Wie im Kindergarten

10.6.2020, 00:00 Uhr
Wie im Kindergarten

© Foto: Klax

Am Mittwoch werden Armbänder geflochten. Dafür ist nicht viel nötig, sagt Nina, die an einem Holztisch sitzt und vor sich viele bunte Bänder liegen hat. Ob Geschenkschnur, Woll- oder Strickfaden, sei egal. Hilfreich aber ist ein Klemmbrett, erklärt die junge Frau und hält ein quietschgrünes Exemplar hoch. "Da lassen sich die Fäden zum Flechten gut fixieren."

Nachdem Nina drei Bänder ausgesucht und in derselben Länge abgeschnitten hat, verknotet sie die Fäden an einem Ende und klemmt sie fest. Für Anfänger empfiehlt sie drei verschiedene Farben und breitere Bänder, damit fällt Kindern das Flechten leichter. Langsam legt sie die Schnüre wie bei einem Zopf übereinander. Wer mag, kann wie sie ab und zu eine Perle oder eine Muschel einfädeln. Nach ein paar Minuten präsentiert Nina ihr Armband. Wer seines nicht um das Handgelenk tragen will, lautet noch ein letzter Tipp, "der kann es auch ans Fenster und an den Spiegel im Auto hängen".

Gut für Feinmotorik und Fingerfertigkeit

Nina Böhme ist Pädagogin. Sie weiß, wie gut solche Übungen für kleine Kinder sind. Durch das Flechten trainieren sie Feinmotorik und Fingerfertigkeit, das räumliche Verständnis und Gedächtnis wird angeregt. Mit dem Video richtet sich die Leiterin der Lernwerkstatt an der Klax-Berufsakademie in Berlin aber nur auf Umwege an die Kinder – und zunächst an die Eltern. Das YouTube-Video soll sie unterstützen, "um Kinder im Alter von eins bis sechs Jahren zu Hause kreativ und pädagogisch sinnvoll zu beschäftigen".

Denn genau das ist das Ziel der neuen Initiative Wikiga. Das steht für "Wie im Kindergarten" und hat seinen Ursprung auch in Nürnberg. Neben der Bildungseinrichtung Klax aus Berlin ist es die Firma Staedtler mit Sitz in Neunhof, die auf diese Weise seit April Eltern unterstützt, während der Regelbetrieb in Kitas und Kindergärten noch nicht möglich ist.

Zwar haben Kindertageseinrichtungen für fast 50 Prozent der Kinder in Bayern wieder geöffnet und im Juli sollen alle wieder in Kindergärten und Kitas gehen dürfen. Das heißt aber auch: Mehr als die Hälfte der Jungen und Mädchen sind aktuell weiterhin daheim. Die Videos sollen Eltern bei deren Betreuung helfen.

Wochenplan hilft beim Strukturieren

Zum Beispiel mit einem Wochenplan. Vom Malen von Mosaiken am Montag übers Schleifebinden am Dienstag bis zu Spiegelbildern am Freitag sind jeden Tag Erzieherinnen oder Kunstpädagoginnen zu sehen, die Eltern eine sinnvolle Beschäftigung für ihre Kinder in den eigenen vier Wänden zeigen. Oft wird mit einfachen Materialien gebastelt, manchmal werden Tipps für Spielformen gegeben, damit sich die Kinder auch ohne Mama und Papa kreaiv beschäftigen.

Schließlich müssen die meistens von daheim aus arbeiten. "Die aktuelle Situation ist für Eltern eine Herausforderung, die die Betreuung ihrer noch nicht schulpflichtigen Kinder weiter zumindest teilweise und meist neben dem Homeoffice stemmen müssen", sagt Erna Müller. Sie leitet die Initiative für Staedtler. Während Schulkinder durch Homeschooling eher an Klasse und Lehrplan gebunden sind, fehlen für die Jüngeren oft pädagogische Angebote.

Ein Ersatz für Kita oder Kindergarten will Wikiga aber nicht sein, "eher ein ergänzendes Programm, das Kinder an das begeisterte Spielen und Lernen mit Kindergarten-Freunden erinnert", betont Müller.

 "Ich vermisse meine Freunde"

Dass Kinder das gemeinschaftliche, fördernde und kreative Umfeld einer Kita vermissen, spüren viele Eltern. In einem Video auf der Wikiga-Seite machen einige Jungen und Mädchen ihrem Unmut Luft. "Ich vermisse meine Kindergarten-Fruende", sagt ein Mädchen, "laaaaangweilig", schreit ein anderes. Wikiga soll da helfen.

Auch nach Corona. Die Initiative soll weiter bestehen, sagt Erna Müller. Denn der Bedarf ist da. Die aktuelle Situation sensibilisiert Eltern mehr denn je dafür, wie wichtig eine sinnvolle und fördernde Gestaltung von Betreuungszeit ist. "Und die möchten wir weiter mit fundierten und überraschenden Ideen formen."

Alle Infos unter www.wikiga.de

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