Brandbrief: Schülersprecher kritisiert Piazolo

23.2.2021, 15:25 Uhr
Hemdsärmlig: In der Pandemie wird viel auf dem Rücken der Schüler ausgetragen.

© Guido Kirchner, dpa Hemdsärmlig: In der Pandemie wird viel auf dem Rücken der Schüler ausgetragen.

"Man fühlt sich wie in einem Boot, welches immer weiter weg vom Ufer hinaus auf das Meer treibt. Rettung ist nicht in Sicht – obwohl man selbst nichts Schlechtes getan hat", schreibt Louis Fischer, Regionalsprecher Mittelfranken Süd und Schülersprecher des Gymnasiums Wendelstein, in einem Brandbrief an den bayerischen Kultusminister Michael Piazolo: "Dieser Satz eines Schülers der Q 11 beschreibt unsere Situation perfekt. Man fühlt sich alleine und vom Kultusministerium verlassen."

Brandbrief: Schülersprecher kritisiert Piazolo

© Foto: privat

Distanzunterricht läuft gut

"Bestimmt nehmen Sie an, dass es am Distanzunterricht liegt. Dafür kann niemand etwas, ist halt die Pandemie. Aber nein, das ist nicht der Fall. Nachdem die Probleme mit Mebis irgendwann einmal geklärt waren, konnte der Distanzunterricht gut ablaufen. Und das tut er auch", heißt es in dem Brandbrief.

Das Problem sei die Perspektivlosigkeit und der Druck. Jeden Tag aufs Neue planen, warten und hoffen. Mal wieder eine Pressekonferenz vom Ministerpräsidenten und Piazolo – wie so oft. Am Tag darauf das Schreiben, das besagt, dass Informationen folgen – wie so oft. Nach weiteren Tagen dann endlich das lang ersehnte Schreiben. Und was steht drin? Viel, sehr viel sogar. Aber am Ende keine Aussage, die Planung und Perspektive sichert – wie so oft.


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"Werfen wir nun mal einen Blick auf die Risikofamilien. Sie, Herr Piazolo, erzählen uns von großzügigen Regelungen. Doch worauf muss man hoffen? Auf das Wohlwollen der Direktoren. Sie denken sich vielleicht, dass es bei allen vorhanden ist – Fehlanzeige. Angst vor dem Tod - das haben viele. Angst davor, selbst an einer Infektion zu sterben oder einen engen Verwandten zu verlieren. Und wie gehen Sie darauf ein?", ist in diesem Schreiben zu lesen.

Damit, dass man bei einem dieser Anliegen eventuell beurlaubt werden könne, aber auch nur, wenn die Schulleitung es zulässt. Und Anspruch auf einen Distanzunterricht besteht sowieso nicht. Das ist traurig und eigentlich sogar erschütternd.

Der Druck auf die Schüler sei so groß, dass es vermehrt zu Selbstverletzungen komme. "Ist das der Sinn Ihrer Politik?" Wir werden im zweiten Halbjahr mit mehr Schulaufgaben belastet als unter Normalzuständen. Sechs, sieben oder acht Klausuren in kürzester Zeit von vielleicht zwei bis drei Wochen müssen geschrieben werden. Um das Ganze noch etwas zu verdeutlichen, sind hier ein paar Ausführungen von Eltern und Schülern, für die Piazolo verantwortlich sei:


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"Es ist einfach frustrierend zu sehen, dass man dauerhaft an das Ministerium gebunden ist. Es macht den traurigen Anschein, dass sich das Ministerium auf bereits erreichten "Erfolgen", die wohl auf Abspeisung basieren, ausruht und dabei die übrig gebliebenen Schüler und weitere Probleme einfach vergisst." (Aussage eines Schülers des Gymnasiums Altdorf).

"Der Stress nimmt jeden Tag zu. Wir sollen jeden Tag auf mögliche Klausuren und Nachschriften vorbereitet sein, da keine Verlässlichkeit auf die Aussagen des Ministers gegeben ist." (Schüler der Oberstufe des Gymnasiums Wendelstein).

"Die Ferien wurden gestrichen und keiner hat eine Ahnung, wann es wieder in die Schule geht. Absolut keine Perspektive. Der Druck, den man hierbei verspürt, wird komplett ignoriert. Noch schockierender ist es allerdings, dass unser Kultusminister den LehrerInnen mit der Schulaufsichtsbehörde droht, sollten diese ihren SchülerInnen eine kurze Pause gönnen wollen." ( Schüler des Gymnasiums Neumarkt).


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"Wir müssen teilweise noch mindestens sechs Klausuren aus dem ersten Halbjahr nachholen. Wie sollen wir das schaffen? Auf den ersten Blick klingt das nicht nach allzu viel, aber wenn man einberechnet, dass die ganzen Klausuren in kürzester Zeit geschrieben werden müssen (ohne eine Öffnungs- oder Stoffinhaltsperspektive zu haben), dann sollte doch hoffentlich klar werden, wie viel Stress damit auf die SchülerInnen zukommt." (SchülervertreterInnen des Wolfram-von-Eschenbach Gymnasiums Schwabach).

"Als Risikofamilie fühlt man sich alleine gelassen, nicht wirklich ernst genommen und benachteiligt. Die Ängste und Gefahren einer möglichen Ansteckung werden vom Kultusministerium nicht gesehen! Hart trifft es Schüler und Schülerinnen von Risikofamilien bei Präsenzunterrichtszeiten. Da gibt es für diese keinen Distanzunterricht mehr. Sie müssen sich dann um alles alleine kümmern und selbstständig beibringen.

Sehr traurig ist auch, dass in solch einer Zeit den Eltern keine Wahlmöglichkeit zwischen Präsenz- und Distanzunterricht eingeräumt wird (die kein ärztliches Attest haben), sondern man auf das Wohlwollen der Schulleitung angewiesen ist und dass man keinen Anspruch auf Distanzunterricht hat, bei doch angeblichem Recht auf Bildung." (Mutter eines Oberstufenschülers des Gymnasiums Wendelstein).

Forderungen

"Wir hoffen sehr, dass Sie unsere Lage ernst nehmen. Es geht uns auch nicht darum, dass wir alle ganz schnell wieder im Präsenzunterricht sind, sondern dass wir entlastet werden und eine echte Perspektive bekommen.

Deshalb fordern wir: bedingungslose Freistellung von Risikopatienten, Schülern, die im Umfeld von Risikopatienten leben, und für Schüler, die Angst vor Präsenzunterricht haben, Reduzierung der Schulaufgaben in den Klassen fünf bis zehn der Gymnasien mit dazugehöriger Anpassung der aktuellen Gesetzgebung, Perspektivenbildung für die Q 11 mit weiterer Reduzierung der Klausuren, klare Regelungen für das Abitur mit passendem Hygienekonzept sowie Eingrenzung der Lerninhalte, flexiblere Möglichkeiten für Lernstandsprüfungen ohne starres Beharren auf Noten.", schließt der Brief an Piazolo.

 

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