Wie Katzwang im Wasser versank

26.3.2009, 00:00 Uhr
Wie Katzwang im Wasser versank

© Michael Matejka

Ruhig steht das Wasser im Kanal. Nur zeitweise kräuseln sich leichte Wellen auf der Oberfläche, sobald der Wind darüberweht. Doch dieser harmlose Schein trügt. Am Gedenkstein stehen zwei Männer, die das bezeugen können: der ehemalige CSU-Stadtrat Helmut Bloß und Herbert Wolkersdorfer. Mit der Hand zeichnet Bloß den Weg in die Luft, den das Wasser am 26. März 1979 nahm, ehe es Richtung Rednitztal abfloss. Der Politiker wohnt selbst nur 250 Meter von der einstigen Bruchstelle weg. Er spricht von «unglaublichen Wassermassen«, die «keilförmig« in das dicht besiedelte Katzwang stürzten.

Zuerst nur kleine Pfützen

Hier, unter diesem zweieinhalb Tonnen schweren Gedenkstein, war das Loch. Zuerst bildeten sich kleine Pfützen am Fuß des Hangs. «In den Wasserlachen haben anfangs noch Kinder gespielt«, sagt der 68-Jährige. Doch dann riss das drückende Nass die Wand des Walls immer weiter auf. Um 15.56 Uhr schrillt in der Feuerwache Süd dann das Telefon. Ein dramatischer Notruf am anderen Ende der Leitung: «Greuther Straße, Rhein-Main-Donau-Kanal, Dammbruch.«

Mehr als 800000 Kubikmeter Wasser verwandelten in kurzer Zeit Straßen in reißende Flüsse, überfluteten Plätze, Keller und Gärten. 3000 Menschen in dem betroffenen Gebiet hatten Angst. Viele mussten mit ansehen, wie Fassaden und Giebel ihrer Häusern wegbrachen. Ganze Gebäude stürzten in sich zusammen, weil das Wasser den Grund unterspülte. Wie Topfdeckel lagen ihre Dächer auf dem, was von den Häusern noch übrig geblieben war. Das Wasser grub auch in Minutenschnelle mehr als zehn Meter große Krater, die Autos, Mofas und Motorräder zu verschlingen schienen. «Ein Nachbar hat noch versucht, seinen Wagen an einem Verkehrsschild festzubinden. Aber vergeblich«, erinnert sich Herbert Wolkersdorfer. Sein Haus war so stark beschädigt, dass er es später abreißen lassen musste und ein neues an derselben Stelle baute.

Was war die Ursache?

Vielen Menschen im Zentrum der Katastrophe blieb nur die Flucht auf Dächer und Balkone. Gerettet wurden sie per Hubschrauber. Doch für ein 13-jähriges Mädchen, das mit seinem Vater auf einem Balkon stand, kam jede Hilfe zu spät. Die Fluten setzten dem Mauerwerk so zu, dass der Vorsprung nachgab und mit den beiden in die Tiefe stürzte. Der Vater überlebte, die Tochter ertrank. Das Resultat des 26.März 1979: Eine Tote, acht Verletzte, 15 Häuser sind durch das reißende Wasser zusammengebrochen. Gegen 19 Uhr war der zwei Kilometer lange Abschnitt des Kanals zwischen Eibach und Leerstetten leergelaufen.

Was war die Ursache? Der Kanal ist zu diesem Zeitpunkt im Bau gewesen, zuständig dafür war die Würzburger Wasser- und Schifffahrtsdirektion. Der Abschnitt der Wasserstraße, der Katzwang tangiert, wurde seinerzeit «zur Probe geflutet, um zu sehen, ob die Bauwerke halten«, sagt Helmut Bloß.

Nicht berücksichtigt habe man aber eine Fernwasserleitung von Allersberg nach Fürth. Sie verlief an der Bruchstelle unter dem Kanal und wurde nach dem Unglück Richtung Westen verlegt. Sie soll zu einem Teil schuld daran gewesen sein, dass unter dem Kanalbett Hohlräume entstanden waren, in die das Wasser drückte, den Damm unterspülte, woraufhin dieser schließlich einbrach.

1981 stellte die Staatsanwalschaft das Ermittlungsverfahren «wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Überschwemmung« ein. Denjenigen, die an der Planung und am Bau beteiligt waren, ist demnach kein Verschulden nachzuweisen. Der Gesamtschaden wurde auf 20 Millionen Mark beziffert. 160 Katzwanger organisierten sich in einem «Verein der Dammbruchgeschädigten«. Was bleibt, ist der schwere Granitfindling mit Gedenktafel auf der Kuppe des Damms - doch hat sich die Wasser- und Schifffahrtsdirektion dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

15 Jahre hat es gedauert, bis das von den «Dammbruchgeschädigten« geforderte Mahnmal an diesem Ort aufgestellt wurde. Die Behörden bremsten das Ansinnen lange aus, weil man sich nicht mit dem Gedanken an das eigene Versagen anfreunden konnte, sagen viele Katzwanger. Helmut Bloß: «Sie wollten nicht einmal den Namen des tödlich verunglückten Mädchens auf der Tafel stehen sehen.« Den sucht man heute darauf vergeblich.

Gedenkgottesdienst

Die evangelische und katholische Kirche in Katzwang laden am Sonntag, 29.März, um 17 Uhr zum Gedenken an die Katastrophe ein. Der Startpunkt des geplanten ökumenischen Passionswegs ist die evangelische Wehrkirche an der Rennmühlstraße. Von da aus geht es weiter zum Gedenkstein am Kanal.