Zecken-Roulette beginnt: Experten für Impfung - trotz Corona

20.4.2020, 05:38 Uhr
Zecken-Roulette beginnt: Experten für Impfung - trotz Corona

© Foto: Pfizer/zecken.de

Auch wenn es seit Wochen nur noch einen Erreger im öffentlichen Bewusstsein zu geben scheint, so lauert weiterhin ein gefährliches Virus in der freien Natur und im heimischen Garten. Die Wahrscheinlichkeit, sich durch einen Zeckenstich mit der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu infizieren, ist zwar gering. Doch wer daran erkrankt, durchleidet zuweilen ein gesundheitliches Martyrium. Dabei gibt es eine Schutzimpfung, aber die Quoten stagnieren seit Jahren.


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Schuld mögen die geringen Fallzahlen sein, dass FSME viele unberührt lässt. Gerade einmal 444 Fälle verzeichnete das Robert Koch-Institut (RKI) für das vergangene Jahr in Deutschland. Im Vorjahr waren es noch 584 FSME-Erkrankungen gewesen. "Diese Unterschiede sind nichts Außergewöhnliches", sagt Professor Frank Erbguth, Chefarzt der Neurologie am Klinikum Nürnberg. Insgesamt betrachtet seien die Zahlen relativ stabil. Doch die sind eben nur auf den ersten Blick trügerisch harmlos. "Das Ganze gleicht einem Russisch-Roulette-Spiel. Das Risiko, zu erkranken, ist gering, aber es liegt eben nicht bei Null", wie es Professor Erbguth formuliert.

Zecken-Roulette beginnt: Experten für Impfung - trotz Corona

© Foto: Klinikum Nürnberg

Dabei können die Folgen einer FSME-Infektion dramatisch sein: Manche Patienten erkranken an einer Hirnhautentzündung, wobei sich gelegentlich zusätzlich das Rückenmark entzündet. Ist das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen, so führt das oft zu Behinderungen und Schäden, unter denen die Betroffenen Zeit ihres Lebens zu leiden haben.


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So verliefen allein im vergangenen Jahr von 24 Fällen in Nürnberg drei "sehr schwer", wie Professor Erbguth berichtet. Das wiegt umso schwerer, da eine FSME nicht heilbar ist. Mediziner können allenfalls die Symptome bekämpfen. Der einzige wirksame Schutz: die Impfung. Anders sieht es bei Borreliose aus, mit der man sich ebenfalls durch einen Zeckenstich infizieren kann. Diese ist – sofern frühzeitig erkannt – medikamentös zu bekämpfen, eine Impfung dagegen gibt es nicht.

Niedrige Quote in Nürnberg

Da Nürnberg zu den aktuell bundesweit 164 FSME-Risikogebieten zählt, raten Experten auch hier zur Impfung. Doch die bundesweite Quote liegt bei Schülern gerade einmal bei 30 Prozent und nimmt danach drastisch ab. Ältere Menschen sind zu 60 bis 80 Prozent nicht geimpft – und das, obwohl das Risiko, zu erkranken, bereits ab 40 Jahren deutlich zunimmt. "Die Nähe zur Krankheit ist nicht gegeben. Sie begegnet den Menschen einfach nicht", versucht sich Erbguth die niedrigen Impfzahlen zu erklären.

Und die Impfung wird auch in Zeiten von Corona empfohlen. Denn durch die SARS-CoV-2-Pandemie ist das Gesundheitssystem stark belastet. Daher pocht das RKI darauf, einen guten allgemeinen Gesundheitszustand in der Bevölkerung zu erhalten, um eben das Gesundheitssystem zu entlasten. Und dazu könne ein umfassender Impfschutz gemäß den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beitragen.

Bei Corona-Verdacht mit Impfung warten

So verweist auch das Nürnberger Gesundheitsamt auf die STIKO. Gerade Kinder sollten ihre Impfungen weiter bekommen, dies sei in den Praxen möglich. "Derzeit wird in den Praxen durch Hygienemaßnahmen und Abstandsreglungen sehr darauf geachtet, dass die Patienten in der Praxis geschützt werden", sagt Dr. Alice Schaffer, Leiterin der Abteilung Infektionsschutz am Gesundheitsamt. Auch deshalb sollten die Begleitpersonen der Kinder keine respiratorischen Symptome wie zum Beispiel Husten haben.

In der Vergangenheit habe es jedoch Engpässe bei verschiedenen Impfstoffen gegeben. Deshalb solle man zuerst abklären, ob der Impfstoff verfügbar ist, so Schaffer. Grundsätzlich rät sie zur Vorsicht: "Wenn jemand respiratorische Symptome aufweist oder enge Kontaktperson zu einem bestätigten Corona Fall ist, würde ich mit der Impfung noch warten."

Im Gesundheitsamt selbst kann man sich nicht gegen FSME impfen lassen. Dort wurde in diesem Jahr noch kein Fall für Nürnberg registriert. Doch das will nichts heißen. Die warmen Tage kommen noch. Dank des milden Klimas haben Zecken heute ohnehin kaum noch Winterpause.

Welche Auswirkungen die Corona-Krise und die damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen auf die Gefahr von Zeckenbissen haben wird, kann niemand mit Sicherheit sagen. Beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Oberschleißheim hält man eine Übertragung des Coronavirus durch einen Zeckenstich für unwahrscheinlich. Es könnte ein gutes Jahr für Zecken werden, wenn so viele Menschen wie nie nach draußen gehen würden, weil ihnen sonst daheim die Decke den Kopf fällt, heißt es.

Der Neurologe Frank Erbguth hält sich unterdessen mit Spekulationen zurück und verweist darauf, dass eine Impfung der beste Schutz gegen eine FSME-Infektion sei – und dabei unproblematisch.

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