Wohnungsnot in Nürnberg trifft vor allem Paare mit Kindern

17.7.2019, 05:54 Uhr
Viele Familien finden in Nürnberg keinen Wohnraum mehr, weil Hausbesitzer nur an Singles oder Paare vermieten wollen.

© dpa Viele Familien finden in Nürnberg keinen Wohnraum mehr, weil Hausbesitzer nur an Singles oder Paare vermieten wollen.

Simone Fischer (Name geändert) ist noch immer fassungslos. Für eine befreundete Familie, die eine Mietwohnung sucht, hat sie Inserate im Internet studiert — und ist über eine sehr eigenwillige Annonce gestolpert. Eine bezahlbare Vier-Zimmer-Wohnung mit knapp 100 Quadratmetern — im Grundriss sind ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und zwei Kinderzimmer eingezeichnet — hatte es ihr angetan. "Das ist ein Sechser im Lotto." Umso größer war der Schock beim Weiterlesen. Denn es hieß ausdrücklich: "Wir suchen eine Einzelperson beziehungsweise ein Paar. Keine WGs und Familien."

Dieser Zusatz ärgert die zweifache Mutter maßlos: "Viele Familien finden auf diese Weise keinen Wohnraum mehr, wir fühlen uns auch in eine beinahe schon soziale Randgruppe gesteckt, als wären unsere Kinder dreckige, laute Haustiere."

Mieterbund verärgert

Auch sie selbst kennt die nervige Suche nach einem Heim. Der vierköpfigen Familie war es irgendwann in der kleinen Wohnung zu eng geworden — durch einen Glücksfall wurde die Nachbarwohnung nebenan frei und flugs angemietet. Man baute eine Tür im Hausflur an, um die zwei getrennten Appartements miteinander zu verbinden. Simone Fischer sagt: "Wir sind Akademiker, arbeiten und verdienen viel — und tun uns doch so schwer bei der Suche."

Diese Internet-Annonce verärgert auch Gunther Geiler vom Mieterbund Nürnberg. "Ich hoffe, dass dies ein Einzelfall ist. Es ist schier verantwortungslos, dass Wohnraum auf diese Weise verschwendet wird." Der Geschäftsführer sagt: "Die Situation für Familien ist furchtbar schlecht, diese Gruppe hat es besonders schwer." Dies sagt auch Dieter Maly, der Leiter des städtischen Sozialamts und Bruder von Oberbürgermeister Ulrich Maly. "Der Markt ist sehr eng."


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Sein Amt vermittelt an Menschen, die eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreiten, öffentlich geförderte Wohnungen. Die Belegung nach Größe und Zimmerzahl ist klar geregelt — eine 100 Quadratmeter große Wohnung würde man nie an ein Paar oder an eine Einzelperson vermitteln. In ihrer Verzweiflung wenden sich Betroffene persönlich an die Verwaltung: "Es landen viele Briefe, die zu Tränen rühren, bei uns oder beim Oberbürgermeister."

Ernüchternde Zahlen präsentiert Dieter Frank von der Abteilung Wohnen im Sozialamt. 2018 gab es 2600 öffentlich geförderte Vier-Zimmer-Wohnungen sowie 169 geförderte Fünf-Zimmer-Wohnungen: Im vergangenen Jahr wurden lediglich 95 Wohnungen dieser Größenordnung frei, die binnen kürzester Zeit vermittelt wurden. Kein Wunder, stehen doch knapp 2570 Familien auf der Warteliste. Im Bestand sind zudem 753 Ein-Zimmer-Appartements, 6180 Zwei-Zimmer-Wohnungen und 8494 Drei-Zimmer-Wohnungen.

Immer weniger geförderte Wohnungen

Auch Britta Walther vom Stab Wohnen im städtischen Wirtschaftsreferat verweist auf die schwierige Situation im geförderten Wohnungsbau. Ein Grund dafür ist das schwindende Angebot: "Die Zahl der geförderten und damit bezahlbaren Wohnungen geht seit den 80-er Jahren zurück: von 65.000 Wohnungen im Jahr 1980 auf 18.196 Stück im Jahr 2018."

Die zweifache Mutter Simone Fischer indes ist einfach nur froh, dass ihre Familie zwei nebeneinanderliegende Wohnungen mieten konnte. Wenn sie anderen von den Schwierigkeiten erzählt, als Familie eine passende Bleibe zu finden, dann hört sie immer wieder die Antwort: "Dann zieht doch raus aufs Land!" Doch dies sei keine Option gewesen: "Wir haben hier unsere Kita-Plätze und unser Umfeld — wir wollen in der Stadt bleiben."

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