Die Salti und Schrauben klappen noch

29.12.2010, 23:00 Uhr
Die Salti und Schrauben klappen noch

© Ammer, oh

26 Jahre lang war sie auf keinen Sprungturm gestiegen, zu groß war die Enttäuschung und Verbitterung der damals 16 Jahre alten Steffi Hübner gewesen, dass sie nicht zu den Olympischen Spielen nach München fahren durfte. SED-Funktionäre hatten befürchtet, dass sich die mehrfache DDR-Jugendmeisterin zu entfernten Verwandten in Westdeutschland absetzen könnte und strichen sie kurz vor der Abreise aus dem Olmpia-Aufgebot.

Die Salti und Schrauben klappen noch

Zwei Jahre später schmiss das hoffnungsvolle Talent dann alles hin, doch vor zehn Jahren entdeckte die Wahl-Hilpoltsteinerin, die kurz vor der Wiedervereinigung mit ihrer Familie nach Westdeutschland ausgereist war, die Liebe zu ihrem Sport wieder. Unterstützt von ihrem Mann Steffen, den sie einst an der deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig kennengelernt hatte, fing Steffi Hübner wieder mit dem Training an und holte sich schon ein halbes Jahr später ihren ersten deutschen Meistertitel der Masters.

„Masters klingt viel besser als Senioren“, sagt die 54-jährige Wasserspringerin (das ist der offizielle Oberbegriff für das Kunstspringen vom Brett und das Turmspringen) und lacht. Mit Seniorensport hat ihr Wettkampfprogramm freilich nichts zu tun. Ob eineinhalbfacher Rückwärtssalto mit Schraube vom Dreimeterbrett oder Doppelsalto vom Einmeterbrett – die Schwierigkeitsgrade in den Masters-Altersklassen sind durchaus eindrucksvoll.

Und Steffi Hübner hat mittlerweile eine stattliche Medaillensammlung zusammengetragen. Allein zehn Europameistertitel in den verschiedenen Sprungsdisziplinen sind in den vergangenen Jahren zusammengekommen, und heuer krönte sie ihre zweite Karriere als Wasserspringerin mit dem Weltmeistertitel. Bei der WM im schwedischen Göteborg gewann sie die Goldmedaille im Springen vom Einmeterbrett und erfüllte sich damit einen langgehegten Traum.

„Ich wollte unbedingt Weltmeisterin werden und habe mich selbst unheimlich unter Druck gesetzt“, erzählt die gertenschlanke Leistungssportlerin, die jeden Tag Sport in irgendeiner Form – ob Joggen, Krafttraining, Schwimmen oder Gymnastik – betreibt und zusätzlich zu ihrem Job als Sportlehrerin am Hilpoltsteiner Gymnasium als Übungsleiterin für die VHS und im Fitnessstudio aktiv ist.

Für die WM 2010 trainierte Steffi Hübner deshalb so hart wie nie zuvor seit ihrem Comeback. Zweimal pro Woche feilte sie im Nürnberger Südbad an der perfekten Umsetzung ihrer Wettkampfsprünge und fuhr mit ihrem Mann und Trainer auch immer wieder nach München ins Hallenbad auf dem Olympiagelände, denn nur dort kann sie auch das Springen vom Turm unter professionellen Bedingungen trainieren.

Und das alles auf eigene Kosten. Wasserspringen ist eine Randsportart, und weder der Verband noch Hübners Verein, der Schwimmerbund Bayern 07 Nürnberg, haben das Geld, um die „Master“-Athletin zu unterstützen.

Fünf Medaillen

Die Erfolge in Göteborg waren der 54-Jährigen jedoch Lohn genug. Insgesamt fünf WM-Medaillen holte Steffi Hübner dort. Unter anderem wurde sie zusammen mit Gabriela Gyllas aus Köln Vizeweltmeisterin im Synchronspringen – eine Disziplin, die die Marquardsholzerin zum ersten Mal ausprobiert hatte.

Ursprünglich hatte Steffi Hübner mit dem Gedanken gespielt, nach dem Weltmeistertitel ihre zweite Karriere zu beenden, „aber jetzt habe ich eigentlich schon wieder Lust drauf“. 2012 findet die nächste Masters-WM in Italien statt, und dann könnte sie in der nächsthöheren Altersklasse durchaus wieder Chancen haben.

An der Unterstützung aus der Familie mangelt es nicht: Ihr Mann Steffen und ihre Töchter Sophie und Amelie, die beide mit Profi-Sportlern verheiratet sind, sind ihre größten Fans. Darüber hinaus wurde sie von der Geburt ihres mittlerweile eineinhalb Jahre alten Enkels Leon motiviert. Wer hat schon eine Großmutter, die einen eineinhalbfachen Delfinsalto vom Fünfmeterturm springt?