Der Philosoph unter den Schriftstellern

12.11.2015, 16:42 Uhr
Der Philosoph unter den Schriftstellern

© Foto: Klier

Schwanstettens Bürgermeister Robert Pfann gab einen kurzen Abriss aus dem Leben der Schriftstellerin. Autodidaktisch hatte die Landwirtstochter ihre Fähigkeiten erworben. Nach dem Krieg war sie 1945 nach Leerstetten zurückgekehrt. In ihrem Buch „Ein deutsches Dorf in Bayern“ beschrieb sie am Beispiel Leerstettens die Auflösung ländlicher Strukturen in den 1960er und 1970er Jahren. Heuer wäre sie 90 Jahre alt geworden. Auf der Bühne in der Leerstettener Kulturscheune erinnerte ein großes Fotoportrait an sie.

In seiner Laudatio würdigte Dr. Reinhard Knodt den Preisträger Billy Wechsler. Literatur behandle er wie eine ganz besondere Sprache. Musik, Literatur, Fotografie und Lesungen gehören zu seinen Hauptbeschäftigungen. Er sei bescheiden, freundlich und genügsam, ganz nach dem Grundsatz: „Wer nichts gelten will, wird am meisten beachtet.“  Sehnsüchte würden in seinen Werken nur unvollkommen erfüllt, die stille Zeit zerrinne im Alltagslärm.

Morgen ist Schnee von gestern

In Wechslers jetzt preisgekröntem Manuskript mit dem Titel „Das Morgen ist der Schnee von gestern“, für das sich bereits ein Verlag interessiert, zieht eine geheimnisvolle Frau durch Abenberg. Ist sie Fee, Hexe, Nixe oder Femme fatale? Sie ist Auskunftsgeberin für die Fragen des Lebens. Sie könnte etwas von der seligen Stilla haben, aber auch Nonne oder Geliebte sein.

Bei der Ermittlung des Gewinners des Preises habe es ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegeben, betonte Knodt. Er nannte fünf Gründe für die Entscheidung: Wechslers Manuskript falle in seiner Struktur aus dem gängigen Rahmen. Es sei ungewöhnlich durch präzise Zeitangaben unterteilt. Realistisch in Abenberg beginnend, führe es bald in einen poetischen Raum voller Träume, Sehnsüchte und Gerüche. Weiterhin setze der Text das Mittel der Stille ein, die Sätze scheinen einzeln aus einem Raum zu kommen. Knappheit sei das große Stilmittel des Autors. Und schließlich trügen Wechslers Sätze den Stempel einer weit über sich selbst hinausweisenden philosophischen Qualität.

Billy Wechsler bedankte sich für die Ehrung mit den ihm eigenen Worten: „Den Preis will ma natürlich ham. Aber es hat halt nie klappt. Dann reicht ma nix ein, und dann kriegt man  ihn glei. Danke! Des war a gute Entscheidung!“

Die Pianistin Ruth Geiger-Tauberschmidt begleitete die Lesung mit stimmigen  eigenen Kompositionen. „Vor einigen Jahren in der Schule“, so begann Wechsler, „formten sich meine Lehrerinnen und Lehrer im Deutschunterricht eine Meinung, die nicht immer meine Meinung war.“ Von 4+, 4 und 5 war damals die Rede.

„Aber“, so fuhr Wechsler fort, „trotz Fehlerstellen im Text ist es möglich, zu erschaffen.“ „Überall ist nirgends, jetzt suche ich das Finden“, ist seine Devise. „Die Gefahr der Fantasie liegt bei ihrer Unschärfe, denn dadurch wird die erdachte Wirklichkeit zur überhöhten Perfektion.“

Zum Schreiben müssen bei ihm die Umstände passen, die Atmosphäre. In der Badewanne oder mitten in der Nacht würden ihm manchmal Gedanken einfallen. Mitunter brauche er drei Stunden für drei Sätze, aber oft gehe es auch viel schneller.

Auch in seinem Buch „Der Antennenmann“ müssten für den Protagonisten die Umstände passen. Er will eine Geschichte über Ablehnung schreiben. Deshalb fahre er in ein Dorf, wo er nicht hingehört und erfährt die Ablehnung am eigenen Leib. Die Atmosphäre passt also.

 In seiner Schrift „Wechsler, eine Abenberger Familie“ hat der frischgebackene Literaturpreisträger Ahnenforschung betrieben nach dem Motto: „Heimat bedeutet für mich Identität.“ Und Wechsler stellte fest: „Dieser Preis stiftet Identität für den ganzen Landkreis. Dass ich ein Teil dessen bin, erfüllt mich mit etwas Großem.“

 

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