Qualität statt Billigfleisch: Eichelschweine aus Franken

5.10.2019, 06:00 Uhr
Ein riesiger Eichenwald, eine große Wiese am Rand, ein Tümpels genüssliche Schlammsuhlen: Die Eichelschweine können sich so richtig wohl fühlen auf ihrem Gelände bei Iphofen. Geschlachtet werden sie nach zehn bis zwölf Monaten aber natürlich dennoch.

© Martin Müller Ein riesiger Eichenwald, eine große Wiese am Rand, ein Tümpels genüssliche Schlammsuhlen: Die Eichelschweine können sich so richtig wohl fühlen auf ihrem Gelände bei Iphofen. Geschlachtet werden sie nach zehn bis zwölf Monaten aber natürlich dennoch.

Immer die Schnauze nach unten und auf der Suche nach Eicheln, Kräutern, Würmern, Mäusen, Schnecken, Insekten oder Brombeerblättern streunen die Schweine durch den Wald beim Iphöfer Ortsteil Possenheim. Von August bis Weihnachten dürfen sie sich hier austoben und nach Herzenslust sattfressen. 

In dieser Zeit sind sie ununterbrochen draußen, nur ein kleiner Unterstand bietet ihnen Schutz vor fiesem Schneeregen, zwei aufeinanderfolgende Zäune vor den Wildschweinen der Umgebung und der drohenden Afrikanischen Schweinepest. 

Kurz vor Weihnachten ist dann, mit bis zu 170 Kilo auf den Rippen, Schluss. Zehn bis zwölf Monate sind die Tiere bei der Schlachtung alt, immerhin doppelt so alt wie ihre konventionell gemästeten Artgenossen.  Dann verkauft die Eichelschwein GmbH das Fleisch, aber auch luftgetrockneten Schinken und Brotzzeitspeck, Salami und Griebenschmalz. Vor allem im Internet, aber auch in einigen Metzgereien. 

Ein Kilo Fleisch kostet 6,95 Euro

Hans-Hinrich Huss wollte unbedingt ein Eichelschwein-Projekt durchziehen. Weil es im heimischen Oberbayern keine Eichenwälder gibt, fährt er nun alle ein bis zwei Wochen von Freising nach Unterfranken.

Hans-Hinrich Huss wollte unbedingt ein Eichelschwein-Projekt durchziehen. Weil es im heimischen Oberbayern keine Eichenwälder gibt, fährt er nun alle ein bis zwei Wochen von Freising nach Unterfranken. © Martin Müller

Und das hat durchaus seinen Preis. Während ein Kilo konventionelles Schweinefleisch für 1,90 Euro zu haben ist, kostet die Spezialität aus dem Eichenwald 6,95 Euro pro Kilo. "Als wir im Jahr 2002 angefangen haben, gab es noch keinen Markt für Qualitätsschweinefleisch. Mittlerweile gibt es genug Leute, die Interesse daran haben. Unter unseren Kunden sind sogar viele, die sonst vegetarisch leben, unser Fleisch aber gerne essen", erzählt Han-Hinrich Huss, Geschäftsführer der Eichelschwein GmbH. 

Unbedingt wollte er um die Jahrtausendwende ein Eichelschwein-Projekt starten. Schließlich landete er bei seiner bayernweiten Suche beim Iphöfer Stadtförster, der ihm 2003 zunächst drei Hektar Land für erste Pilotversuche mit 19 Schweinen und ab dem Herbst 2012 schließlich 50 Hektar Wald für rund 200 Schweine gab.

In Gruppen von fünf bis 20 Tieren ziehen die Tiere durch den Wald, wühlen im Boden, suhlen sich in Wasserlachen, grunzen, quietschen und schmatzen genüsslich. "Dem Wald schadet das nicht, sie fressen ja nicht die Bäume und Blätter, wie das Schafe und Ziegen tun würden", betont Huss.

Historischer Wald bleibt erhalten

Trotz der hungrigen Schweine würden noch genug Eicheln übrig bleiben, die durch die Tiere so in den Boden hineingewühlt werden, dass sie gute Wurzeln bilden können. Huss hat recht: Der Waldboden ist übersät mit kleinen Eichen, die darauf warten, in den nächsten Jahren in die Höhe schießen zu können.

Der Iphöfer Stadtförster wird das aber sicher nicht allen Bäumen gestatten. Schließlich geht es bei dem Projekt auch darum, den traditionellen Mittelwald zu erhalten. Das heißt: Alle zehn bis 20 Meter wachsen große Eichen mit mächtigen Kronen. Dazwischen gedeihen jede Menge Hainbuchen, die alle 20 bis 30 Jahre auf Stock gesetzt werden. Sie werden zur Brennholznutzung abgeholzt und treiben dann rasch neu aus.

Sauwohl fühlen sich die Schweine im Wald, wo sie nach Eicheln, aber auch nach Würmern oder Insekten suchen.

Sauwohl fühlen sich die Schweine im Wald, wo sie nach Eicheln, aber auch nach Würmern oder Insekten suchen. © Martin Müller

Huss und seine Mitgesellschafter sind die Einzigen in Deutschland, die Schweine auf so großer Fläche im Wald halten. Dabei war das viele jahrhundertelang die übliche Haltung. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich das, als die Schweine in Ställen gehalten und mit Kartoffeln gefüttert werden konnten, als die Nadelbäume zu- und damit die Futtervorräte im Wald abnahmen.


Soziologe fordert: Fleischesser sollen sich rechtfertigen


Die Possenheimer Schweine, eine Kreuzung aus Duroc und der Deutschen Landrasse, profitieren jedenfalls vom Wald. Im Wald dürfen sie viel Fett ansetzen, weil sie es dank der vielen Bewegung auch tragen können. "An den ersten Tagen sind die Schweine völlig geschafft vom Muskelkater, das Gelände ist groß. Dann laufen sie aber relativ bald zwei bis vier Kilometer am Tag durch den Wald", erzählt Huss.

Fett löst sich auf der Zunge auf

"Das Fett ist viel aromatischer als bei der konventionellen Haltung. Wenn man es fein aufschneidet und auf die Zunge legt, löst es sich einfach auf – ohne einen Fettfilm im Mund zu hinterlassen", schwärmt Huss. Das Fleisch ist kerniger und fester, aber nicht zäh, der Fettanteil ist sehr hoch. 
Manche Kunden wundern sich allerdings, dass nicht jeder Schinken gleich groß ist. "Aber das ist bei der natürlichen Haltung eben so. Da wächst nicht jedes Schwein genau gleich, und es schmeckt auch nicht jedes genau gleich", sagt Huss.

4 Kommentare