Zeitreise: Als der Weg von Nürnberg nach Berlin 30 Stunden dauerte

31.5.2020, 13:44 Uhr
Zeitreise: Als der Weg von Nürnberg nach Berlin 30 Stunden dauerte

© Foto: Harald Baumer

Flüge gab es mangels Rentabilität schon seit den Zeiten vor Corona nicht mehr, die Fernbusse machten virusbedingt Pause, die Zahl der Züge war reduziert und auf der Autobahn war man zeitweise fast alleine. Außer Markus Söder, der gelegentlich zu seinen Besprechungen mit der Kanzlerin in die Hauptstadt reiste, hatten sonst nur wenige Menschen einen Anlass dazu.

Mit den Lockerungen kehrt auch hier langsam die Normalität ein. Geschäfts- und Privatreisen nehmen deutlich zu. Es ist nun wieder mehrfach am Tag möglich, mit dem ICE-Sprinter in sagenhaften zwei Stunden und 51 Minuten von einer Stadt in die andere zu gelangen. Auto (rund vier Stunden) und Fernbus (knapp sechs Stunden) können da nicht ganz mithalten.

Diese kurzen Fahrtzeiten, selbst die sechs Stunden mit dem Bus, kann man gar nicht oft genug erwähnen, denn unsere Vorfahren hätten uns angesichts solch einer rasend schnellen Verbindung für verrückt erklärt. Manchmal lohnt sich ein Blick zurück. Der zeigt nämlich, dass die Fahrt von Berlin nach Bayern in früheren Zeiten fast eine halbe Weltreise war.

Flug nach Neuseeland ist schneller

Im Jahr 1854 listete das "Eisenbahn Abc" auf, wie lange man von Berlin nach München benötigt. Wer in der Hauptstadt des Königreichs Preußen um sieben Uhr morgens startete, der kam dem Fahrplan zufolge am nächsten Tag um 17.30 Uhr in München (und wenige Stunden vorher in Nürnberg) an. Das bedeutete: Reisende waren gut 30 Stunden unterwegs. In wesentlich kürzerer Zeit (24 Stunden) gelangt man heute mit dem Flugzeug von Deutschland nach Neuseeland.

In den folgenden Jahrzehnten fiel dank des technischen Fortschritts ein Geschwindigkeitsrekord nach dem anderen: 1873 brauchte die Bahn von Berlin nach Nürnberg weniger als 20 Stunden (mit Zwischenhalt in Leipzig), schon 1880 waren es nur noch 16 Stunden und ein halbes Jahrhundert später lediglich die Hälfte.

Wiedervereinigung, weniger Fahrzeit

Diese acht Stunden waren dann über etliche Jahrzehnte hinweg der Standard für eine Zugfahrt zwischen den beiden Städten. Ein Tagesausflug – zum Beispiel für einen Ausstellungsbesuch oder einen Geschäftstermin – war deswegen eine ziemlich stressige Angelegenheit. Das änderte sich erst nach der deutschen Wiedervereinigung, als die Fahrzeit zwischen Nürnberg und Berlin nur noch fünf Stunden betrug.

Die derzeit geltenden 2.51 Stunden (Sprinter) und 3.15 Stunden (normaler ICE) dürften wohl für einige Zeit nicht mehr spürbar unterboten werden können. Aber das ist vielleicht auch gar nicht nötig, denn es gibt bereits erste Beschwerden von Zugreisenden, dass sie auf der Strecke gar nicht mehr richtig zum Ausruhen oder Arbeiten kommen, weil sie dann schon wieder am Ziel angelangt sind.

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