Das Verlassen der Komfortzone

7.7.2018, 06:00 Uhr
Das Verlassen der Komfortzone

© F.: privat

Das Verlassen der Komfortzone

Kein Navigationsgerät, keine Autobahn, kein Hotel – und ein Auto, das mindestens 20 Jahre auf der Karosserie hat. Das sind die Vorgaben. Wenn der "Superlative Adventure Club" mit Sitz in Hamburg zu seinen Challenges ruft, dann müssen Etepetete-Allüren zu Hause bleiben. Geschlafen wird im Zelt oder unter freiem Himmel, Katzenwäsche sollte genügen. Dafür winkt: Freund Abenteuer!

Den haben die Brüder Christian (32) und Jörg (38) Stroh tatsächlich getroffen, als sie 2017 in ihren Volvo, Baujahr 1980, gestiegen und losgedüst sind. Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen und Polen formierten sich zur Reiseroute, auf der es täglich diverse Aufgaben zu bewältigen galt: zum Beispiel das streckenweise Mitführen der schwedischen Fischspezialität "Surströmming", auch "Kotzfisch" genannt, die "20 Meter gegen den Wind stinkt", das Armdrücken mit einem norwegischen Brummifahrer oder ein Zicklein temporär auf den Fahrersitz zu verfrachten. Crazy Stuff. Aufgeführt waren die Herausforderungen im Roadbook, das den insgesamt 250 Teams eine Stunde vor Start ausgehändigt wurde.

Doch allzu genau hätte man´s damit ja nicht nehmen müssen, zumal: "Wer wirklich alle Aufgaben bewältigen will, der hat richtig Stress", weiß Jörg Stroh inzwischen. Also hielten die Brüder statt am Sieg, lieber am "olympischen Gedanken" fest: Dabei sein ist alles!

Jawoll, und da sind die Strohs völlig d´accord, selbiges hätte sich gelohnt: "Man trifft auf entspannte, interessante Leute". Zudem kriege man rollenderweise kulturelle Eigenarten und landschaftliche Schönheiten in den Fond gepackt: "Wenn du die Sonne überm Nordkap siehst, dann vergisst du das nie wieder", schwärmt Christian Stroh. Die 850 Euro Startgebühr seien somit "bestens angelegt".

Vergessen wären indes relativ rasch all die Torturen, die das Autofahren eben so mit sich bringt – zehn bis zwölf Stunden pro Tag. "Oder wenn du mitten im russischen Murmansk denkst, der Motor macht schlapp", erinnert sich Jörg Stroh. "Zum Glück" sei letztlich nur die Kühlertemperatur-Anzeige kaputt gewesen. Ein Abenteuer, ja. "Die Zwei haben wochenlang von nix anderem mehr gesprochen als von dieser Rallye", bestätigt Sabrina Arnold (27). Doch deshalb genervt die Augen verdrehen? Im Gegenteil. Nachdem sie ihren Verlobten Christian Stroh und dessen Bruder Jörg am Hamburger Fischmarkt nach 16 Tagen BSC-Rallye wieder in Empfang nehmen durfte, stand für die Spalterin und ihre beiden Freundinnen Susanne Beierlein (29) aus Abenberg sowie Christina Gilch (29), ebenfalls Spalt, sofort fest: "Wir machen da mit!"

Ob es letztlich "das Leuchten in den Augen" der Gebrüder Stroh oder jenes "unbeschreibliche Flair" im Pulk der frischgebackenen BSC-Absolventen war? Sei´s drum. So oder so stehen sie seit Oktober auf der Starterliste für den "Balkan Express", jüngstes Kind des "Superlative Adventure Club": 4000 Kilomter durch 14 Länder in zehn Tagen. Sabrina Arnold fährt im Team "Spalter Schwede" mit; Susanne Beierlein und Christina Gilch bilden gemeinsam das Team "Hopsi Girls".

Letztere gehen in Beierleins "erstem und bisher einzigen Auto" on tour: einem Opel Corsa B, Baujahr 1995, 45 PS, genannt "Hopsi". Gerade werde der in der Werkstatt auf Herz und Nieren geprüft, sein verrosteter Auspuff und so manch’ anderes Teil ausgetauscht. Dass sie ihre "Komfortzone" ab 25. August, wenn in Dresden die Startflagge zum allerersten SAC-"Balkan Express" gehisst werde, hinter sich lassen müssten, ist den Mädels durchaus klar: "Das Trockenshampoo wird unser bester Freund werden", seufzt Susanne Beierlein. Und außerdem: "Zelten ist nicht so unser Ding, lange Autofahrten sind nicht so unser Ding, und Gepräche über Autos auch nicht..."

Dennoch wollen´s die Mädels, die als rein weibliche Mannschaft in deutlicher Unterzahl innerhalb des Starterfelds rangieren, wissen. Nach all den Reaktionen in ihrem Umfeld erst recht: "Das schafft ihr nie", hatte so mancheiner geunkt.

Das allein sei freilich nicht der Teilnahmegrund: "Ich denke, wir kommen an Orten vorbei, wo die Zeit stehen geblieben ist", freut sich Susanne Beierlein schon. Zumindest stünden da Länder auf dem Tourenplan, "die man nicht gerade als klassische Urlaubsregionen kennt": Ab Dresden geht es nach Polen, Tschechien, in die Slowakei, nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Albanien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien, Slowenien und am Ende nach Österreich mit Zielort Salzburg. Drum dominiere "eher die Vorfreude, auf das, was kommt als Panik", meint Christina Gilch.

Und nicht zu vergessen: "Wir starten für den guten Zweck!" So unterstützt das Team "Spalter Schwede" mit den im Vorfeld zu sammelnden Spenden von mindestens 500 Euro (auch das ist Auflage des Veranstalters) die "Klinikclowns Nürnberg", während die "Hopsi Girls" das Geld dem Rother Verein "Herzpflaster" für herzkranke Kinder zukommen lassen. "Ist uns ein echtes Herzensanliegen", betont Christina Gilch. Beide Mannschaften spenden zudem gemeinsam für den Spalter Verein "Lautsprecher e.V.", ein Netzwerk von Bands mit gehandicapten Künstlern.

Am 25. August geht’s also los, am 4. September ist das gemischte Quintett wieder zurück – "so Gott will", spaßt Susanne Beierlein. In jedem Fall werde man sich ein Leben lang von dieser Reise erzählen, ist Christina Gilch jetzt bereits überzeugt: "Entweder, weil es so gut war oder ..."

ZWer für die Teams spenden möchte bzw. die gemeinnützigen Vereine ihrer Wahl ("Lautsprecher Spalt e.V.", "Klinikclowns Clown-Projekt Nürnberg e.V.", "Herzpflaster e.V.") unterstützen will, wende sich an: spalterschwede@gmx.de oder hopsigirls@gmx.de. Im Übrigen soll am 29. September, 19 Uhr, ein "Welcome back"-Konzert im Spalter Kulturbahnhof über die Bühne gehen. / www.superlative-adventures.com

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