Zu wenig Parks und Bäume

Wie grün ist Nürnberg wirklich? Das sagt die Statistik

19.8.2021, 05:54 Uhr
Auch der Aufseßplatz soll mehr Grün erhalten, wenn der Rohbau des neuen Kaufhauses abgeschlossen ist.

© Reinhard Schmolzi Auch der Aufseßplatz soll mehr Grün erhalten, wenn der Rohbau des neuen Kaufhauses abgeschlossen ist.

Grünflächen werden immer wichtiger: Sie sind die städtischen Signaturen unserer Zeit. Was früher die Anzahl neuer Straßen war, ist heute die Zahl neu gepflanzter Bäume und die Erweiterung von Grünflächen. Ein positives Grün-Image ist für eine Großstadt inzwischen genau so wichtig wie erfolgreiche Sportvereine, eine ausreichende Anzahl von Kinderbetreuungsplätzen, gute Schulen und ein erstklassiges Theater. Grünflächen und Bäume sorgen für Abkühlung in der Stadt und für ein besseres Klima.

Unterschiedliche Grundlagen

Grün statt Parkplätze: Mit dem Quellepark wurde die Versiegelung des Bodens aufgebrochen.

Grün statt Parkplätze: Mit dem Quellepark wurde die Versiegelung des Bodens aufgebrochen. © Michael Matejka

Wie kommen Grün-Rankings zustande? Was sind die Kriterien? Die Kriterien sind völlig beliebig und trotzdem prägen sie Schlagzeilen. Drei Beispiele aus vor kurzem veröffentlichten Rankings. Das Hugsi-Ranking repräsentiert den Anteil aller Grünflächen, die ein Satellit auf der gesamten städtischen Fläche ermitteln kann. Unter weltweit 156 Städten war die am besten platzierte deutsche Stadt Dortmund. Gewonnen hat das US-amerikanische Charlottesville. Erlangen kam auf Platz 20, Nürnberg auf Platz 71 und Fürth wurde 76. Das sagt natürlich über die Qualität des Grüns gar nichts aus. Dortmund wirbt übrigens jetzt mit dem Slogan, die grünste Stadt Deutschlands zu sein.

Nur schwer zu vergleichen

In einem weiteren Ranking, für das die Daten von "Open Street Maps" verwendet wurden, ging Potsdam als Sieger hervor, Kassel wurde Zweiter, Bremen Dritter. Basis der Auswertung war, wie viele Quadratmeter an Parkfläche auf einen Einwohner kommen. In Potsdam sind es 33,03 Quadratmeter. Selbst München, eine der stark verdichteten Städte in Deutschland, schneidet mit 17,78 Quadratmetern noch gut ab und kommt auf Platz 5.

Aber ist die bayerische Landeshauptstadt wirklich eine grüne Stadt? Wohl in den meisten Stadtteilen eher nicht. Fürth wurde vor kurzem zum grünen Energiemeister ausgerufen. Anlass war das Ranking des Energieriesen E.ON, bei der die Zahl der E-Ladestationen im Verhältnis zur Einwohnerzahl, grüne Patente und ökologische Energieerzeugung eine Rolle spielen. Grün wird aber Fürth erst durch seinen wunderbaren Stadtpark.

Wie Urlaubsfotos

Solche Rankings sind wie Urlaubsfotos: Sie geben sicherlich die Wirklichkeit wieder, aber nur mit einem kleinen Ausschnitt. Mal werden die öffentlichen Park- und Grünanlagen hinzugezählt, mal Kleingärten. Die Datenbasis ist meistens sehr schwer vergleichbar. Im Masterplan Freiraum von 2014 gibt Nürnberg pro Einwohner an Grün- und Parkanlagen 13 Quadratmeter an, in Essen sind es 11, in Stuttgart 12, in Bremen 14, und Dresden ist mit 17 Quadratmetern Spitzenreiter. Kleingärten, Friedhöfe und Sportanlagen sind hier nicht mitgerechnet. Nur: Nach Angaben des Servicebetriebs Öffentlicher Raum hat Nürnberg (SÖR) aber zusammen mit Leipzig die größte Kleingartenfläche.

Der Rasen auf dem Nelson-Mandela-Platz ist angewachsen, doch die Bäume brauchen noch etwas Zeit. Auch hier: Grünflächen statt Parkplätze.

Der Rasen auf dem Nelson-Mandela-Platz ist angewachsen, doch die Bäume brauchen noch etwas Zeit. Auch hier: Grünflächen statt Parkplätze. © André De Geare

Ist Dortmund grüner?

Warum schneidet Nürnberg so schlecht ab? Wer mit dem Flugzeug über Nürnberg fliegt, der sieht eine grüne Stadt, umschlossen von Wald. Er käme nie auf die Idee, dass Dortmund viel grüner als Nürnberg ist. Der Grund: Der Reichswald zählt nicht zum Stadtgebiet, er gehört dem Freistaat. Wer von Zabo aus in den Reichswald spazieren geht, wird sich über die Natur freuen, aber nicht darüber nachdenken, wem der Wald zuzuordnen ist.

Ein weiterer Grund, warum Nürnberg bei Grünflächen-Vergleichen so schlecht abschneidet, ist das relativ kleine Stadtgebiet. Nürnberg hat eine Fläche von 186 Quadratkilometern, Leipzig von 297 Quadratkilometern und Bremen sogar von 325 Quadratkilometern. Bremen und Leipzig haben schon allein deshalb mehr Grünflächen pro Kopf als Nürnberg. Bei der Einwohnerzahl liegen sie gar nicht so weit auseinander.

