Wie selbsternannte Tierschützer falsch spielen

7.11.2017, 21:26 Uhr
Wie selbsternannte Tierschützer falsch spielen

© Foto: Kerry Coughlin/National Marine Mammal Foundation

Es könnte die einzige und letzte Chance sein, um den Vaquita vor der Ausrottung zu bewahren. Das Team der Rettungsaktion setzt sich aus mehr als 80 Fachleuten zusammen, darunter Spezialisten für Schweinswale, für den Schweinswal- und Delfinfang, für Delfin-Management, Schweinswal-Rehabilitation und Veterinärmedizin. Die Fachleute kommen aus Mexiko, Kanada, den USA, Dänemark und den Niederlanden.

Kurz nach dem Start des Projekts vor vier Wochen gelang es ihnen, einen Vaquita einzufangen. Weil es sich aber um ein Jungtier handelte, wurde es wieder freigelassen, um es nicht von seinen Artgenossen zu isolieren. Laut Lorenzo von Fersen, dem Kurator für Forschung und Artenschutz im Tiergarten und Vorsitzenden von Yaqu Pacha, konnte immerhin gezeigt werden, dass der Ablauf von Fang, Transport, Überführung in die Wasserbassins, medizinischer Kontrolle und Freilassung reibungslos funktioniere.

Die Aktion musste zwischenzeitlich kurzfristig wegen schlechter Wetterbedingungen für ein paar Tage unterbrochen werden, man konnte sie dann aber fortsetzen.

Da ereignete sich ein trauriger Zwischenfall: Ein Vaquita starb beim Einfangen. Das WDSF macht daraus folgende Schlagzeile und verschickt sie als "Pressemitteilung" an die Medien: "Bedrohter Vaquita-Schweinswal bei Gefangennahme verstorben".

Hinter dem im Jahr 2007 gegründeten WDSF verbirgt sich hauptsächlich eine Person: Jürgen Ortmüller. Beruflich ist er als Steuerberater tätig, er besitzt keinerlei zoologische oder biologische Ausbildung. Er ist alleiniger Gründer, Gesellschafter und Geschäftsführer des WDSF. Dieses ließ er 2008 als "Körperschaft des privaten Rechts mit Sitz in Hagen/Westfalen" registrieren. Es handelt sich dabei nicht um eine Mitglieder-Organisation – angeblich, "um insbesondere die Verwaltungskosten niedrig zu halten", heißt es auf der WDSF-Homepage.

Vielleicht, um nicht als Ein-Mann-Organisation an die Medien heranzutreten, hat sich Ortmüller für seine Presse-Info "ProWal" ins Boot geholt (2009 aus der Privatinitiative "Walschutzaktionen" von Andreas Morlok hervorgegangen). Morlok hatte sich davor jahrelang für den Schutz von Delfinen und Walen sowie deren Lebensräumen eingesetzt.

"Tierschützer fordern Stopp der Aktion", steht über der Mail an die Medien. Das suggeriert, eine größere Zahl von Engagierten würde diese Forderung erheben. Doch die angeführten "Tierschützer" sind wohl im Prinzip diese zwei Personen: Ortmüller und Morlok. Die beiden "befürchten durch den Tod des Schweinswal-Weibchens einen möglichen Zusammenbruch der Fortpflanzung des verbleibenden geringen Bestands". Sie sprechen von "einer waghalsigen und offenbar schlecht vorbereiteten Aktion, die . . . sofort gestoppt werden müsse". Weder Ortmüller noch Morlok sind Fachleute, glauben aber, die Aktion beurteilen zu können, ohne dabei gewesen zu sein.

Ortmüller schreibt weiter: "Für uns sieht die Aktion mit Beteiligung des Tiergartens nach Greenwashing aus, um von den eigenen Problemen mit 17 verstorbenen Nachzuchten und Totgeburten abzulenken." Dabei leben im Tiergarten keine Vaquitas, sondern Große Tümmler (in den 1970ern auch Sotalia-Delfine).

Tierschutz-Kollege Morlok wird von Ortmüller so zitiert: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich die Delfinarien-Industrie bei solchen Projekten überhaupt beteiligen darf. Diese hat schließlich bei freilebenden Meeressäuger-Populationen schon genug Schaden durch Entnahmen für Delfinarien angerichtet." Eine "Delfinarien-Industrie" gibt es allerdings gar nicht in Deutschland. Und ein Schaden durch das Fangen von Tieren – wie es in der Anfangszeit von Delfinarien üblich war – ist auch nicht entstanden: Die genannten Delfinarten sind in der Natur nicht gefährdet.

Ursprünglich sollten bis Ende November so viele Vaquitas wie möglich eingefangen werden. Der Plan war, sie anschließend zu untersuchen, vorübergehend in "Sea Pens"(im Meer schwimmende Bassins) zu bringen und schließlich wieder in ihrem angestammten Verbreitungsgebiet auszuwildern. Vorausgesetzt, bis dahin ist die illegale Fischerei dort beendet, und die im Meer treibenden "Geisternetze" können geborgen werden.

Lorenzo von Fersen sieht durchaus Probleme bei der Aktion, geht aber offen damit um: "Wir haben nur zwei Optionen: Entweder die Aktion gelingt, oder eine weitere Tierart verschwindet von unserem Planeten."

Diskutieren Sie mit über die Aktion im NZ-Blog "Achtung, Wolf" unter nz.de/wolf im Internet.

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