Zweite Corona-Saison in der Kirche: Wie feiert man Feste ohne Feierstimmung?

30.4.2021, 11:45 Uhr
"Dann doch noch ganz schön und festlich": Konfirmandinnen in der Johanneskirche in Nürnberg-Eibach in einem von acht Mini-Konfirmationsgottesdiensten beim Gruppenfoto.  

© Michael Matejka "Dann doch noch ganz schön und festlich": Konfirmandinnen in der Johanneskirche in Nürnberg-Eibach in einem von acht Mini-Konfirmationsgottesdiensten beim Gruppenfoto.  

Ganz schön wurde es dann doch noch. An einem späten Freitagnachmittag feierte der neunjährige Ben (Name geändert) seine Erstkommunion in der Frauenkirche mit zwei anderen Jungen. Spätnachmittag? Nur drei Kinder mit eineinhalb Metern Abstand in der Bank? Nicht nur das war ungewöhnlich, erzählt seine Mutter.

Nur das Erstkommunionkind trägt gerade keinen Mund-Nasen-Schutz, der für den Empfang der Hostie hinderlich wäre – Szene aus St. Johannes in Neumarkt.  

Nur das Erstkommunionkind trägt gerade keinen Mund-Nasen-Schutz, der für den Empfang der Hostie hinderlich wäre – Szene aus St. Johannes in Neumarkt.   © S. Mandel/Eduard Weigert

Kein feierlicher Einzug in die Kirche, kein Mitsingen. Nach dem Gottesdienst ging’s nach Hause, mit Essen aus dem Lieblingslokal. Die Kontaktbeschränkungen hätten ein anschließendes Beisammensein mit Großeltern und Taufpaten – die in der Kirche noch dabei sein durften, maximal zehn Angehörige pro Kind – verhindert. "Wir haben uns getestet und versetzt in kleinen Schichten gefeiert."

So wie diesen Nürnbergern geht es vielen Familien. Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie wackeln immer noch alle Feste, von der Taufe und Hochzeit bis zum runden Geburtstag. Kleingruppe, Kernfamilie – Begriffe, die sich nicht mit Feiern vertragen. Den Kirchen bereitet die Organisation erst recht Kopfzerbrechen: Wie feiert man die Aufnahme eines Heranwachsenden in eine Gemeinde, die sich gar nicht treffen darf?

In allen Gottesdiensten gilt seit Monaten Maskenpflicht und Gesangsverbot für die Gemeinde.

In allen Gottesdiensten gilt seit Monaten Maskenpflicht und Gesangsverbot für die Gemeinde. © Michael Matejka

Flexible Einzeltermine

Die einen improvisieren, die anderen vertagen es. Auch Bens Familie dachte über die Verschiebung nach. Andere Kommunion-Anwärter in der Gemeinde sprangen wieder ab, manche schon zum zweiten Mal; 2022 werden aus den Dritt- dann Fünftklässler geworden sein. Bens Mutter aber kam zum Schluss: "Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Ich sehe das mit gemischten Gefühlen." Es sei irgendwie sogar schön, wenn man sich aufs Wesentliche konzentriere.


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"Niemand wird verpflichtet, jetzt sein Kind zur Kommunion zu schicken. Jedem steht es frei, es zurückzustellen", sagt Elke Pilkenroth, die Sprecherin der Katholischen Stadtkirche. Im Frühjahr 2020, zu Beginn der Pandemie, hatten die katholischen Pfarreien Erstkommunionen und Firmungen abgesagt und wenige davon im Herbst nachgeholt. Jetzt, im zweiten Frühling und gewöhnt an Kompaktgottesdienste mit Infektionsschutz, bieten sie Termine recht flexibel an: ein Wochenende lang dreimal täglich zum Beispiel. Oder auch einzeln in Sonntagsgottesdiensten bis zum Sommer.


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Allen gefällt das freilich nicht. Sei es, weil sie das Fest ohne Feier für ein Trauerspiel halten. Sei es, weil sie schon bei den kleinen Zusammenkünften Bedenken haben. "Ja, es gibt sehr skeptische Familien", sagt Pilkenroth. "Aber wir müssen auch all denen etwas anbieten, die Freude daran haben und nicht mehr warten wollen." Bis heute sei es in keinem katholischen oder lutherischen Präsenzgottesdienst zu Corona-Übertragungen gekommen. Niemand wisse, ob sich die Lage im Sommer wirklich entspanne. "Und die Familienfeier im Restaurant ist es ja nicht, weshalb wir das Sakrament feiern."

Digitaler Konfi-Unterricht

Auch die evangelischen Gemeinden der Stadt passen sich der Corona-Zeitrechnung an. Sie verschieben die Konfirmation entweder noch einmal auf den Sommer oder bilden viele kleine Gruppen. Meist müssen sie auch noch den Jahrgang von 2020 mit eintakten. Manche übertragen die Feiern digital, damit mehr Angehörige zuschauen können, berichtet Pfarrerin Stefanie Reuther, Sprecherin des Dekanats. Der Konfirmandenunterricht laufe meist auf digitalen Plattformen.


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Die Stimmungslage sei geteilt, sagt Reuther. "Einige berichten, dass die Jugendlichen es mit Fassung tragen und fast besser als die Erwachsenen mit der Situation umgehen können. Andere beobachten, dass die Jugendlichen schlechter erreichbar sind, oder dass sie von Krisenstimmung und schwierigen Situationen zu Hause erzählen." Ausflüge sind passé, Zeltlagerpläne liegen auf Eis. Begegnung und Gemeinschaftsgefühl – das fehle überall.

