«Eine einzige Katastrophe«

7.7.2008, 00:00 Uhr
«Eine einzige Katastrophe«

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HILPOLTSTEIN -«Es ist eine Sauerei, was hier im kirchlichen Teil des Friedhofs abläuft!«, sagt einer. «Das soll eine sanfte Sanierung sein?«, fragt ein anderer empört und zeigt auf mehrere Grabsteine. «Der Schaufelradbagger hat gewütet, Gräber geschändet und Grabsteine beschädigt. Man sieht deutlich den Gummiabrieb. So geht das einfach nicht! Das ist eine Pietätlosigkeit der übelsten Art und Weise! Wir wollen einen sofortigen Baustopp!«

Die Verbitterung ist den Menschen ins Gesicht geschrieben. Sie empfinden die «sanfte« Sanierung des kirchlichen Friedhofs, den der Kirchenbeirat beschlossen hat, als «Farce« und «massive Störung der Totenruhe«.

Zielscheibe der ungewöhnlich scharfen Kritik ist Josef Hueber von der Kirchenverwaltung, der sie - so die Demonstranten - «mehrfach belogen und mit einer unwahrscheinlichen Arroganz und Eiseskälte« behandelt habe. Viele der anwesenden Demonstranten sprechen von «Nötigung«. Weil den betroffenen Grabbesitzern der Kragen geplatzt ist, hat Peter Reinold zu einer vom Landratsamt genehmigten Demonstration aufgerufen.

Der Protestzug bewegt sich vom Friedhof zum Stadtweiher, weiter zum Marktplatz, über die Marktstraße und von der Christoph-Sturm-Straße bis zur Stadtpfarrkirche. An der Treppe neben dem Brunnen entzünden die unzufriedenen Bürger Grablichter und stellen diese am Brunnen - auf städtischem Boden, nicht auf kirchlichem - ab.

Danach diskutieren sie über das - ihrer Ansicht nach - falsche Vorgehen des Kirchenbeirats. «Wir haben nichts erfahren«, so Reinold erbost. «Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass über die Köpfe der Menschen hinweg gehandelt wurde! So kann man nicht mit uns umspringen!«

Mesner Josef Hofbeck erscheint und verteilt ein Blatt «Aktuelles aus der Pfarrgemeinde« an die Demonstranten. «Hier darf nicht gesungen werden!«, sagt er zu den Demonstranten. Doch zum Singen ist denen nicht zumute. Eher zum Weinen. «Das ist keine sanfte Sanierung, sondern eine brutale Sanierung«, sagt eine ältere Dame. «Es hat doch gepasst, es war ein wunderbar angelegter Friedhof. Nun müssen frisch angelegte und gepflegte Gräber dem Bagger weichen, das ist eine einzige Katastrophe!«

Auf der Rückseite des Blatts «Aktuelles aus der Pfarrgemeinde« hat Dekan Franz-Josef Gerner seine Sicht zur Friedhofssanierung dargelegt. Einer der Demonstranten liest die Stellungnahme des Dekans laut vor. Die Zuhörenden quittieren das Schreiben mit Verbitterung und Unverständnis. «Arroganter geht es nicht!«, sagt eine Frau kopfschüttelnd. «Das kann doch nicht die Meinung eines Pfarrers sein! Man hat vom Pfarrer nie was gehört, und jetzt regt er sich über uns so auf!«

«Vor drei Jahren fand durch die Kirchenverwaltung unter allen Nutzungsberechtigten des kirchlichen Friedhofs eine schriftliche Umfrage statt, ob der Friedhof saniert werden soll«, erklärt Reinold im Gespräch mit der Hilpoltsteiner Zeitung. Bei einer Informationsveranstaltung im Februar dieses Jahres habe Hueber, zum Ergebnis dieser Umfrage befragt, geantwortet, die Prozentzahlen seien unwichtig, da die Sanierung von der Kirchenverwaltung ohnehin schon beschlossen worden sei.

«De Facto war es eine sinnlose, überflüssige Umfrage«, kritisiert Reinold. «Im April dieses Jahres wurde das erste Streifenfundament erstellt, ungeachtet der Totenruhe wurde es durch bestehende Gräber betoniert. Die Angehörigen dieser Gräber waren hoffentlich benachrichtigt.« Besonders schlimm sei es, dass sterbliche Überreste einfach entsorgt wurden und dass manche Gräber aufgelöst oder bei Widerstand zwangsaufgelöst würden, ungeachtet dessen, ob ein Ehepartner dort begraben wird. So werde dem Ehrenbürger der Stadt Hilpoltstein, Robert Schmid, das Recht verwehrt, einmal neben seiner verstorbenen Frau bestattet zu werden. Auch das Grab des bekannten Hilpoltsteiner Kunstmalers Toni Rutschmann werde durch diese Sanierung zwangsaufgelöst.

Während Josef Hueber von einer Zweidrittelmehrheit für die Sanierung ausgeht, sprechen Reinold und die aufgebrachten Bürger davon, dass 90 Prozent der Sanierung ihre Zustimmung verweigert hätten. Reinold widerlegt Huebers Argumentation, die eine Sanierung unumgänglich mache. So behaupte Hueber, die Bestattungen seien äußerst schwierig und gefährlich, weil in diesem Friedhofsabschnitt Treibsand vorhanden sei. «Nach Rücksprache mit Bestattern und Grabsetzern gibt es hier keinen Treibsand«, stellt Reinold klar.

Weiter behaupte Hueber, der sogenannte Wackeltest, also das ruckartige Rütteln am Grabstein, um die Standsicherheit der Grabmale festzustellen, sei sehr schwierig und nicht mehr möglich. «Der Wackeltest ist laut Berufsgenossenschaft verboten«, betont Reinold. «Durch diesen Test können Fundamentdübel gelockert werden. Allerdings muss laut Berufsgenossenschaft ein Standsicherheitsprüfungsnachweis mit entsprechenden technischen Geräten durchgeführt werden.« Reinold wirft Josef Hueber vor, dass dieser den Standsicherheitsnachweis vernachlässige.

Als Drittes, so Reinold weiter, behaupte Hueber, die Berufsgenossenschaft erwirke, dass die Friedhofsanierung durchgeführt werden müsse. «Die zuständige Berufsgenossenschaft weiß aber nichts von einer Sanierung im Hilpoltsteiner Friedhof und hat diese auch nicht angeordnet«, kontert Reinold. «Die Berufsgenossenschaft verwehrt sich dagegen, mit diesem Projekt in Zusammenhang gebracht zu werden.«

Für die Sanierung eines Friedhofs hätte sich Reinold unkrautfreie und geebnete Wege oder eine Urnenmauer gewünscht. «Der Sinn dieser Sanierung ist ethisch nicht vertretbar. «Den Toten, wie Herr Hueber so schön sagt, ist es egal, ob sie ein paar Meter weiter liegen. Den Hinterbliebenen ist es nicht egal, wenn Gräber einfach gedreht werden und wenn man auf seinen verstorbenen Angehörigen umherläuft.«

Reinold: «Grabschändung und Ruhestörung der Toten ist ein strafbares Delikt, aber offenbar nicht, wenn dies von der Kirchenverwaltung und von der Kirchenstiftung gemacht wird« Die betroffenen Bürger nicken, sprechen von «Lügen« und dass über ihre Köpfe hinweg gehandelt worden sei. «Es wurde ein Grab abgeräumt, als ein Mann die Blumen gießen wollte«, ist zu hören. Menschen hätten weinend den Friedhof verlassen. Und: «Warum muss man im kirchlichen Friedhof alles ändern, was im städtischen Friedhof in Ordnung ist?«