Werden durch neuen OB die Karten neu gemischt?

13.3.2019, 21:58 Uhr
Werden durch neuen OB die Karten neu gemischt?

© Foto: Horst Linke

Die Front auf dem Podium zwischen Enderle und Daniel Ulrich, dem Nürnberger Baureferenten, schien sich bis in die Zuhörerschaft fortzusetzen. Dort saßen hauptsächlich Anhänger der Altstadtfreunde und Baufachleute, die das Fähnlein der 50er-Jahre-Architektur hochhielten.

Großplakat mit Originalfassade?

Enderle betont in seinem Statement, es gehe nicht um den Rückbau des Pellerhauses in seiner jetzigen Form, sondern um die Genehmigung, für einen Zeitraum von acht Wochen ein Großplakat an der Fassade aufzuhängen, das die Originalfront aus der Renaissance zeigt. Wenn diese Plane nicht komme, werde die Diskussion nicht enden, sondern immer weitergehen. Deshalb "sollte man das Experiment wagen".

Taktisch geschickt lobt Daniel Ulrich die Altstadtfreunde zunächst als "größten Baukulturverein Deutschlands". Das "allgemeine Unbehagen mit Bauen in der Moderne", das hinter der Idee der Rekonstruktion stehe, damit zu beantworten, dass man "in die Renaissance zurückspringe", hält er jedoch nicht für richtig. Er lehnt eine Simulation der Originalfront ab. Das dafür benötigte Gerüst würde das jetzige Pellerhaus um neun Meter überragen, und die Simulation sei auch etwas schmaler. Die Gerüst-Verankerungen in der Fassade wären außerdem ein Eingriff in ein denkmalgeschütztes Gebäude, "das dadurch ein bisschen kaputtgemacht" werde. Die Sache sei also nicht so einfach, wie von Enderle dargestellt.

Werden durch neuen OB die Karten neu gemischt?

© Simulation: Pablo de la Riestra

Wie soll sich politischer Wille bilden?

Selbst wenn das riesige Transparent aufgehängt würde, gestaltet sich die politische Willensbildung pro und contra Rekonstruktion schwierig. Der Vorsitzende der Altstadtfreunde will – das sagt er zum wiederholten Mal – kein Bürgerbegehren. Er könne sich vorstellen, ein Buch auszulegen, in dem sich die Bürger für oder gegen den Wiederaufbau eintragen. Entscheider sei aber letztlich die Kommune. Auch der Oberbürgermeister könne sich über andere Meinungen hinwegsetzen und trotz Denkmalschutz ein Gebäude abreißen lassen. Als Beispiel führt Enderle das Parkhotel in Fürth an, das der Neuen Mitte zum Opfer fiel.

Dass mit einem neuen Oberbürgermeister in Nürnberg die Meinung des Stadtrats zum Pellerhaus anders als bisher aussehen könnte, hält Baureferent Ulrich für irrelevant. "Es geht um die Frage des bürgerschaftlichen Willens." Was die Bürger wollen, sei schwer herauszufinden.

 

KArgumente für einen Rückbau
Laut Enderle, dem Vorsitzenden der Altstadtfreunde, stand das Pellerhaus bis 1948 "oben auf der Liste der zu rekonstruierenden Bauten". Erst später entschied sich die Stadtspitze für den auf das noch bestehende Erdgeschoss aufgesetzten Neubau im Stil der 50er Jahre. Der an dieser Stelle gern ins Feld geführte damalige Baureferent Heinz Schmeißner soll laut einem Leserbrief seiner Tochter Dorothea Schmeißner-Lösch aber später seine Meinung geändert haben: Man hätte das Pellerhaus doch nach alten Plänen wieder aufbauen sollen.

 

KDen Denkmalschutz aufheben?
Das Pellerhaus ist nach Landesgesetz in der bayerischen Denkmalliste eingetragen. In Ausnahmefällen sei es möglich, den Schutz aufzuheben, so Ulrich. Man brauche jedoch einen guten Grund, den man aber beim Pellerhaus nicht habe. Denn das Gebäude hat keine statischen Probleme, und seine künftige Nutzung ist garantiert: als Haus des Spiels.

 

KPlatz für ein Archiv
Dass man am Pellerhaus festhalte, weil man das dortige Spielearchiv für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 benötige, bestreitet der Baureferent: "Umgekehrt wird ein Schuh draus." Ein Archiv sei es schon, deshalb sei es als Ort für das Spielearchiv hervorragend geeignet. "Man kann aus einem Bücherspeicher einen Spielespeicher machen."

Die Altstadtfreunde unterstützen Enderle zufolge die "innovative Idee eines Haus des Spiels". Dafür würden aber "die drei Geschosse des angrenzenden Imhoff’schen Hauses locker ausreichen."

 

KFinanzielle Größenordnung
Die Rekonstruktion von Vorder- und Rückfassade des Pellerhauses kalkuliert Enderle mit je zwei Millionen Euro, die durch den Verein und Spenden finanzierbar seien. Sollten die Altstadtfreunde das Haus ganz übernehmen, hält er einen Investor für nötig, schließlich koste die Sanierung so viel wie ein Neubau. Bei dieser Lösung schwebt dem Vereinschef vor, sowohl das "Schöne Zimmer" als Repräsentationsraum wieder einzurichten als auch Räume etwa "für ein Notariat oder Ähnliches". Die von ihm favorisierte Lösung sei aber: "Das Haus bleibt bei der Stadt , der Verein rekonstruiert beide Fassaden." Einen Investor hält er nur "für die zweitbeste Möglichkeit".

