Beim Rother "Late Night Sewing" sind Männer Mangelware

5.10.2019, 06:10 Uhr
Ein Gemeinschaftserlebnis ist das "Late Night Sewing" in Roth allemal, das sich zu Bayerns größtem Nähtreff entwickelt hat.

© Foto: Michael Schaab Ein Gemeinschaftserlebnis ist das "Late Night Sewing" in Roth allemal, das sich zu Bayerns größtem Nähtreff entwickelt hat.

"Late Night Sewing" findet seit 2016 jährlich in Roth statt und ist schnell zum größten Nähtreffen Bayerns geworden. Wieso dieser englische Name, Frau Schaab?

Schaab: Nähtreff klingt zu langweilig. Wir wollten was Peppiges.

Wie darf man sich den Ablauf am Samstagabend vorstellen?

Schaab: Wie eine kleine Messe. Es sind verschiedene Schnittmuster-Ersteller und Stoffdesigner da, mit denen man sich austauschen kann. Es kommen auch Nähmaschinenhersteller, von denen man sich technische Anleitungen holen oder beraten lassen kann. Und es gibt Workshops, in denen man vom Fachpersonal lernen darf – aber auch untereinander voneinander.

Es ist also kein Raum voller Menschen, die vor Nähmaschinen sitzen?

Schaab: Doch, definitiv. Aber mit leckerem Essen in schönem Ambiente und nicht in Akkordarbeit.

Was hört man da eher – das laute Rattern von Nähmaschinen oder die Gespräche zwischen den Teilnehmern?

Schaab: Beides! Ich hatte am Anfang Angst, dass es zu laut werden würde mit den ganzen Maschinen. Man nimmt‘s aber gar nicht so laut wahr. Es gibt ja Tickets mit Nähplatz und ohne. Manche Teilnehmer entscheiden sich explizit dafür, nur zu netzwerken, Freunde zu treffen und neue Leute kennenzulernen. Die quatschen dann den ganzen Tag und nehmen vielleicht einen Workshop mit, den sie gezielt buchen.

Welche Workshops gibt es in diesem Jahr?

Schaab: Wir haben viele Workshops, die nicht unbedingt mit dem Nähen zusammenhängen, wie etwa einen Fotoworkshop. Dort lernen die Teilnehmer, wie sie ihre genähten Sachen ordentlich fotografieren, um sie gut zu präsentieren.

Wie divers ist denn das Publikum?

Schaab: Von jung bis alt. Ein, zwei 50- bis 60-Jährige sind dabei, aber es kommen auch ganz junge Frauen und sogar Teenies, die sich ihre Taschen und Outfits im Sinne der Nachhaltigkeit und Einzigartigkeit selber nähen.

Die 38-jährige Cindy Schaab lebt seit 2005 in Kammerstein. Nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 2010 fing sie an, individuelle Mode für ihr Kind zu nähen. Sie erhielt weitere Aufträge und so entstand ihr Label "Din.Din.Handmade". Seit 2014 schneidert sie Kinderkleidung, entwirft Plotter-Designs, verkauft Stoff und leitet Nähkurse – in Vollzeit.

Die 38-jährige Cindy Schaab lebt seit 2005 in Kammerstein. Nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 2010 fing sie an, individuelle Mode für ihr Kind zu nähen. Sie erhielt weitere Aufträge und so entstand ihr Label "Din.Din.Handmade". Seit 2014 schneidert sie Kinderkleidung, entwirft Plotter-Designs, verkauft Stoff und leitet Nähkurse – in Vollzeit. © lip

Das heißt also, da sind nicht nur Menschen, die mit dem Genähten Geld verdienen?

Schaab: Einige betreiben ein kleines Gewerbe und verkaufen ihre Sachen auf dem Markt, so wie wir auch angefangen haben. Aber in der
heutigen Zeit hat jeder eine Facebook-Seite oder ist auf Instagram und darauf bedacht, sich gut darzustellen. Also ist das Programm auch für den Privatmann interessant.

Junge Frauen, ältere Frauen ... Männer?

Schaab: Ja, einer (lacht). Wir hatten in den letzten vier Jahren auch schon
Männer dabei, aber die sind eher Mangelware.

Was denken Sie, woran das liegt?

Schaab: Ich weiß es auch nicht. Etliche große Designer sind ja eigentlich männlich. Vielleicht trauen sie sich nicht.

Tickets für das Event gibt es ja nun keine mehr?

Schaab: Leider nein. Wir sind räumlich begrenzt, darum findet dieses Jahr eine Neuerung statt: Von 20 bis 22 Uhr ist "Open House" angesagt, wo jeder mal vorbeischauen darf.

Was kann man denn machen, wenn man vorbeischaut?

Schaab: Sich informieren und reinfühlen, aber auch einkaufen. Viele waren noch nicht auf solchen Nähtreffs und können sich kaum vorstellen, was dort überhaupt passiert und ob das was für sie ist.

Sich in der eigenen Branche auszutauschen – ist das etwas, das Ihnen persönlich beim Nähen gefehlt hat?

Schaab: Total. Man sitzt zuhause und hat den Austausch nur über soziale Netzwerke. Dort arbeitet man immer mit denselben Stoffdesignern und Schnittmuster-Erstellern zusammen. Irgendwann stellt sich raus: Die eine ist aus Zirndorf, die andere aus Nürnberg oder aus München – aber es gab keine Möglichkeit, sich auch live zu sehen.

Welche Effekte hat das Nähen Ihrer Meinung nach aufs Gemüt?

Schaab: Manche sagen: "Nähen ist mein Yoga". Egal in welchem Alter – ob es Abstand von der Arbeit ist oder um dem Familienalltag zu entfliehen. Sich einfach Zeit nehmen, ein paar Stunden nur für sich und sein Projekt haben und danach auch noch ein fertiges Ergebnis, über das man sich freuen kann – das macht Nähen aus!

Zum Abschluss: Was ist für Sie persönlich der schönste Aspekt an Ihrer Arbeit?

Schaab: Kreativ zu sein und nicht in der Einheitsmasse schwimmen zu müssen.

Also individuelle Kleidung?

Schaab: Richtig. Das, worauf man Lust hat, einfach umzusetzen.

Zum Hintergrund: 

Das "Late Night Sewing" findet zum vierten Mal statt. Die Teilnehmerzahl ist aus räumlichen Gründen auf 150 begrenzt. Tickets mit Nähplatz gibt es zum Preis von 49,90 Euro; ohne Nähplatz kostet die Teilnahme 35 Euro. Das Event, das mittlerweile als Bayerns größtes Nähtreffen gilt, ist bereits ausverkauft. Die Veranstaltung beginnt um 12 und endet um 22 Uhr. 
Was ist neu? Interessenten ohne Ticket erhalten ab 20 Uhr Einlass zum „Open House“ in der Drahtzieherstraße 6 in Roth.  Alle Jahre wieder wird mit dem „Late Night Sewing“ ein soziales Projekt unterstützt, diesmal die Elterninitiative „Pumpis für Herzis“. Teilnehmer können Stoffspenden abgeben, die dann zu farbenfrohen Kleidungsstücken für Kinder weiterverarbeitet werden. Kleine Menschen, die von Geburt an schwerkrank sind und viel Zeit in Kliniken verbringen müssen.

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