Corona-Fasching: Was wir vom Narren lernen können

13.2.2021, 14:00 Uhr
Theaterpädagogin Elisabeth Dietz mit „Charaktermaske“. Jeder Teil der Verkleidung gebe den Kostümierten „eine konkrete Idee von der Figur, die man ist“, glaubt die 67-Jährige und meint zugleich, dass das auch die Option beinhalte, dem Alltag zu entfliehen.

© Foto: Tobias Tschapka Theaterpädagogin Elisabeth Dietz mit „Charaktermaske“. Jeder Teil der Verkleidung gebe den Kostümierten „eine konkrete Idee von der Figur, die man ist“, glaubt die 67-Jährige und meint zugleich, dass das auch die Option beinhalte, dem Alltag zu entfliehen.

Raus aus dem Alltag, rein in Glitzer und Glamour, Frack und Zylinder. Oder wahlweise in den Lumpenoverall "mit Klamperla dro". Ja, jetzt wär´s – Konjunktiv! - wieder soweit: Der "Unsinnige" liegt hinter, Rosenmontag und Faschingsdienstag vor uns. Zumindest laut Kalender. Doch statt falschem Bart oder Haremsschleier bindet man sich aktuell die Einheitsmaske vors Gesicht.

Während Faschingsmuffel dahinter aufatmen, trauern karnevalistische Überzeugungstäter dem ausgelassenen Treiben nach und träumen von bunteren Zeiten. "Warum eigentlich?", wollten wir wissen. Und: "Was ist dran am Verkleiden? Wo liegt da der Reiz?", fragten wir mit der Stimme der Skeptiker. – "Aber hallo?!", kontert eine Kostüm-Idealistin aus Hilpoltstein. Elisabeth Dietz hat natürlich Antworten parat. Samt einer Idee...

Helau, Frau Dietz!

Hoppla! – Helau? Das klingt gerade ein bisschen komisch. Vielleicht doch lieber: Hip, hip, hurra!?

War ja nur zum Aufwärmen gedacht. Jetzt schließen Sie bitte mal die Augen! Wenn Sie an vergangene Faschingsumzüge und -feten zurückdenken: Was sehen, was hören Sie?

Ich höre zünftige Blasmusik und ich sehe, wie eine kunterbunt verkleidete Menschenmenge bestens gelaunt durch die Straßen zieht – das tut guuuut!


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Verkleiden macht also glücklich?

Na freilich! Ich hab´ mir sogar auf meine FFP2-Maske eine rote Clownsnase draufgemalt. Verkleiden macht glücklich, es macht Spaß, stimmt einen froh. Allein der Gedanke daran katapultiert mich schon aus dieser trüben Pandemie-Stimmung.

Warum?

Weil ich es liebe, andere Rollen zu spielen. Der Alltag ist ernst genug. Eine Verkleidung kann Wunder wirken – die führt dich raus aus dem Grau.

Als Lohbachlerche spottete Elisabeth Dietz über die Lokalpolitik.

Als Lohbachlerche spottete Elisabeth Dietz über die Lokalpolitik. © Foto: Tobias Tschapka

Sie müssen´s wissen. Immerhin verkleiden Sie sich quasi schon ein Leben lang. Man kennt Sie aus der "Hilpoltsteiner Spielkiste", wo Sie bereits in die unterschiedlichsten Kostüme geschlüpft sind. Oder als resolute "Lohbachlerche", die den Kommunalpolitikern bis 2018 die Leviten las. Vielleicht geht’s noch etwas konkreter: Worin liegt für Sie der ganz persönliche Reiz des Verkleidens?

Hmmm, das ist echt schwer in Worte zu fassen! Nehmen wir ein Beispiel her: Ich erinnere mich ans zweite Jahr der Lohbachlerchen. Da sind wir als Stadtarbeiterinnen am Hilpoltsteiner Marktplatz angetreten, um der Kommunalpolitik auf die Finger zu klopfen. Aber das hat irgendwie nicht gezündet.

Wir wollten unsere Frau stehen – Frauen, die sich was trauen! Also haben wir uns ein Jahr später Pelzmäntel angezogen und ein bisschen verrückt gestylt. So à la "Dame von Welt". Eine, die selbstbewusst Einfluss nimmt, zu der man aufschaut. Und plötzlich hat das Konzept funktioniert! Wir haben gespürt, dass das zu uns passt. Ein pfundiges Feeling! Ich denke, das ist zumindest ein Teil von diesem Reiz – das Gefühl, wenn´s passt!


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Erinnern Sie sich an Ihre allererste Verkleidung und die Empfindung, die Sie dabei hatten?

Ich weiß noch, dass mir meine Mutter zu Fasching irgendein Kostüm für den Kindergarten angezogen hat, das ich partout nicht ausstehen konnte – aber ich weiß absolut nicht mehr, was das war. Hab´s völlig verdrängt. Seltsam, gell?!

Elisabeth Dietz als Großmütterchen: Das Kostüm vermittle dem Körper, die entsprechende Haltung anzunehmen, ist die Hilpoltsteinerin überzeugt. Psychologen sprechen von "Body Feedback".

