aus. Und ein französisches Lieblingswort ist „vachement“: Kommt von der Kuh, heißt aber so viel wie wirklich und wird quasi vor jedem Adjektiv im Französischen verwendet. Simone Schimpf, Direktorin des Neuen Museums

Die Leiterin des Neuen Museums Nürnberg, Simone Schimpf, fand es nicht leicht, sich für ein Wort zu entscheiden.

Die Leiterin des Neuen Museums Nürnberg, Simone Schimpf, fand es nicht leicht, sich für ein Wort zu entscheiden. © Kathrin Schafbauer, NNZ


GÄIHERMOLAAFDSEIDN!
Mein aktuelles Lieblingswort, welches häufig noch mit einem angehängten „Du Depp!“ gebrüllt wird, lautet „Gäihermolaafdseidn!“. Es ist Sinnbild einer wieder aufkeimenden Normalität, in der freilaufende Bürger mit Nachdruck ihre vermeintlich ihnen zustehenden Räume einfordern.

Bernd Regenauers Lieblingswort ist Gäihermolaafdseidn!

Bernd Regenauers Lieblingswort ist Gäihermolaafdseidn! © Klaus-Dieter Schreiter

Als flankierende Maßnahme böte sich dabei an, einen der Nürnberger Plätze „Machamol“ zu nennen. Mit dem Machamol-Platz wäre der Ellbogenmentalität ein würdiges Denkmal gesetzt. Bernd Regenauer, Kabarettist


Mobbing und böse Füchse: Nürnberger Kindertheater stellen sich in der neuen Spielzeit harten Themen



MEERESSTILLE
Im Griechischen finde ich viele meiner Lieblingswörter, weil griechische Wörter häufig eine große Bild- und Aussagekraft besitzen. Zum Beispiel das Wort „Galéne“, das „Meeresstille“ bedeutet. Vor dem geistigen Auge erscheint das Bild einer ruhigen Meeresfläche, darüber der blaue Himmel, die Sonne. Bei dem Philosophen Epikur steht Galéne für „Seelenruhe“, „Gelassenheit“, „Unerschütterlichkeit“. In den letzten eineinhalb Jahren dachte ich häufig an Galéne, das ruhige, blaue Meer unter der strahlenden Sonne vor einer griechischen Insel, und versuchte, trotz der pandemiebedingten Stürme und Aufregungen Gelassenheit und einen klaren Kopf zu bewahren. Und im Sommer erlebte ich Galéne in beiden Bedeutungen beim entspannten Baden im Meer. Hermann Lind, Direktor des Melanchthon-Gymnasiums

PAZ
Ein Wort, das ich gern mag, ist „paz“, spanisch für „Frieden“. Ich denke, dass alle Konflikte eine friedliche Lösung haben könnten, wenn ein Wille da wäre.
Antonio Fernandez, Inhaber der „Bodegas Andaluzas“ und ehemaliger SPD-Stadtrat


ALMANCI
Als meine Familie nach Deutschland kam, war ich acht Jahre alt. Immer wenn wir in den Urlaub gefahren sind, waren wir in der Türkei die „Almanci“, die Deutschländer. Das war eine Mischung zwischen „Die meinen, dass sie was Besseres sind, weil sie mit einem schönen Auto in die Türkei kommen“ und Schimpfwort, so nach dem Motto „die Nicht-Dazugehörigen“. Deshalb mochte ich das Wort nicht, zumal ich mich in Deutschland auch nicht sehr willkommen gefühlt habe. Dieses Wort war sinnbildlich für meinen Seelenzustand. Nirgendwo dazugehören, immer zwischen zwei Stühlen sitzen.
Im Laufe der Jahre hat sich das gewandelt, wahrscheinlich auch, weil ich endlich hier innerlich eine Heimat gefunden habe und mich das Wort „Almanci“ dann nicht mehr gestört hat. Es war vielleicht auch der Ausdruck, etwas anders zu sein. Schließlich war ich auch mit der Zeit durch die Prägung in Deutschland anders geworden. Ich war nicht mehr der Junge, der im anatolischen Dorf lebt, fernab von Innovation.
Nun ist dieses Wort eines meiner Lieblingsworte, weil ich damit meinen Frieden geschlossen habe und dieses Wort meine damalige Gemütswelt sehr gut beschreibt. Und außerdem klingt es sehr lustig. Arif Tasdelen, SPD-Landtagsabgeordneter

Der Nürnberger Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen hasste und liebt nun ein bestimmtes Wort.

Der Nürnberger Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen hasste und liebt nun ein bestimmtes Wort. © Lennart Preiss, NNZ



TEAMPLAYER
Das Wort „Teamplayer“ spiegelt mein Handeln sehr gut wider – sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. In meinem langjährigen Berufsleben habe ich gelernt, dass sich die größten Erfolge eingestellt haben, wenn ich etwas gemeinsam mit meinen Kollegen und Kolleginnen im Team erarbeitet habe. Und natürlich agiere ich auch in der Familie und im Freundeskreis gern als Teamplayerin. Als bekennender Clubfan stelle ich gerade fest, dass die Mannschaft aktuell so gut im Zusammenspiel funktioniert, weil es offensichtlich gelungen ist, wieder ein Team mit zahlreichen guten Playern zu formieren. Elisabeth Sträter, Direktorin der Stadtbibliothek


Illegale "Querdenker"-Schule in Bayern? Betreiberin drohen Konsequenzen



COSMOPOLITAN
Das ist nach meinem eineinhalb jährigen Aufenthalt in den USA mein Lieblingswort. Weil die Übersetzung liberal, weltoffen lautet und natürlich, weil der „Cosmopolitan“ ein wunderbar erfrischender Cocktail ist, denn ich gerne in den Südstaaten getrunken habe. Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg

KESÄYÖNAURINKO
Es bedeutet Mitternachtssonne. Die Aussprache finde ich melodisch, es hat keine Doppelkonsonanten, die ja eigentlich typisch für Finnisch sind, die aber die Sprache etwas hart klingen lassen. Und das Phänomen Mitternachtssonne ist einfach faszinierend und wunderschön. Mari Koskela, Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Finnischen Gesellschaft

Mari Koskela ist Vorstandsvorsitzende des Deutsch-Finnischen Vereins Nürnberg. Sie liebt Vokale.

Mari Koskela ist Vorstandsvorsitzende des Deutsch-Finnischen Vereins Nürnberg. Sie liebt Vokale. © privat, NNZ


CHRONOS
Als Grieche und Berufsdolmetscher liebe ich das Wort „chronos“ – die Zeit. In meinem Beruf als Simultandolmetscher kämpfe ich täglich gegen die Zeit. Es zählt jede Sekunde. Was ich mitbekomme, muss ich sofort in eine andere Sprache übersetzen. Vor allem vor Gericht ist die Zeit eine wichtige Zahl. Sie beschreibt, wie viel Lebenszeit zu zahlen ist, also wie lange jemand ins Gefängnis muss. Die alten Griechen haben sich bereits um 500 vor Christus mit der Zeit beschäftigt. Der Philosoph Heraklit prägte in seiner Lehre den Spruch „Panta rhei“ – alles fließt. Er sah die Zeit wie einen Fluss: Die Zukunft kommt angespült und wird zum Hier und Jetzt – kaum ist sie da, ist sie schon wieder vorbei. Dr. Theodoros Radisoglou, Gerichtsdolmetscher

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