Brunnau: Glücksgefühle auf einem Vierbeiner

9.1.2018, 06:00 Uhr
Brunnau: Glücksgefühle auf einem Vierbeiner

© Foto: André De Geare

Schon Mitte November hatte Klaus Jäger die Idee und auf seiner Facebook-Seite einen Post abgesetzt, in dem er Familien, die es sich eben nicht leisten können, für Reitstunden zu zahlen, aufforderte, sich bei ihm zu bewerben. Sein Beitrag wurde mehrfach geteilt und via Facebook kamen Nachrichten und das Handy klingelte. Nicht alle Anrufer kamen infrage, manche verstanden seinen Aufruf falsch und fragten, ob der Enkel, der zu Besuch sei, nicht vorbeischauen könnte. Aber Klaus Jäger ging es vor allem darum, jenen Kindern ein Strahlen ins Gesicht zu zaubern, deren Eltern es sich eben nicht leisten können, regelmäßige Reitstunden oder Besuche auf dem Ponyhof zu finanzieren.

Antje Gundel aus Schwabach etwa ist alleinerziehend und als Kind selbst geritten. Aber für regelmäßige Reitstunden reicht das Geld einfach nicht aus, dabei ist gerade ihre große Tochter Constanze (7) bis über beide Ohren pferdeverrückt, aber auch die sechsjährige Helene darf mit. "Als wir miteinander telefoniert haben, sind Sie in der Küche gestanden und haben geflüstert, damit niemand etwas mitbekommt", erinnert sich Klaus Jäger. Antje Gundel nickt. "Und dann hat man es trotzdem im Hintergrund jubeln gehört: ,Pferde? Reiten?‘", erzählt er weiter und lacht. Der Dritte im Bunde ist an diesem Tag Bilal (8), der mit seiner Familie vor rund zwei Jahren aus dem Irak gekommen ist und jetzt in Kammerstein lebt. Das Ehepaar Christa und Toni Turnwald, das sich um ihn und seine Familie kümmert, ist mit ihm gekommen. "Wir waren im Sommer mit ihm im Urlaub und da auch bei einem Reitturnier. Wir haben ihn gar nicht mehr vom Zaun wegbekommen. Seitdem spart er alles Geld für Reitstunden", erzählt Christa Turnwald.

Als alle da sind, begrüßt Klaus Jäger die Gäste zuerst in der eingeheizten Sattelkammer, denn an diesem Samstag noch im alten Jahr ist es eisig kalt, der Regen fällt auf den Schneematsch und weicht den Boden zu einer matschigen Pampe auf. Neben ihm ist noch seine Lebensgefährtin Andrea Ritter mit dabei und Antonia (13), eine Reitschülerin der beiden, sodass pro Pferd und Kind ein erfahrener Reiter dabei ist.

Dann geht es hinaus ins Schmuddelwetter und in den Paddock. Die Erde ist aufgeweicht durch den Regen, die Fußspuren der Pferde haben den Boden zerfurcht. Die Tiere sind das ganze Jahr draußen, nur nachts dürfen sie in den schützenden Stall, tagsüber haben sie einen offenen Unterstand. Auch der Dauerregen und die Kälte machen ihnen nicht so viel aus.

Trotz des schmuddeligen Bodens werden die Tiere geputzt, damit kein Sand unter dem Sattel reibt und damit ein erster Kontakt stattfindet. Die Kinder dürfen selbst Hand anlegen, vorsichtig streicht Bilal mit einer groben Bürste über das Fell des gefleckten Pony of America, Klaus Jägers eigenes Pferd. Die anderen beiden Tiere sind Haflinger und ein Hafi-Mix. Mit den Strichen der Bürste verschwinden auch die Dreckspritzer aus dem Fell des Tieres. Toni Turnwald steht daneben und besticht das Pferd mit einer Karotte, auch wenn das gar nicht nötig ist.

