Private Überwachung: Das dürfen Kameras (nicht) filmen

9.12.2020, 15:13 Uhr
Wer sein eigenes Haus überwachen will, sollte keine Kamera wählen, die schwenkbar ist.   

© Julian Stratenschulte, dpa Wer sein eigenes Haus überwachen will, sollte keine Kamera wählen, die schwenkbar ist.   

Überwachungskameras finden sich überall: an öffentlichen Plätzen, in Supermärkten und Parkhäusern – sogar im Wald zur Wildkontrolle. Aber blickt Nachbars Kamera direkt in meinen Garten, muss ich dies nicht hinnehmen . . .


Friedrich Weitner, Sprecher der Nürnberger Justiz.    

Friedrich Weitner, Sprecher der Nürnberger Justiz.    © Michael Matejka, NN

Friedrich Weitner: Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass private Videokameras öffentliche und fremde private Flächen nicht erfassen dürfen, (beispielsweise Az.: VI ZR 176/09). Die Beobachtung verletzt Betroffene in ihrem besonders geschützten, allgemeinen Persönlichkeitsrecht – konkret im sogenannten Recht am eigenen Bild und im Recht auf informationelle Selbstbestimmung.


Aber ich darf eine Kamera an mein Haus montieren, etwa um Einbrecher abzuschrecken?


Weitner: Prinzipiell ist es erlaubt, das eigene Haus und das eigene Grundstück zu überwachen. Doch, so schreibt es der Datenschutz vor, die Kamera darf nur den eigene Grund im Fokus haben. Wer eine Kamera installiert, sollte unbedingt darauf achten, dass diese nicht auf den Gehsteig, die Straße oder Nachbars Garten gerichtet ist. Und es muss klar kenntlich gemacht werden, wenn ein Grundstück videoüberwacht wird.


Das heißt, wer Haus und Hof im Blick haben will, sollte keine schwenkbare, sondern eine fest installierte Kamera wählen.


Weitner: Genau. Auf schwenkbare Kameras, die das Nachbargrundstück erfassen können, sollte man schon deshalb verzichten, weil jeder, der unrechtmäßig gefilmt wird, Unterlassung, Schadenersatz und unter Umständen, wird das Persönlichkeitsrecht verletzt, Schmerzensgeld verlangen kann.


Die Forderung nach Schmerzensgeld leuchtet ein, wenn ich mit Absicht den nackten Nachbarn beim Sonnenbaden filme. Doch greift es bereits in die Persönlichkeitsrechte des Nachbarn ein, wird die gemeinsame Grundstückszufahrt — etwa zweier Reihenhäuser — videoüberwacht?


Weitner: Das Amtsgericht Nürtingen (Az.: 10 C 1850/08) verfügte in einem solchen Fall, der Eigentümer eines Reihenhauses hatte einen gemeinschaftlichen Zufahrtsbereich überwacht, dass die Kamera beseitigt werden muss. Die permanente Bewegungsüberwachung wurde als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Eigentümer der anderen Häuser und deren Besucher gewertet. Der Tatbestand wäre nicht gegeben, hätte der Gefilmte eingewilligt. Daher als Tipp: Wer sein eigenes Grundstück und etwa einen Gartenweg zum Haus überwacht, kann Schilder aufstellen und auf die Überwachungskamera hinweisen – wer den Weg benutzt, erklärt dann in der Regel stillschweigend sein Einverständnis.


Und in Wohnanlagen? Muss jeder Eigentümer mit einer Kamera im Eingangsbereich auch einverstanden sein?

Weitner: Bei der Installation von Kameras auf einem Privatgrundstück muss sichergestellt sein, dass öffentliche Bereiche (etwa der Gehsteig) nicht erfasst werden. Und dies hat der BGH auf das Verhältnis von Wohnungseigentümern untereinander übertragen. Der Wohnungseigentümer darf sein Sondereigentum überwachen, wenn er öffentliche Flächen und solche der Gemeinschaft (etwa den Flur) nicht erfasst. So dürfen Eigentümer in das Klingeltableau ihrer Anlage eine Videoanlage einbauen, die kurze Bildübertragungen in die Wohnung liefert, um zu prüfen, wer vor der Tür steht (Az.: V ZR 265/10). Auch eine Videoanlage, um Teile des Gemeinschaftseigentums zu überwachen, kann in Einzelfällen zulässig sein, so der BGH (Az.: V ZR 220/12). In dem Fall war der frisch renovierte Eingangsbereich eines Gebäudes durch einen Farbanschlag verschmutzt worden. Die Gemeinschaft setzte daraufhin eine Zeitlang eine Videoüberwachungsanlage ein. Mit deren Hilfe wurde kurz darauf ein Fahrraddiebstahl geklärt. Eine Bewohnerin klagte, und wollte die Kamera entfernt wissen. Sie bekam letztlich Recht. Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft war zeitlich begrenzt. Die Anlage hätte wieder entfernt werden müssen, nachdem dieser Zweck erreicht war. Eine wichtige Frage ist immer, ob das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des Einzelnen überwiegt.


Eine Klingel mit Videoanlage gibt es aber nur, wenn sich eine Wohnungseigentümergemeinschaft einig ist . . .


Weitner: Um eine Videoüberwachungsanlage am Eingang anzubringen, müssen die Voraussetzungen des Wohnungseigentumsrechts eingehalten werden. Der Einbau muss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Einer baulichen Maßnahme müssen alle betroffenen Eigentümer zustimmen. Eine Videoanlage im Klingeltableau ist nur drin, wenn die Kamera erst auf das Klingeln hin aktiviert wird, die Bilder nur in die Wohnung übertragen werden und die Übertragung spätestens nach einer Minute unterbrochen wird, (BGH, Az.: V ZR 210/10).


Kameras, um Einbrecher abzuschrecken – wie steht es um deren Recht auf das eigene Bild? Könnten die Bilder als Beweis im Strafprozess verwendet werden?

Weitner: Es kann ein datenschutzrechtlicher Verstoß sein, wenn ein Einbrecher gefilmt wird und die Regeln des Datenschutzgesetzes nicht eingehalten werden. Trotzdem können die Bilder im Strafprozess als Beweismittel verwendet werden. Das Gericht muss abwägen und prüfen, ob das Interesse an der Strafverfolgung das Interesse des Angeklagten überwiegt (beispielsweise OLG Hamburg, Az.: 1 ReV 12/17).

Ein bestohlener Hausbesitzer könnte versuchen, ein Video von Einbrechern ins Internet zu stellen.


Weitner: Keine gute Idee. Das Filmmaterial sollte der Polizei übergeben werden, private Fahndungsaufrufe können sogar strafbar sein, etwa nach dem Kunsturheberrechtsgesetz. Nicht umsonst müssen sich Polizei und Staatsanwaltschaft an einen Richter wenden, wenn mit Bildern öffentlich gefahndet werden soll.

Keine Kommentare