Ein eiskalter Liebling zum Dahinschmelzen. . .

16.3.2019, 06:00 Uhr
Ein eiskalter Liebling zum Dahinschmelzen. . .

© Foto: Tobias Tschapka

Es sei die Not gewesen, heißt’s, die Ende des 19. Jahrhunderts Bewegung ins Zoldotal brachte. Dort, am südöstlichen Rand der Dolomiten, wo man sich nicht nur das Ladinische, sondern auch Gletschereis auf der Zunge zergehen lässt, trieb die Armut einst große Teile der Bevölkerung hinaus in die Welt. Diese Pioniere, so geht die Geschichte, hätten schließlich eine Dynastie ins Leben gerührt – die der "Gelatieri", der Eismacher.

Stefania de Rocco nickt. Ja, es stimme: Zwei Drittel der rund 6000 Eisdielen in Deutschland würden von Italienern geführt, deren Wurzeln mit dem Val di Zoldo verwachsen sind, unweit des Wintersport-Dorados Cortina d’Ampezzo. Diesen geografischen Umstand führe ihr Eissalon ja auch im Namen. Als Hommage an die Heimat, die Berge...

Es war Stefanias Vater Arcangelo, der die traditionsreiche Rother Gelateria 1969 pachtete und ein Jahr später eröffnete. Somit hätte nicht nur das Spaghetti-Eis allen Anlass zu feiern, sondern auch der Familienbetrieb de Rocco, findet "Stefi", die "schon als kleines Kind ins Eisgeschäft reingewachsen" sei.

Wer die coole, rot-weiß gekringelte Spezialität überhaupt erfunden hat? "Ein Italiener natürlich!" Stefania de Rocco lacht, denn herausgedrückt habe Dario Fontanella seine Eiskarten-Revolution anno 1969 im baden-württembergischen Mannheim – mittels Kartoffelpresse.

Heute wäre vieles einfacher. Maschinen erledigen das, was früher via Muskelkraft bewerkstelligt werden musste.

Dennoch beginnt ein Arbeitstag für die Chefin des Eiscafés "Cortina" um 7 Uhr morgens. Gutes Eis wolle schließlich gut gerührt sein! Das gelte auch und vor allem fürs Vanilleeis, die Grundzutat des Spaghetti-Klassikers.

Stefania de Rocco erhebt sich, um kurz darauf mit zwei Tütchen zurückzukehren. Ihr Inhalt: Vanilleschoten. Dünne Bourbonstängelchen und die etwas dickere Tahiti-Vanille. Anderes käme ihr nicht in die Rührschüssel.

Dass künstliche Aromen wesentlich billiger seien, ist für Stefania de Rocco kein valides Argument: "Naturprodukte stehen an erster Stelle". Geschmacksverstärker, Bindemittel? Fehlanzeige! Die 41-Jährige halte an diesem immateriellen Familienerbe fest – komme, was wolle. Eismacher-Ehre!

Auch die sattrote Erdbeersoße über den reinweißen Eisnudeln entpuppt sich somit als puristische Angelegenheit: "Erdbeeren, Zucker – sonst nix"; drunter Sahne, drüber helle Schokostreusel – fertig sei ihr "meist verkaufter Becher der Saison."

Wie viele davon sie zwischen Ende Februar und Mitte Oktober über die Theke reiche? Stefania de Rocco stöhnt auf – "wirklich viele!" Und überhaupt gebe es mittlerweile ja etliche Varianten: "Mit Obst, Nüssen, Schokolade, Amarenakirschen..." Nein, im weiteren Sinne sei Spaghetti-Eis längst nicht mehr gleich Spaghetti-Eis.

Der Blick in die Kühltheke genügt, um zu verstehen: Über 20 verschiedene Sorten reihen sich dort nebeneinander, an die 50 werden’s im Verlauf der Saison werden. Darunter Trends wie Avocado-Eis, Schwärzwälderkirsch oder Sacher. Solche Impulse zum Dahinschmelzen bringe sie jährlich von der Eismesse in Longarone mit. Auch heuer sollen sich ihre Gäste noch die eine oder andere Überraschung schmecken lassen dürfen. Um Ideen sei sie nicht verlegen, erklärt Stefania de Rocco selbstbewusst.

Ob es ihr angesichts des Spaghetti-Eis-Jubiläums nicht in den Eismacher-Fingern jucke, selbst ein Novum zu entwickeln, das sich dereinst weltweit an Genießergaumen schmeichle? "Ideen...", meint sie verschwörerisch lächelnd, "Ideen hätte ich schon..."

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