Die Rechte der Beschäftigten müssen vertreten werden

1.5.2019, 07:00 Uhr
Die Rechte der Beschäftigten müssen vertreten werden

Herr Tänzer, wussten Sie eigentlich, dass der 1. Mai vor 100 Jahren zum ersten Mal ein reichsweiter Feiertag war?

Selbstverständlich. Angefangen hat es 1886 in Chicago, vier Männer wurden dabei erschossen – einer von ihnen hieß Spies (allerdings anders geschrieben als der langjährige Schwabacher IG Metall-Bevollmächtigte Franz Spieß, Anm. d. Red.). Gesetzlicher Feiertag wurde der 1. Mai erst unter den Nationalsozialisten. Die Räterepublik hat ihn 1919 aber einmalig zum nationalen Festtag ausgerufen.

Also kennen Sie sich bestens aus. Heute allerdings wird der 1. Mai eher als arbeitsfreier oder Wandertag genossen. Warum, glauben Sie, ist er nicht mehr als hart umkämpfter Tag der Arbeiterbewegung im Bewusstsein?

Ganz einfach, weil viele Menschen heute nicht mehr so ein Sozialverhalten haben wie früher. Schauen Sie, für mich war es selbstverständlich, dass ich in die Gewerkschaft eingetreten bin. Aber heute wird die Gewerkschaft eher als eine Versicherung betrachtet, weniger als Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Jeder kämpft heute für sich, und am 1. Mai will jeder individuell feiern oder seinen Maibaum aufstellen. Aber dass es der Tag der Arbeit ist, daran sollten wir uns schon erinnern: Dass wir heute 30 Tage Urlaub haben, dass es die 35- oder 40-Stunden-Woche gibt, dass wir nicht mehr 16 Stunden am Tag arbeiten müssen und dass es keine Kinderarbeit mehr gibt.

Wie wichtig ist denn der Tag heutzutage?

Genauso wichtig wie vor 100 Jahren. Heute halte ich ihn sogar für noch wichtiger wegen der vielen Spaltungen. Die Rechte der abhängig Beschäftigten müssen unbedingt vertreten werden.

Aber die Mitgliederzahlen in den Gewerkschaften sinken …

Nein, sie steigen sogar. Bei der IG Metall zum Beispiel. Allerdings auch wegen der Dienstleistungen der Gewerkschaften für ihre Mitglieder. Inzwischen werden aber auch die Mitgliederzahlen bei den Angestellten höher. Es ist gut, dass sie anfangen, sich besser zu organisieren.

Und was genau passiert am 1. Mai in Roth?

Die Veranstaltung in Roth ist eine von 13 in Mittelfranken: Um 15 Uhr geht es los mit einer Kundgebung auf dem Marktplatz, dazu werden Bürgermeister Ralph Edelhäußer und Landrat Herbert Eckstein erwartet. Hauptredner ist Johann Horn, der IG-Metall-Bezirksleiter Bayern. Und natürlich gibt es was zu essen und zu trinken.

Hans Tänzer, 64, ist seit 2016 Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes Roth-Schwabach. In die IG Metall ist er 1974 eingetreten, als er bei den Vereinigten Deutschen Metallwerken Nürnberg beschäftigt war, später bei der Firma Bergner in Schwabach. Seit Kurzem ist der Fürther im Ruhestand, den Vorsitz im DGB führt er weiter – ein reines Ehrenamt, wie er betont. Und: "Vom ehrenamtlichen Engagement lebt unsere Gesellschaft."

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