Der Landkreis Roth ist ein Mekka fürs Geocaching

12.12.2020, 15:00 Uhr
Der Landkreis Roth ist ein Mekka fürs Geocaching

Irgendwo im Nirgendwo Nevadas räkelt sie sich als grauer, geheimnisvoller Endlosstreifen. Jene Straße, die das intergalaktische Interesse von Alien-Aposteln und UFO-Utopisten auf sich zieht, ist in eingeweihten Kreisen bestens bekannt: "E.T-Highway" heißt der Zubringer zur verschwörungstheoretisch umrankten Militärbasis "Area 51". Damit sind die 160 Kilometer Mythos und Muss für Außerirdischen-Gläubige. Und für Geocacher. Denn der Straßenrand sei gespickt mit kleinen Geheimnissen.

Christian Gallus raunt gleich mehrere solcher Geschichten ins Telefon. Keine Frage, der Mann kennt sich aus! Immerhin firmiert er seit zehn Jahren als Chefredakteur und Herausgeber des Geocaching-Magazins Deutschland. 18 000 Abonnenten hat die Fachzeitschrift, die sechsmal pro Jahr erscheint und sich einem Hobby widmet, das "immer aufs Neue für Überraschungen gut" sei...

Auf der Suche nach Abenteuern

Drum reist Christian Gallus durch die Lande. Stets auf der Suche nach dem Abenteuer – und pfiffig getarnten Caches. Vieles hätte ihn dabei schon verblüfft: zu raffinierten Rätsel-Tempeln transformierte Residenzen beispielsweise; technische Tollheiten und kühn kreierte Kunstwerke, um fiebrige Geocacher zu faszinieren; oder: sportliche "Steilvorlagen" für nach Finderglück Strebende...


Geocaching-Schnitzeljagd durch Spalt ist gestartet


Dass Gallus im Zuge all dessen auch auf den Landkreis Roth gestoßen ist, hat etwa 1200 verborgene Gründe. So viele Caches sollen sich angeblich auf den hiesigen 900 Quadratkilometern ducken. Damit rangiere man unter Bayerns TopTen.

Doch für Christian Gallus zählt "eher Klasse als Masse". Und dieses Kriterium würden sowohl der Rother Bernd Bachmann alias "Gubse" als auch die "Zwergiis", eine Tüftler-Familie aus Georgensgmünd, restlos erfüllen, versichert der Journalist. Man kann das demnächst übrigens schwarz auf bunt bei ihm nachlesen. Denn dem Landkreis Roth als kleinem Geocaching-Mekka widmet Gallus´ Hochglanz-Magazin in der Januar-/Februar-Ausgabe, die noch vor Weihnachten erscheinen soll, zwölf der 76 Seiten.

Der Landkreis Roth ist ein Mekka fürs Geocaching

Wer sich durchblättert, stößt auch auf sie: die "Zwergii-Allee". Um den Bogen zum E.T.-Highway zu schlagen, muss man nämlich gar nicht so weit fahren – von Roth aus etwa elf, zwölf Kilometer gen Südwesten, da beginnt das "Zwergii-Land". Chronisch infizierten Geocachern sollte der Name ein Begriff sein, weil er Programm ist: Dort, im Gmünder Gäu, haben es sich die "Zwergiis" zur Aufgabe gemacht, technisch ausgefuchste Caches im Bereich einer Straße zu installieren.

"Das ist Premium-Qualität und in Deutschland ziemlich einzigartig!", untermauert Bernd Bachmann, der genau weiß, wo die "Highend-Schmuckstücke" verortet wurden (auf geocaching.com erhalten Premium-Mitglieder die Standort-Koordinaten via App). Dabei gehe es bisweilen "gar nicht so sehr ums Finden, als vielmehr ums Öffnen" der ausgeklügelten Installationen, die in die Landschaft gestreut sind wie eine würzige Mischung für alle, die es nach dem Besonderen hungert.

Geocacher müssen leise sein

Viel mehr wird nicht verraten. Das gehört ebenso zum Ehrenkodex der Geocacher wie ein möglichst unauffälliges Verhalten bei deren Tun. Zumindest darf aber gesagt werden: Schreie im Wald und sich erhebende Logbücher sind typisch für den "Zwergii"-Style. Da staunt der Laie! Und nicht nur er. Selbst Christian Gallus sei von den "einmaligen Ideen" dieser bemerkenswerten Bastler "ziemlich angetan".

