Nur Verlierer in einem großen Durcheinander

13.4.2021, 06:48 Uhr

Es ist, anders als manche gewütet haben, kein Skandal. Und es gab, anders als mancherorts zu lesen war, auch kein Chaos. Aber die Pleite um die Impf-Sonderaktion für über 60-Jährige im Landkreis Roth kennt nur Verlierer. Da hat sich wirklich niemand mit Ruhm bekleckert.
Verlierer 1: Das Landratsamt Roth mit Landrat Herbert Eckstein an der Spitze. Es mag eine ehrenwerte Idee gewesen sein, über 1000 Dosen des Anti-Corona-Vakzins von Astrazeneca, die vor Ort in den Kühlschränken lagern, möglichst schnell in die Oberarme der Menschen zu bringen. Aber wieder einmal hat sich gezeigt: Zu viele Köche verderben den Brei. Wenn die Ausführenden im Impfzentrum nicht wissen, welche neue Regeln angeblich gelten, dann nützt die beste Logistik nichts.
Verlierer 2: Vitolus. Im großen und ganzen ist der Betrieb im Rother Impfzentrum sehr geschmeidig. Es gibt viel Lob über freundliches Personal und einen weitgehend reibungslosen Ablauf. Wenn sich einer der dort verarzteten Senioren via Leserbrief beschwert, dass er 45 Minuten hat warten müssen, dass er erst auf Nachfrage dran kam und dass dann, anders als er erwartet hatte, nicht die junge Ärztin die Spritze setzte, sondern ein profaner Rettungsassistent, dann möchte man ihm zufrufen: "Ihre Probleme möchte ich gerne haben."
In den dezentralen Außenstellen von Vitolus in den 14 Gemeinden gab und gibt es viel Anerkennung und Dankbarkeit von den Senioren. Da hat die Zusammenarbeit von Landratsamt, Gemeinden und Betreiber sehr gut geklappt. Und wahrscheinlich dafür gesorgt, dass sich wesentlich mehr besonders schützenswerte Menschen haben impfen lassen, als wenn sie von Thalmässing oder Rohr oder Spalt bis nach Roth hätten fahren müssen.
Aber: Es macht schon stutzig, wenn sich binnen weniger Wochen ein Impfrückstand von mehr als 1000 Impfdosen aufbaut. Das Hin und Her um Astrazeneca ist ja kein regionales, sondern ein bundesweites Phänomen. Erst sollte der Impfstoff nicht an Senioren über 65 verabreicht werden, jetzt raten die Fachleute nach ganz seltenen Fällen von Hirnvenenthrombosen vom Spritzen von unter 60-Jährigen ab. Impftermine mit Lehrern, Erziehern, Feuerwehrleuten und Polizisten mussten wieder abgesagt werden. Und Vitolus hat es nicht geschafft, den Rückstand aufzuholen.
Verlierer 3: Ja, wir Medien. Informationen, auch von Behörden, sollten wir sorgfältig nachprüfen, vor allem, wenn sich Beschwerden von Lesern häufen. Das kostet Zeit, vor allem dann, wenn, wie im Falle des Landratsamtes, Corona-Anfragen möglichst nur schriftlich gestellt werden sollen. Und man bei Vitolus in erster Linie mittels Bandansagen kommuniziert, an dessen Ende man sich zum 725. Mal für eine Impfung registrieren lassen könnte.
Es zeigt sich, dass es ein Ritt auf der Rasierklinge ist, mit immer begrenzteren personellen Ressourcen immer mehr Kanäle (Online, Print, Facebook) gleichzeitig zu bedienen, und das möglichst in Echtzeit. Es muss also wieder gelten, gerade für uns Lokal- und Regionalzeitungen: Sorgfalt vor Schnelligkeit.
Verlierer 4: Die Generation 60+. Eines vorneweg: Niemand wird hier über einen Kamm geschoren. Es gab durchaus Anrufer bei der Zeitung, beim Landratsamt und bei Vitolus, die zwar enttäuscht waren, dass das, was versprochen war, nicht gehalten wurde und nicht funktioniert hat. Die aber jetzt auch kein Welt-Drama daraus gemacht haben. Aber es fiel schon auf, mit welcher Vehemenz vergleichsweise viele Impfwillige ihr vermeintliches Recht auf eine möglichst sofortige Corona-Schutzimpfung einforderten. Das waren nicht selten diejenigen, die der jungen Generation, die noch monatelang auf die Immunisierung warten muss, ansonsten immer Egoismus vorwerfen. Doch in diesem Fall lässt sich manches Gebaren andersherum in drei Worte fassen: "Ich, ich, ich."
Nun, die Panne ist passiert. Das Landratsamt hat sich für das Durcheinander, das es angerichtet hat, entschuldigt, wenn auch ein wenig schwurbelig. Schwamm drüber. Alle Energie sollte jetzt darauf verwendet werden, den Impfrückstand aufzuholen. Das Vakzin ist ja noch da. Die ersten Weichen wurden jetzt richtig gestellt: Der Appell an über 60-Jährige, sich für eine Impfung zu registrieren, gilt weiterhin. Es wird nicht mehr lange dauern, vermutlich nur noch ganz wenige Wochen, bis die ersten, die die 70 noch nicht erreicht haben, ganz regulär an der Reihe sind. Längst bekommen die, die Mitte 70 sind, ihre erste Spritze.
Und für den Fall, dass Vitolus nicht hinterher kommt, braucht es praktikable Alternativen. Vielleicht sollte man das, was nicht schnell genug verimpft werden kann, an die Hausärzte weiterreichen. Die haben derzeit noch Kapazitäten.

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