"So provoziert man Feiern"

Das kann Benjamin Schimmel nur bestätigen. "Es sind gerade keine einfachen Wochen." Der Pfarrer der Eibacher Johanneskirche hat einen vollen Terminplan: 37 Jugendliche aus dem Vorjahr konfirmierte er mit seiner Kollegin gerade in acht Gottesdiensten. Im Juli sollen die 34 diesjährigen Konfirmanden folgen. "Das Verschieben letztes Jahr hat uns nichts gebracht", sagt er im Rückblick. Nur drei Familien seien zurückgetreten. Er könne sowohl sie als auch die anderen verstehen, die nun trotz allem feiern.

Kritik an ihren Lösungen müssen sich Pfarrer trotzdem gefallen lassen. So wendet sich unser Leser Bernd Medick an unsere Zeitung, unzufrieden mit der Vorbereitung seiner Tochter an der Johanneskirche. In der Konfirmationsgruppe sei außer freiwilligen Online-Spielerunden seit einem Jahr pädagogisch nichts mehr passiert. Die Konfirmation, die der Familie "als einmaliges und sehr wichtiges Ereignis" am Herzen liege, habe nun wohl um jeden Preis abgewickelt werden sollen – trotz der anhaltend hohen Infektionszahlen. Medick kritisiert die Terminierung als leichtfertig. "So provoziert man doch garantiert Privatfeiern, weil die Großeltern und Paten trotzdem zum Kaffee kommen."


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"Die Bedürfnisse sind da sehr unterschiedlich, aber es ist wohl manches auf der Strecke geblieben", räumt Benjamin Schimmel ein, was die Jugendarbeit mit dem letztjährigen Jahrgang betrifft. Er habe der Familie die Vertagung auf eine Einzelkonfirmation angeboten. "Aber das geht halt nur mit großer Flexibilität im Einzelfall. Wir müssen ja Lösungen für 40 Familien finden."

Erschwerte Vorbereitung

Seine 14-jährige Tochter, die sich dann doch für die Kleingruppe am vergangenen Sonntag entschied, habe zuletzt öfter gefragt, was der Sinn der Konfirmation sei, sagt Bernd Medick. In Zeiten sich verlierender religiöser Grundbildung gelingt es den Gemeinden unterschiedlich gut, jetzt noch Glaubensinhalte zu vermitteln.

Bei Erstkommunionkind Ben versuchte sich seine Mutter notgedrungen selbst daran. "Man wünscht sich das anders, aber ich mache niemandem einen Vorwurf", sagt sie. Die Religionslehrerin der Grundschule fiel wegen Krankheit lange aus. Blieben nur vier "Weg-Gottesdienste" in der Kirche; mit diesem Format bereitet das Erzbistum Bamberg seine Kommunionkinder vor – durch Corona war es zusammengeschrumpft.


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"Es ist sechsmal so aufwändig wie sonst." Pastoralreferent Ralph Saffer erzählt, wie er sich bei der Kommunionvorbereitung ins Zeug legt – aus einem Grund: Je länger die Pandemie-Pause, desto größer die Sorge der Kirchen, dass zarte Bande zu Gemeindemitgliedern für immer abreißen könnten. Wer sich jetzt entwöhnt, kommt vielleicht nie mehr. "Die Weg-Gottesdienste sind, wie unsere anderen Familienangebote auch, eine große Chance, mit Leuten in Kontakt zu kommen, die du sonst nicht triffst", sagt Saffer. Die Kinder hätten oft seit der Taufe keine Berührung mehr mit der Kirche gehabt.

Kleiderkauf mit Hürden

Der katholische Theologe begleitet im Stadtnorden insgesamt 42 Erstkommunionkinder aus zwei Jahrgängen in St. Clemens, St. Thomas und St. Hedwig. Sie werden ihren großen Tag gestaffelt an vielen Einzelterminen bis Juli haben, teils im Freien. Ohnehin sei seine Gemeinde auch früher schon vom traditionellen Weißen Sonntag abgewichen.

"Wir gehen auf viele Elternwünsche ein. Die häufigste Rückmeldung ist, dass sie froh über die Präsenzgottesdienste sind." Brotbacken, Kerzenbasteln, Weihwasser und Glocken entdecken – das muss Saffer nun coronakonform in Einzel- oder Zweieraufgaben umorganisieren. Für die drei Familien, die ihre Kinder lieber zu Hause lassen, bietet er Videokonferenzen an und verschickt Hefte.

Immerhin bei einer Frage scheint Entspanntheit zu regieren: der Garderobe. Angesichts geschlossener Läden gehen viele Familien den Festtag offenbar pragmatisch an. "Da tut es auch eine dunkle Jeans oder ein dunkles Kleid, das man ein zweites Mal anziehen kann", sagt Pfarrer Schimmel. Die Kommunion-Mädchen kämen schon länger nicht mehr alle im weißen Kleid, sagt Saffer. "Durch verschiedene Kulturen wandelt sich das. Wir sagen: Festliche Kleidung genügt." Beim Kommunionkind Ben half die Tante in München aus: "Sie hat uns gerettet und uns einen Leinenanzug geschickt, als bei ihnen noch Terminshopping möglich war", sagt seine Mama.

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