Keine Residenzstadt

Baureferent Daniel Ulrich nennt noch zwei weitere Ursachen, warum Nürnberg nicht mit mehr Grünflächen glänzen kann. "Wir haben im Vergleich zu anderen Großstädten noch sehr viel Landwirtschaft. Das zählt aber nicht als Grünfläche", so Ulrich. Außerdem ist Nürnberg nie eine Residenzstadt gewesen, die mit Alleen und Parks aus Repräsentationsgründen glänzen wollte. Das Stadtgebiet Nürnberg ist 18.938 Hektar groß, davon sind 3271 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, 1493 Hektar Erholungsfläche und 3122 Hektar Waldfläche.


Der Plan für mehr Grünflächen


Nürnberg hatte zwar keine Fürsten, die Parks und Alleen angelegt haben, dafür aber eine reiche Tradition an bürgerlichen und patrizischen Initiativen, darauf verweist SÖR. Mit den Hesperidengärten wurde schon im 16. Jahrhundert ein Grüngürtel mit 300 Gärten angelegt. Klaus Köppel, Leiter des Umweltamts, kommt trotz unterschiedlicher Statistiken zu dem Schluss: "Für Nürnberg zeigt sich eine im Vergleich mit anderen Städten eher unterdurchschnittliche Ausstattung mit Grün."

Stadterneuerungsgebiete

Was wird gemacht, damit Nürnberg grüner wird? Das Grün-Defizit ist in einigen Stadtteilen nicht nur ein statistisches Problem: "In der Südstadt wurde sehr dicht und ohne Grünflächen gebaut. In St. Johannis ist die Dichte ähnlich hoch, aber der Stadtteil wird durch die Grünflächen ganz anders wahrgenommen", stellt Siegfried Dengler, Leiter des Stadtplanungsamts, fest. "Eine Straße mit einer Baumreihe steht ganz anders da als eine ohne Bäume", so Dengler.

Die Stadt hat deshalb mehrere Stadterneuerungsgebiete ausgewiesen, um das vorhandene Grün aufzuwerten und auszubauen. Galgenhof, Steinbühl, Schweinau, St. Leonhard, Altstadt, die Weststadt, Langwasser und der Südosten gehören dazu. "Es sollen grüne Inseln neu angelegt oder aufgewertet werden. Mehr Grün ist eine Daueraufgabe", so Dengler.

Landesgartenschau soll helfen

Wo hakt es? Otto Heimbucher, BN-Vorsitzender in Nürnberg, ist nicht ganz so optimistisch. "In den dicht bebauten Stadtteilen fehlen Straßenbäume und kleine Oasen." Wenn es sie gibt, dann werden sie auch nicht immer wahrgenommen. In der Schildgasse gebe es eine Grünfläche, allerdings ohne Sitzplätze. Heimbucher hofft, dass im Zuge der Landesgartenschau, für die sich Nürnberg bewerben will, auch kleinere Mikroparks eine Aufwertung erfahren könnten. Außerdem müssen seiner Meinung nach nicht immer Bäume gepflanzt werden, oft würden auch Büsche helfen. Die teure Verlegung von Sparten wie Telefonleitungen im Untergrund, wäre dann unnötig.

Parkplätze könnten begrünt werden

Im Gegensatz zu Dengler kritisiert Heimbucher, dass die Bauverwaltung noch immer nicht den Schwerpunkt auf den Grünbereich setzt: "Es fehlt der Biss, dass etwas vorangeht." Und es fehlt an Geld. Der Masterplan Freiraum sei eine sehr gut Idee, doch er müsste mit viel mehr Geld ausgestattet werden. Nur zwei bis drei Millionen Euro stünden im Jahr zur Verfügung. Große Möglichkeiten, die Stadt mit mehr Grün auszustatten, bestehen in der Begrünung von Parkplätzen in der Altstadt und von Discountern.

Auch für die Nürnberger Innenstadt sind mehr Bäume geplant.

Auch für die Nürnberger Innenstadt sind mehr Bäume geplant. © Günter Distler

In der Altstadt gibt es rund 5000 Parkplätze, die zum Teil begrünt werden könnten, wenn die Anwohner günstige Konditionen für das Parken im Parkhaus bekommen würden. Heimbucher fordert auch, dass nachgeprüft wird, ob Bäume, die aufgrund baurechtlicher Bestimmungen gepflanzt werden mussten und die nicht überleben, nachgepflanzt werden. "Da muss die Bauordnungsbehörde mehr hinterher sein", fordert Heimbucher.

Der Trend zeigt nach oben

Wie steht es um die Bäume in der Stadt? Eine Baumpflanzung in der Innenstadt kann 5000, 8000 oder gar 12.000 Euro kosten. Je nachdem, was im Untergrund verlegt werden muss. Davon entfallen 800 Euro auf den Baum. Es wird mehr gepflanzt, die Tendenz zeigt leicht nach oben. Aber jedes Jahr fallen auch 1000 Bäume weg. Insgesamt hat Nürnberg nach Angaben von SÖR 80.000 Straßenbäume, 28.100 davon sind kartiert. Alle anderen sind "waldähnliche Bestände", heißt es im Amtsdeutsch. In diesem Jahr hat der Forst schon 1000 Bäume gepflanzt und SÖR 500 große Straßenbäume.