Corona: Die Bestatter sind am Anschlag

21.1.2021, 19:30 Uhr
Corona: Die Bestatter sind am Anschlag

© Foto: imago images/Panthermedia

"Wir haben seit etwa drei Wochen sehr viel Arbeit, zehn bis zwölf Stunden täglich, kein Wochenende mehr", sagt Paul Mühleck, der den Betrieb in Schutzendorf mit seinem Sohn Bernhard führt. Auf acht von zehn Totenscheinen, schätzt er, stehe als Todesursache "Corona". Überwiegend handle es sich um alte Menschen, oft über 80 oder sogar 90 Jahre. In "normalen" Wintern sterben auch viele alte Leute an Grippe oder Lungenentzündung. Aber was jetzt los ist, "so etwas habe ich in den vergangenen 40 Jahren noch nicht erlebt".


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Überwiegend holen die Mühlecks derzeit verstorbene Patienten aus Pflegeheimen und Krankenhäusern ab. Vor allem Greding, Hilpoltstein und Berching habe es "schlimm erwischt" . "Von 30 an Corona Verstorbenen ist vielleicht mal einer dabei, der zu Hause gestorben ist", schätzt der Schutzendorfer, dessen "Kundschaft" aus einem großen Einzugsgebiet zwischen Berching, Freystadt, Hilpoltstein, Heideck bis weit in den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen und Eichstätt reicht.

Ähnliche Erfahrungen macht auch das Bestattungsinstitut Alter, das in Schwabach, Katzwang, Wendelstein, Fischbach und Heilsbronn Büros hat. "In der zweiten Welle haben wir definitiv mehr Corona-Tote", erzählt eine Mitarbeiterin. "Wir arbeiten bereits in Schichten", aber nicht nur um die Arbeit zu bewältigen, sondern auch damit sich die Mitarbeiter nicht begegnen und sich gegenseitig anstecken.

Ein einsamer Tod, eine einsame letzte Reise

Wenn jemand an Corona verstorben ist, müssen natürlich auch die beiden Schutzendorfer Bestatter Paul und Bernhard Mühleck darauf achten, dass sie sich nicht anstecken. Sie gehen dann nur mit Schutzanzug, Haube, Maske, Visier und Handschuhen zu den an Covid-19 Verstorbenen.


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Diese werden anders als üblich nicht noch "schön" hergerichtet und gekleidet, sondern nur "so wie sie gekleidet" sind in eine Plastikhülle eingepackt. Diese wird versiegelt und in den Sarg gelegt. "Das war‘s", sagt Paul Mühleck sachlich. Die Familienmitglieder sind beim Sterben fast nie dabei und können den Verstorbenen aus Infektionsschutzgründen auch nicht mehr sehen. Ein würdiger Abschied ist etwas anderes.

Sobald die Bestatter die Klinik oder das Heim verlassen haben, ziehen sie ihre Schutzkleidung aus und verpacken sie in Müllsäcke. Außerdem würden nach jedem "Fall" das Lenkrad, die Türöffner am Auto, also alles was angefasst wurde, desinfiziert. Angst davor, sich selbst anzustecken, hat der 68-Jährige nicht. "Wir tragen ja Schutzkleidung und sind nicht ewig bei den Verstorbenen. Außerdem arbeite ich zurzeit so viel, dass ich nicht darüber nachdenke."

Krematorium rund um die Uhr im Betrieb

Es gebe derzeit keine Probleme mit der Kühlung der Leichen bis zur Bestattung, da "mittlerweile 80 Prozent Urnenbestattungen sind". Das bedeutet, dass die Mühlecks acht von zehn Verstorbenen zum Krematorium nach Weißenburg bringen. "Dort staut es sich. Die Kühlung ist überfüllt", so Paul Mühleck. Die Särge werden bereits in Seitenräumen gelagert. Und das, obwohl das Krematorium mittlerweile im Drei-Schicht-Betrieb fast rund um die Uhr arbeite. Normalerweise wird dort im Neun-Stunden-Betrieb gearbeitet. "Was die Mitarbeiter dort wegbringen, wird gleich wieder nachgeliefert", weiß Mühleck.

Auch die Angestellte des Bestattungsinstituts Alter berichtet von den gleichen Szenarien in den Krematorien Nürnberg, Weiden und Hohenburg. "Die sind überfüllt. Am Nürnberger Südfriedhof wurden bereits Container aufgestellt."

Und so müssen auch die Angehörigen momentan länger warten als sonst, bis eine Urnenbeisetzung stattfinden kann. "Erst wenn die Urne aus dem Krematorium zurück ist, können wir die Trauerfeier planen", so die Schwabacher Bestatterin. "Manche wollen aber auch warten, bis Corona vorbei ist, damit mehr Leute zur Beisetzung kommen können."

Bleibt bei so viel Arbeit nicht auch die persönliche Beratung der trauernden Angehörigen auf der Strecke? "Wir nehmen uns schon noch die Zeit dafür", sagt Paul Mühleck. "Wir sprechen im Büro noch persönlich mit den Angehörigen – natürlich mit Maske und entsprechendem Abstand. Dass so ein Gespräch nur noch über Computer geht, wollen wir nicht. Den Angehörigen tut’s gut, mit uns persönlich zu sprechen."

Zeit für Gespräche muss sein

Auch beim Bestattungsinstitut Alter findet die persönliche Beratung zu Hause oder im Büro statt. "Die Situation ist eh schon so schwierig", so die Mitarbeiterin, "da wollen wir uns die Zeit nehmen". Ablehnen mussten die beiden Bestattungsunternehmen bisher niemanden.

Aber: Eine Besserung der Situation ist derzeit noch nicht in Sicht. Im Gegenteil – Paul Mühleck hat das Gefühl, dass es eine Zeit lang noch schlimmer wird.

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