Aus Haiti: Fränkische Familie konnte Adoptivsohn nach Hause holen

2.10.2020, 05:55 Uhr
Aus Haiti: Fränkische Familie konnte Adoptivsohn nach Hause holen

© Foto: Milena Kühnlein

Auf der Autobahnfahrt nach Köln sah sich Tanja Walter immer wieder die Bilder ihres Richelsons an. Die Betreuer, die sich in der gecharterten Privatmaschine auf den Weg nach Haiti machten, um zehn Adoptivkinder auf dem Weg in ihr neues Leben zu begleiten, schickten den Eltern via Smartphone ständig Lageberichte.

Zusammen mit dem 10-jährigen Sohn Edynelson mieteten sie und ihr Mann Oliver sich am 19. Juni 2020 in ein Hotelzimmer am Köln Bonn Airport ein, um beim Eintreffen Richelsons sofort vor Ort zu sein. Die Maschine würde mitten in der Nacht, um 3.15 Uhr, landen.

"Bei der Ankunft im Hotel hat Edy noch geprahlt, man solle ihn bloß nicht nachts wecken, weil er so müde war", lacht Tanja. Letztendlich war er es, der als erster wach und völlig aufgedreht war, wegen der Vorfreude auf seinen kleinen Bruder.

Ein organisatorisches Mammutprojekt

Rückblick: Tanja und Oliver Walter haben Edynelson und Richelson aus Haiti adoptiert. Edy lebt schon seit 2013 in Wasserzell bei Spalt. Den jetzt fast fünfjährigen Richselson nachzuholen, war wegen der globalen Corona-Pandemie ein kompliziertes Unterfangen. Die Organisation "Help a child e.V." hat in Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden eine Fluggesellschaft gefunden, die privat nach Haiti geflogen ist, um adoptierte Kinder abzuholen.

Aus Haiti: Fränkische Familie konnte Adoptivsohn nach Hause holen

© Foto: Oliver Walter

Am 10. Mai 2020 kam der erste Flieger mit zehn von ihnen an. Für Richelson sollte es erst am 19. Juni soweit sein. Bis dahin musste er in einem Kinderheim warten abgeholt zu werden. Eine Zeit des Bangens begann für die Familie. Nicht nur wegen der Corona-Krise und der damit einhergehenden Reisebeschränkungen, sondern auch wegen innenpolitischen Unruhen im Karibikstaat. Es hätte immer noch etwas schiefgehen können – doch das ist es nicht.

Die ganze Situation wäre fast surreal gewesen, erzählt Tanja Walter. Mitten in der Nacht am Flughafen, umgeben von den anderen Familien, Reportern und Fernsehteams. Alle warteten mit Mund-Nase-Masken in der Sonderankunftshalle für Privatflieger auf die Ankunft. Irgendwann wurden sie nach draußen gerufen, die Lichter des Flugzeugs waren im Landeanflug am Nachthimmel zu sehen.

"Es hat für uns schier ewig gedauert, bis die Kinder dann rauskamen." Richelson war schließlich in der Gruppe vorne mit dabei und hat "von links nach rechts gegrinst", erzählt Tanja Walter heute.

Zwei Brüder vereint

Als er seinen Bruder Edy entdeckte, schnappte er sich einen Luftballon und machte gleich Späße mit ihm. Die zwei Kinder wuselten freudig umeinander, als sich die Eltern mit den Verantwortlichen noch um letzte Unterlagen kümmerten. Dann machte sich die Familie auf den Rückweg nach Wasserzell.


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Morgens angekommen in dem blauen Holzhaus am Ortsrand, machte Oliver Walter erst mal Pfannkuchen für alle. Das Stockbett für die Brüder war schon vorbereitet, Edy hat sich gewünscht, mit seinem Bruder zusammen in einem Zimmer zu schlafen.

Um die 100 000 Euro kostete das Prozedere mit dem Flug die betroffenen Familien. Dass all das funktioniert hat, ist der Hilfsbereitschaft der Menschen und auch der TSG 08 Roth, die Spenden gesammelt hat, zu verdanken. "Ich fand es berührend, wie viele Menschen geholfen haben", sagt Tanja Walter.

Von den Spenden und der allgemeinen Solidarität waren die Eltern damals "total geplättet."

Von den Spenden und der allgemeinen Solidarität waren die Eltern damals "total geplättet." © Foto: Stefanie Graff

Solidarität berührte und überraschte

Wegen des Zeitungsartikels in der Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung hätte sich ein pensionierter Lehrer, den die Walters bis dahin nicht kannten, mit einem Brief an sie gewandt und ihnen zugesprochen. Das war aber nicht die einzige Aufmerksamkeit einer fremden Person. "Ich wurde auch mal an der Supermarktkasse gefragt, ob denn Edys Bruder schon da wäre," erzählt Oliver Walter. Diese Solidarität überrascht die Eltern bis heute.

Das alltägliche Leben der Familie war wegen der Corona-Pandemie anfangs beschwert. Der ältere Sohn musste, wie alle Kinder, zuhause unterrichtet werden, Fußballspielen und Freunde treffen ging nicht. Nach den Sommerferien sei die Familie aber langsam im Alltag angekommen – in einem Alltag mit Richelson "Es ist so, als wäre er immer da gewesen."

Noch wartet Richelson darauf, in den Kindergarten zu kommen. Auch der Fußballverein freut sich schon auf seinen Nachwuchsspieler. Bis dahin ist er viel draußen spielen, Fahrradfahren und sogar Ponyreiten. "Das hat er sich gewünscht", sagt Tanja Walter.

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