Bernd Bachmann nickt ebenfalls anerkennend. Den 53-jährigen Bankkaufmann aus Roth hat das Geocaching-Fieber vor sieben Jahren erstmals geschüttelt – und seither nicht mehr losgelassen. Warum? Weil man "in eine völlige Parallelwelt abtauchen" könne, weil "die Heimlichtuerei einfach Spaß" mache, weil man "draußen in der Natur" sei "allein oder mit anderen", weil dieses Hobby "das Kind im Manne" wecke, weil, weil, weil, weil... – Gründe kennt Bachmann schier unzählige.

Kombinieren und knobeln

Bislang prangen etwa 5400 Funde in seiner Statistik, für deren Aufstockung er mindestens einmal pro Woche das Haus verlässt. Mittlerweile hat Bachmann – der, wie erwähnt, auf der Geocaching-Plattform "Gubse" heißt – nicht nur am Suchen seinen Spaß, sondern auch am "Legen" der Schätze. Vor allem Rätsel-Caches ("Mysteries"), für deren Entschlüsselung es Kombinier- sowie Knobelkompetenz und manchmal auch einen "Telefonjoker" braucht, haben´s ihm angetan. Tipp: Schau´ nach am Historischen Eisenhammer und vergiss´ die Angel mit dem Teleskopgriff nicht!

Ja, ganze Geschichten, für die gleich mehrere Stationen zu knacken sind ("Multis"), bevor man den End-Cache ("Final") in Händen hält, hat Bernd Bachmann sich bereits ausgedacht. Beispiel: Wer willig dem kleinen Gespenst "Donalda" folgt, dessen Story in Kooperation mit Cacher-Kollegin "Schlotterhase" entstand, den treibt es ganz schön durchs Umland, bis dann zum Schluss... – "das is’ so was von genial! Wie kommt man da bloß drauf?", jubiliert Kenner Christian Gallus. Der Rest ist Schweigen.


Geocacher retten am Rothsee Muscheln


Für Bernd Bachmann hat das Geocachen aber noch eine andere Komponente mit sich gebracht, eine nachhaltig-engagierte: 2015 hob er mit Gleichgesinnten das "Eventteam Roth" aus der Taufe – "zwecks Erfahrungsaustausch". Das bedeutet in Nicht-Corona-Zeiten: monatlich abgehaltene Geocaching-Stammtische, zu denen regelmäßig etwa 60 Gäste aus dem Raum Roth-Schwabach-Nürnberg pilgern.

Und nicht nur das. "Weil wir unser Hobby ja überwiegend in freier Natur ausüben, liegt uns die Umwelt selbstverständlich am Herzen", lautete von Anfang an Bernd Bachmanns Credo, dem rasch Taten folgten: Ein- bis zweimal pro Jahr finden auf Initiative des "Eventteams Roth" Aktionen rund um die Themen Gewässerökologie, Landschaftspflege, Artenvielfalt oder Abfallbeseitigung statt.

Dazu würden Geocacher aus ganz Bayern mit anpacken, berichtet Bachmann stolz. So hätte man miteinander bereits das Ufer des Nürnberger Dutzendteichs neu bepflanzt, Bienenweiden in Schwabach angelegt, Fledermaus-Nistkästen in Allersberg installiert, den Rother Stadtpark von Müll und den Rothsee von der leidigen Dreikantmuschel befreit. Unter anderem.

Tourismus-Faktor inklusive

Klar, das bringe den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Punkte in ihrer Geocacher-Statistik, gibt Bachmann unumwunden zu. Zum einen. Zum anderen führten diese so genannten "CITO"-Veranstaltungen ("Cache In, Trash Out") jede Menge Spaß sowie ein "großes Wir-Gefühl" im Schlepptau.

Und dann sei da noch der Tourismus-Faktor: "Die Leute lernen unsere Gegend natürlich schätzen", unterstreicht Bachmann. Überhaupt dürfe der wirtschaftliche Effekt von Geocaching nicht unterschätzt werden, pflichtet ihm Christian Gallus bei.

Belebung für öde Innenstädte?

Als irgendwelche Strategen die Anzahl der Caches entlang des E.T.-Highways reduzieren wollten, sei ein empörter Aufschrei durch die Reihen der Gewerbetreibenden gegangen, erzählt er. Die Schätze blieben also liegen.

Auch hierzulande hat bereits so manche Region den Trend samt Potenzial für sich entdeckt und bietet "GeoTours" an.

Ob sich die Schatzsuche dereinst als probates Mittel gegen leere Innenstädte erweisen könnte? Wer weiß... – Aber Gubse und die Zwergiis hätten da sicher so ihre Ideen...

Keine Kommentare