Ulrich kann sich "privates Investment an einer so exponierten Stelle nicht vorstellen", wofür er Applaus erhält. Nur eine öffentliche Nutzung des Hauses sei sinnvoll. Das Angebot der Altstadtfreunde sei deshalb "kein Super-Angebot, sondern ein vergiftetes Geschenk". Das bringt dem Baureferenten prompt Buhrufe ein. Auf den Vorschlag Enderles, nach Rekonstruktion der Fassaden das Kulturrathaus im Pellerhaus unterzubringen, stellt Ulrich die Frage: "Welcher Kulturreferent will denn dort einziehen?"

 

KFrage des Denkmalwertes
Der Altstadtfreundechef sieht
das Dilemma, dass der Bau aus den 50er Jahren als Denkmal einen Wert besitzt, meint aber, man hätte das Haus gar nicht unter Denkmalschutz stellen sollen. Er bestreitet einen hohen Denkmalwert und nennt die 50er-Jahre-Lösung einen "Hybrid".

Ulrich betrachtet die Sache anders: "Der Denkmalwert des Hauses besteht darin, dass es Teil der Stadtgeschichte ist." Deshalb hätte "ein Abriss eine verheerende Wirkung nach außen". Er wolle auch keinen Präzedenzfall schaffen, denn wenn "ein Gebäude von herausragendem Wert wie das Pellerhaus" abgerissen werde, könnten andere folgen.

 

KWert der 50er-Jahre Architektur
Der Baureferent schätzt Nürnberg als "herausragendes Flächendenkmal der 50er Jahre" ein. Schließlich stamme beinahe die ganze nach dem Krieg wieder aufgebaute Altstadt aus dieser Zeit. "Das wissen die Touristen nur nicht – sie halten alles für echt."

Karl-Heinz Enderle überrascht mit dem Geständnis, "Ich würde das Pellerhaus ja mögen, wenn es nur nicht an dieser Stelle stehen würde", und erntet Lacher im Publikum dafür.

 

KBeiträge von Zuhörern
In der Schlussrunde der Diskussion kommt das Publikum zu Wort. Im Folgenden eine Auswahl der Beiträge:

Ein älterer Herr kritisiert, dass beim Thema Pellerhaus die Allgemeinheit zu wenig berücksichtigt werde und die Meinung zu sehr von Architekten beeinflusst werde.

"Wer Nürnberg liebt, sucht den Geist der Stadt nicht in den kühlen Bauten der Wiederaufbauzeit", meint ein anderer, der sich als gebürtiger Nürnberger vorstellt. Das jetzige Pellerhaus sei nur aus Geldmangel entstanden. Er wirft dem Baureferenten vor, "bürgerliches Engagement zu unterbinden". Der Angesprochene antwortet: "Ich sitze hier, um zu diskutieren, nicht, um etwas zu unterbinden."

Ein im Umfeld des Egidienbergs aufgewachsener Mann zeigt sich "entsetzt, wenn der Bau von Fritz und Walter Mayer abgerissen und durch den Bau eines privaten Investors ersetzt würde".

Ein Altstadtbewohner kann nicht verstehen, warum das große Transparent mit der Simulation des Originals an der Hausfassade von der Stadt abgelehnt wird.

Ingrid Bierer, Direktorin der städtischen Museen, vertritt die Ansicht, Pellerhaus und Imhoff’scher Bau gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden – sonst würden sie nicht mehr zusammen funktionieren. Die Museen bräuchten außerdem den Platz dringend als Depotraum, der sonst, wie mehrfach berichtet, in der Stadt Mangelware sei – vor allem für Stücke aus der Spielzeug- und der Graphischen Sammlung.

Eine junge Frau stellt sich als zur "Retro-Szene" gehörend vor. Ihrer Meinung nach könnte ein rekonstruiertes Renaissancegebäude "Jung und Alt zusammenbringen durch seine Schönheit". Das findet Gefallen beim übrigen Publikum.

Ein "waschechter Nürnberger" glaubt, ein wieder aufgebautes Pellerhaus wäre für den Nürnberg-Tourismus "eine gigantische Sache". Woraufhin Baureferent Ulrich kontert: "Noch mehr Tourismus-Förderung hat die Stadt nicht nötig. Ich halte dieses Argument für das schwächste."

Für Brigitte Sesselmann, Sprecherin der Architekten-Initiative "Pro Pellerhaus", die den 50er-Jahre-Bau erhalten will, ist die Einheit zwischen Pellerhaus und Imhoff’schem Bau wichtig und deshalb unteilbar. Ihr Wunsch wäre, "die Erdgeschosse mehr nach außen zu öffnen". Außerdem hält sie "eine Reparatur des Schwarzen Pellerhauses (links neben dem Pellerhaus, Anm. d. Red.) und des Eckgrundstücks zur Tetzelgasse hin", wo einst der Peststadel stand, für dringend notwendig. "Das wirkt wie eine Dauerbaustelle."

 

KWie geht es weiter?
Für Karl-Heinz Enderle ist es "das oberste Ziel", aus dem Egidienplatz etwas zu machen. Er befürchtet jedoch, dass nichts passieren wird, "wenn die Stadt den gegenwärtigen Zustand des Pellerhauses zementiert".

Dem widerspricht Baureferent Ulrich: "Ein Haus des Spiels kann auf den Platz ausstrahlen." Zunächst müsse die Stellplatzfrage gelöst werden. Für eine Umgestaltung gebe es "hochspannende Entwürfe von Architekturstudenten". Dann könne man es angehen, "einen Platz mit der Bürgerschaft neu zu erschaffen".

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