Elisabeth Dietz als Großmütterchen: Das Kostüm vermittle dem Körper, die entsprechende Haltung anzunehmen, ist die Hilpoltsteinerin überzeugt. Psychologen sprechen von "Body Feedback". © Foto: Tobias Tschapka

Ihr bislang ausgefallenstes Outfit?

Puh, Sie stellen Fragen! Also, im Rahmen der Theaterpädagogik-Ausbildung war ich mal in Italien. Wir sollten im Sechser-Pack als exotische Schönheiten durch die Gassen ziehen. Mit Anmache und so. Die Leute haben ganz schön geschaut. Da war zwar nicht unser Outfit das Bemerkenswerte, aber die Haltung, die sich die Gruppe angeeignet hat.

Die Psychologie nennt dieses Phänomen "Body Feedback". Haben Sie auch solo das Gefühl, eine andere Haltung anzunehmen, wenn Sie im Kostüm stecken?

Natürlich! Schlüpfen Sie mal in ein herrliches Kleid – das richtet Sie auf, darin sind Sie jemand! Im G´wand einer alten Frau dagegen, geht der Rücken gleich nach unten. Jeder Teil der Verkleidung gibt eine konkrete Idee von der Figur, die man ist!


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Welche Figur sind Sie denn am liebsten?

Der Clown hat mich immer schon begeistert, der Vermittler des Unbeschwertseins. Den lieb´ ich.

Kann man über so ein Kostümierungsfaible Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Träger ziehen? Was meinen Sie?

Durchaus. Ich selber versuch´ gerne, Menschen zum Lachen zu bringen. Sie wissen schon: dieses kleine Lachen, das aus der Seele kommt. Dabei hilft mir der Clown.

Elisabeth Dietz in der Gestalt eines Lausbubs. 

Elisabeth Dietz in der Gestalt eines Lausbubs.  © Foto: Tobias Tschapka

Er ist nicht kompetent, ist ans Scheitern gewöhnt. Krisen sind sein täglich Brot, er meidet sie nicht. Das wäre sowieso sinnlos. Also hat er gelernt, die Krise zu lieben. Obwohl sich in ihr ja alles auflöst und das schöne Konzept der Selbstdarstellung, die Fassade bröckelt.

Trotzdem tut der Clown immer sein Bestes, um die Aufgaben zu lösen, die an ihn ranpurzeln. Mit kindlicher Unschuld. Ich finde, von dem kann man ganz schön was lernen...

Und außerdem: Wenn man die passende "zweite Haut" erst gefunden hat – ob Prinzessin oder Pirat – dann werden Wünsche, die im Alltag eher unerfüllt bleiben, für einen Moment befriedigt. Das macht happy, gibt Selbstvertrauen. Man darf sich auf diesen Gebieten einfach mal ausprobieren...

Das ist übrigens eine Methode, die in der Schule viel zu kurz kommt!

Ein klares Plädoyer fürs Verkleiden, das heuer aber mangels Faschingstreiben entfallen muss.

Na ja, eventuell nicht ganz. Man kann doch trotzdem schmissige Musik zu Hause auflegen, sich irgendwelche Kostümutensilien schnappen und ein bisschen aus dem Lockdown rausschunkeln.

Ich gebe zu: Allein ist das schwieriger als mit Partner. Aber man darf sich ja eine Person einladen – eine Freundin, einen Nachbarn. Jemanden, zu dem man sich sagen traut: "Komm, lass´ uns den Scheiß jetzt machen!" Wer müsste da nicht schon lachen?

Aber im Ernst: So kann man vielleicht mal kurz loslassen, frei sein, die Sorgen vergessen.

Ist das auch Ihr persönlicher Plan für den bevorstehenden Rosenmontag und Faschingsdienstag?

Tja, wenn ich das schon wüsste! Aber Faschingsmusik läuft bei mir seit einigen Tagen: "Auf und nieder immer wieder..."

Aufs Verkleiden will ich natürlich ungern verzichten. Was mir dabei gerade spontan einfällt: Eine kleine, feine Wanderung in Kostümierung – das wär´ doch eine Möglichkeit, oder?!

Zur Person:

Elisabeth Dietz (67) stammt aus Beilngries, ist gelernte Erzieherin und zog 1975 nach Hilpoltstein, um die Leitung des St. Jakob-Kindergartens zu übernehmen. Weil schon immer ein Faible fürs Darstellende in ihr schlummerte, trat sie 1977 den Laienspielern der örtlichen Kolpinggruppe bei. Nachdem sie geheiratet und drei Kinder zur Welt gebracht hatte, arbeitete sie ab 1995 bei Regens Wagner Zell, wo sie dem Theater ebenfalls eine Nische eröffnete.

1997 gründete sie zusammen mit einigen befreundeten Müttern die "Spielkiste", die mit etlichen städtischen Kinderfesten – unter anderem dem Hilpoltsteiner Kinderfasching – einher ging (und immer noch geht). 1998 trat sie eine zweijährige Weiterbildung zur Theaterpädagogin an. Während dieser Zeit starteten auf ihre Initiative hin die "Lohbachlerchen" – eine Truppe resoluter Damen, die noch bis 2018 jedes Jahr am Freitag nach dem Unsinnigen Donnerstag, öffentlich mit der Lokalpolitik vor Ort abrechnete.

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