Jäger ist Pferdetrainer und geht mit seinen Tieren nach dem Horsemanship-Prinzip um. Für ihn bedeutet das, die Sprache des Pferdes zu lernen und nicht vom Pferd zu erwarten, den Menschen und dessen Kommandos zu verstehen, sodass sich zwischen Pferd und Mensch ein partnerschaftliches Verhältnis entwickelt. Und, dass das Pferd ein Individuum ist, das seinen eigenen Charakter hat. Viele denken dabei an den Pferdeflüsterer, aber Klaus Jäger betont: "Das hat mit Cowboys oder Westernreiten nicht viel zu tun. Das klappt, egal ob ich einen Cowboy- oder einen Tirolerhut trage." Deswegen beginnt "die Arbeit" mit dem Pferd auch für die Kinder erst am Boden.

Zuerst dürfen Constanze, Helene und Bilal jeweils ihr Pferd führen, ohne dass sie am Strick, der am Halfter des Pferdes befestigt ist, zerren. Bei den beiden Mädchen klappt das ganz gut, bei Bilal dauert es kurz, dann folgt auch ihm das helle Tier mit den dunklen Flecken. Dann geht es darum, das Pferd rückwärts laufen zu lassen.

Das Signal dafür ist es, sich vor das Pferd zu stellen und das Führungsseil im Kreis zu schwingen. Bilals Pferd gibt sich erst unbeeindruckt und bleibt stehen. Klaus Jäger zeigt ihm noch einmal, wie es genau geht. Schwingen und langsam auf das Pferd zugehen. Bilal probiert noch einmal, dann klappt es, das Pony läuft rückwärts. "Die Pferde wissen natürlich wie alles funktioniert, aber fragen bei den Kindern ab: ,Wie ernst ist es dir?‘ Wenn die Kinder sehen, dass das Pferd auf sie reagiert und sie so merken, dass sie etwas bewirken können, dann ist das eine tolle Erfahrung, die sie auch im Leben stärkt", erklärt Klaus Jäger.

Kinder werden durchgeschüttelt

Nach diesen ersten Übungen dürfen die Kinder auf das Pferd steigen. Zwei der Pferde tragen Pads, das sind im Grunde dicke lederne Unterlagen in der Größe eines Sattels, auf denen man sitzt. Klaus Jäger rollt eine Tonne aus einem Eck des Platzes neben das Pony und stellt Bilal drauf. So kann auch der kleine Junge auf den Rücken des Pferdes klettern.

"Weißt du, wie du das Pferd anhältst? Schau mal auf deinen Bauchnabel!" Bilal tut es, das Pferd steht still. Und weiter geht es, wenn er sich streckt und den Blick wieder nach vorn richtet. Auch Constanze und Helene sitzen bereits im Sattel. Die drei Betreuer führen die Kinder über den Platz und lassen die Pferde auch mal leicht antraben, die Kinder werden durchgeschüttelt. Andrea Ritter, die mit der sechsjährigen Helene übt, lässt das Pferd stehen und breitet dann die Arme aus. Langsam macht Helene es ihr nach und sitzt, die Arme zur Seite gestreckt, aufrecht auf dem Tier.

Dann dürfen die Kinder sich einmal verkehrt herum setzen, Klaus Jäger, Andrea Ritter und Antonia führen weiter, ein bisschen bang sind die Blicke anfangs, aber schnell fassen die Kinder Vertrauen in "ihr" Pferd.

Als auch das gut geklappt hat, beschließen die Reiter, dass die Kinder reif sind für den Spaziergang im Gelände, mit dem sich der Nachmittag mit den Pferden auch schon dem Ende zuneigt.

Schönes Weihnachtsgeschenk

Das Lächeln in den Gesichtern der Kinder wird breiter. Bilal wird sein Taschengeld sicher weiter sparen, denn jetzt hat er sicher endgültig Feuer gefangen für Pferde und Reiten. Und auch die Mutter der Mädels freut sich. Diesen Tag werden Constanze und Helene sicher nicht mehr so schnell vergessen: "Das war eines der schönsten Weihnachtsgeschenke", sagt sie.

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