Zukunft der Zeppelintribüne: Kunstraum, Infopavillon oder Museum?

12.11.2020, 06:00 Uhr
Wie Nürnberg mit der Steintribüne und dem angrenzenden Areal umgehen soll, wird aktuell wieder diskutiert.

© Daniel Karmann, dpa Wie Nürnberg mit der Steintribüne und dem angrenzenden Areal umgehen soll, wird aktuell wieder diskutiert.

Es ist Fahrt in die Diskussion über die Zukunft der Zeppelintribüne gekommen, auch durch die Aktion des Regenbogenpräludiums: Mit breiten Farbstreifen, angebracht in einer Nacht-und-Nebelaktion oberhalb der “Führerkanzel”, wollte die Gruppe ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus setzen.

Kurz zuvor gab es den Vorschlag des renommierten Architekturbüros Glöckner³: Es platziert einen großen, gläsernen Kubus mitten auf der Zeppelintribüne, im Inneren soll nach den Vorstellungen Raum für Künstler entstehen. Es ist eine radikalere Herangehensweise an das Areal als in den letzten Jahren diskutiert.

Glöckner³ Architekten haben einen Vorschlag für den Umgang der Tribüne: Sie wollen sie mit einem Glaskubus überbauen.

Glöckner³ Architekten haben einen Vorschlag für den Umgang der Tribüne: Sie wollen sie mit einem Glaskubus überbauen. © Foto: Glöckner³ Architekten GmbH

“Ich finde im Prinzip den Gedanken Glöckners richtig, dass man sich auch an diesem Ort ein bisschen zeigen sollte”, sagt Alexander Schmidt, Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände. Lediglich Infotafeln aufzustellen, das sei auch ihm zu wenig. Ganz glücklich ist er mit dem Entwurf aber doch nicht: Er überwölbe den Mittelteil und mache ihn dadurch ein wenig unkenntlich. Außerdem sei das Areal nicht mehr im Zusammenhang zu erkennen. Denn schließlich verstehe man nur, wenn man das Gesamtareal betrachte, was hier von den Nazis gefeiert worden sei: Volksgemeinschaften. Menschen, die unten stehen, Adolf Hitler vorne - und viele andere, die ausgegrenzt worden seien.


Bekommt die Zeppelintribüne eine gläserne Hülle?


Fotos fürs Internet

Ob im Moment allerdings viele Menschen das Areal in diesem Gesamtkontext wahrnehmen, ist fraglich: Sie fotografieren sich für digitale Fotoplattformen vor der besonderen Kulisse, treffen sich mit Freunden zum Picknick. Den historischen Kontext haben viele dabei nicht im Kopf. Wobei Alexander Schmidt das nicht verurteilen möchte: “Ich kenne keinen Ort mit so viel belastender Geschichte, der so lebendig genutzt wird”, sagt der Historiker. Und das sei auch in Ordnung, denn: “Dieser Ort hat keine Würde, die geschützt werden muss”, er sei ein Täterort - im Gegensatz zu Gedenkstätten.

Auch Leser dieser Zeitung machen sich Gedanken über die weitere Nutzung des Areals: Es sei ein “Ort der Trauer, der Verzweiflung und der Tränen. Das ist kein Ort für Erbauung und Kunst”, schreibt etwa Wilhelm Westermeyer als Reaktion auf den Vorschlag des Architekturbüro Glöckner³. Man solle daher hier ein Museum gegen Krieg und Massenmord einrichten.

Rudolf Sauernheimer hat andere Vorstellungen: “Die Kongresshalle soll in meiner Vision geteilt werden, um ihr die Monstrosität, die sie jetzt ausstrahlt, zu nehmen. Gleichzeitig soll sie, ähnlich dem Olympiastadion in München, ein transparentes Dach erhalten, nicht wie in München mit rechteckiger Verglasung, sondern in organischen Formen. Das entstehende riesige Gewächshaus könnte das Zentrum des angedachten Künstler- und Kulturhauses werden”, schreibt er.


Illegales Statement: Künstler bemalen Steintribüne mit Regenbogenfarben


“Gleichzeitig ist es der Mittelpunkt des botanischen Gartens Nürnberg, der auf dem Gelände um die Halle entstehen kann. Vom Dutzendteich aus soll ein Bach durch die entstehende Schneise zum Volksfestplatz fließen, als verbindendes und belebendes Element. Eine Brücke führt vom Volksfestplatz zum Haupteingang über das Gewässer.”

Komplette Umgestaltung

Ebenfalls radikale Änderungen wünscht sich Hans Peter Haas: “Das große Areal der Tribüne und des Aufmarschgeländes sollte komplett umgenutzt und umgestaltet werden zu einer Erlebnisfläche für all das, was die Naziideologie zum Feindbild erklärt hatte”. Etwa mit Platz zur Völkerbegegnung, für Kunst und Kultur, ein Friedensforschungsinstitut und einen Erlebnisraum für Inklusion.

Die Pläne, die die Stadt Nürnberg aktuell für das Gelände verfolgt, sind weniger hochfliegend, Architekt Glöckner bezeichnete sie diplomatisch als “fränkisch-bescheiden”. Laut ihnen soll im Golden Saal und seinen Nebenräumen eine neue Ausstellung angeboten werden und auch andere - bisher nicht zugängliche Bereiche, wie weite Teile des bisher abgesperrten Zeppelinfeldes - sollen geöffnet werden. Zentrale Anlaufstelle soll ein neu errichteter Informationspavillon sein.

Ort besetzt halten

Ein musealer Ort soll das Areal aber dadurch nicht werden, sagt Alexander Schmidt, der an den Überlegungen beteiligt war. Denn: Dass dieser Ort von der Stadtgesellschaft so genutzt werde, sei schon einmalig. Man müssen diesen Ort besetzt halten, damit alte und neue Nazis das nicht tun könnten. Auch daher sei es gut, wenn sich viele Menschen an dem Ort aufhielten. Und Schmidt betont auch: Selbst wenn das aktuell von der Stadt geplante Konzept umgesetzt werden, könne es natürlich (Weiter-)Entwicklungen geben. Schließlich schreibe jede Generation schreibt ihre Erinnerungskultur neu und gegebenenfalls auch um.

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