Rassismus

Wenn ein Foto statt Lebensfreude blanken Rassismus weckt

7.6.2021, 19:19 Uhr
Dieses Foto löste bundesweit einen Shitstorm aus: Auf Facebook ließen viele Userinnen und User ihrem Rassismus freien Lauf.

© Michael Matejka / FB-Screenshot Nürnberger Nachrichten Dieses Foto löste bundesweit einen Shitstorm aus: Auf Facebook ließen viele Userinnen und User ihrem Rassismus freien Lauf.

Vergangene Woche ließ uns das Wetter endlich mal spüren, dass der Sommer naht. Sonne satt, angenehme Temperaturen, dazu die Lockerungen in der Gastro und im Handel: Viele Menschen strömten nach Nürnberg, um - genau: einfach mal das Leben und die zurückgewonnene Freiheit zu genießen.

Unser Fotograf Michael Matejka war in der Innenstadt unterwegs und hielt wunderbare Szenen fest. Wir zeigen solche Fotos sehr gern auf unserem Internet-Portal nordbayern.de - weil es vielen auch gute Laune macht, Bilder zu sehen, die zeigen, wie andere gute Laune haben.

Eine Bildergalerie aus der City

"So genießen die Nürnberger die Sonne in der Stadt" heißt die Bildergalerie, die so entstand. Auch auf Facebook, dem angeblich sozialen Netzwerk, posteten wir einen Link zu dieser Seite. Mit einem besonders schönen Foto aus Matejkas Kamera: Ein schwarzes Paar, strahlend und seine Eiswaffeln genießend.

Das aber gefiel nicht allen, es löste bei vielen Userinnen und Usern krasse Reflexe aus. Entsprechend fielen die Kommentare aus, die Facebook-Nutzer aus ganz Deutschland unter dem Eintrag hinterließen. Man scheut sich, sie hier wiederzugeben - zu sattsam bekannt sind derart dumme Bemerkungen.

Dennoch zitieren wir hier aus diesen Kommentaren. Es sind übrigens noch die weniger heftigen, weniger brutalen; manches war so unterirdisch, dass sich ein Zitieren verbietet. Auch das, was nun folgt, zeigt, wie etliche User ticken.

"Wusste nicht, dass die Nürnberger so stark pigmentiert sind", hieß es da. Oder, adressiert vermutlich an "echte", also weiße Nürnberger: "Ab zum Job, damit die neuen Mitbürger in der Mittagssonne ihr Eis schlürfen dürfen." Es ekelt einen an, wer sich da alles wie - man kann es nicht anders sagen: auskotzt. Bis hin zu "raus, raus, raus! Weg, weg, weg!" lauteten die Kommentare zu dem Foto.

Keine Zensur - es geht um Menschenwürde

Da wir als Medienhaus verantwortlich sind für die Inhalte, die unter unserer Marke erscheinen, hatte unser Online-Team in den vergangenen Tagen jede Menge Überstunden zu machen. Sie sichteten all die Kommentare - und löschten alle mit rassistischen Aussagen.

Das hat nichts mit Zensur zu tun oder mit eingeschränkter Meinungsfreiheit: Wir drucken ja auch keine rassistischen Leserbriefe ab. Es gibt Grenzen der Meinungsfreiheit. Rassistische Beschimpfungen oder vermeintliche Witzchen sind das, als was sie auch gedacht (gedacht?) sind: Beleidigungen, Herabwürdigungen, Diskriminierungen. Ganz bewusste Verletzungen der Menschenwürde.

Die Hass-Kommentare kamen übrigens aus ganz Deutschland. Denn etliche AfD-nahe Facebook-Nutzer teilten unseren Post, verbreiteten ihn also auf ihrem Kanal weiter - und sorgten so für noch mehr Echo, auch von Mitgliedern jener Partei, die sich stets gegen Rassismus-Vorwürfe wehrt, deren Anhänger eben diesen Rassismus aber völlig ungeniert und auch ungestört verbreiten können in einem nur vermeintlich sozialen Netzwerk.

Manche Kommentatoren warfen uns "Framing" vor: Wir zeigten eine Gesellschaft, wie wir sie möchten. "Peinliche Propaganda" sei das. Was für ein Unsinn. Nürnberg ist nun mal bunt, wir bilden diese Vielfalt nach wie vor eher zu selten ab. Gut 46 Prozent der Nürnberger haben einen Migrationshintergrund. Und: Das Paar mit dem Eis gehört dazu.

Zwei fränkelnde Nürnberger

Michael Matejka, unser Fotograf, berichtet, wie er die beiden erlebt hat - die er natürlich fragte, ob er sie fotografieren darf: "Das waren so nette Menschen, sie fränkelten und wir freuten uns gemeinsam über den schönen Tag." Als er von dem Shitstorm hörte, den das Foto ausgelöst hat, reagierte er wütend: "Was sind das bloß für Leute..."

"Friede und Liebe an alle da draußen"

Wer den Beitrag übrigens auch auf Facebook sah, war das abgebildete Paar. Der Mann postete: "Danke an alle da draußen, die sich gegen Rassismus einsetzen. Und für die jenigen von euch mit den rassistischen Kommentaren ..., versucht bitte an euch selbst zu arbeiten, denn das ist 2021 - Rassismus hat keinen Platz mehr auf der Welt, übrigens sind wir beide ein Vollzeit-Arbeiterpaar und deutsche Staatsbürger wie jeder weiße Deutsche, also was ist dein Problem? Trotzdem Frieden und Liebe an alle da draußen."

Das ist exakt die richtige Antwort auf Hass: Kein Gegen-Hass, sondern Gelassenheit. Und genau das, was den Rassisten fehlt: Menschenfreundlichkeit.

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