Erzählfest auf der Burg Abenberg: Gruselfeeling und Romantik

26.9.2020, 09:58 Uhr
Erzählfest auf der Burg Abenberg: Gruselfeeling und Romantik

© Karlheinz Hiltl

Die gesamte Burg Abenberg bot mit ihren stimmungsvoll beleuchteten Türmen und Mauern eine imposante Bühne für besondere Geschichten. Museumsleiterin Kerstin Bienert begrüßte zum Auftakt des Parcours am Turnierplatz 150 Gäste – unter ihnen Bürgermeisterin Susanne König und Kuratoriumsvorsitzenden Karl Freller - zum Spazieren, Flanieren und Lauschen; begleitet von den Schauspielern des Stelzentheaters "Die Stelzer" aus Landsberg, die von weit oben mit riesigen Stelzen und Besen für den nötigen Abstand und mit ihrer hohen Kunst für fasziniertes Staunen sorgten.

15 Minuten pro Vortrag

Anlass war das zweite Erzählfestival, zu dem nach der erfolgreichen Premiere vor zwei Jahren wieder namhafte Erzählerinnen und Erzähler aus ganz Deutschland anreisten: Martin Ellrodt aus Fürth, Luise Gündel aus Bremen, Maria Carmela Marinelli aus Leipzig, Alexandra Eyrich aus Bamberg und Dirk Nowakowski aus Edingen bei Mannheim.

Ihre Aufgabe war es, passende Geschichten zu besonderen Winkeln der Burg zu entwickeln und diese vor Ort zu erzählen. In fünf Gruppen spazierten die Gäste von Ort zu Ort und lauschten den Erzählungen, die von den Türmen und Mauern herunter, am Turnierplatz oder auch am Eingang des Schottenturms ins Freie klangen.

Rund 15 Minuten dauerte ein Vortrag, bevor die Gruppen weiterzogen, so dass jeder Erzählende im Lauf des Abends fünf Mal seine individuelle Geschichte darbot. Für die Zuhörer fühlte sich der Spaziergang rund um die Burg an wie eine spannende Entdeckungsreise durch die faszinierende Welt der Geschichten.

Festivalleiter Martin Ellrodt hatte wieder hervorragend geeignete Künstler gewonnen und präsentierte einen abwechslungsreichen Mix an Darbietungen. Er selbst wählte den Turnierplatz als Schauplatz für seine Erzählung, die aus Sicht des achtjährigen Wolfram von Eschenbach dessen tiefe Enttäuschung über ein abgesagtes Turnier auf Burg Abenberg so eindrücklich schilderte, dass man sich selbst mitten im Turnier wähnte.

Liebe zum Küchenmädchen

"Willkommen am Komposthaufen" war der launige Gruß von Erzählerin Luise Gündel, die die Liebesgeschichte des Grafensohns zum Küchenmädchen mit heimlichen Treffen am Komposthaufen erzählte. Dabei erfuhren die Zuhörer die Bedeutung der Brennnessel als echtes Liebessymbol, nicht die Rose. Denn "wahre Liebe muss brennen!"

Italienisches Flair zauberte Maria Carmela Marinelli auf den Burgparkplatz, wenn auch die nächtlichen Temperaturen so gar nicht italienisch waren. Weit oben neben dem Otmarsturm sang sie zwischen den Zinnen "Dû bist mîn, ich bin dîn. Des solt dû gewis sîn. Dû bist beslozzen in mînem herzen, verloren ist das sluzzelîn: du muost ouch immêr darinne sîn." Marinelli erzählte die Geschichte zweier Liebenden, einer schrecklichen Verwechslung und eines heimlichen Rendezvous. Am Ende gab es zwei Leichen im Turm.

Beeindruckende Kostprobe

Mörderisch ging es auch bei der Geschichte von Alexandra Eyrich aus Bamberg zu. Sie verriet am Schottenturm das wahre Geheimnis des Lächelns der Mona Lisa und verband deren Schicksal mit Informationen zu den Burgbesitzern Laura und Anton Schott, die 1881 den markanten Turm mit dem Fachwerkgeschoss in Auftrag gaben.

Nah an den ortsbezogenen Geschichten blieb Dirk Nowakowski, der wie Ellrodt bereits zum zweiten Mal am Erzählfestival teilnahm. Ihm liegt seit der Beschäftigung mit Abenberg besonders die selige Stilla und die zu ihr überlieferten Legenden am Herzen. Was lag da als Erzählort näher als das Stillatürmchen, aus dessen Fenster er mit Blick zur Grablege in der Klosterkirche die Beerdigungsszene der Wohltäterin erzählte.

So schloss der Rundgang im Freien, bevor es im Stillasaal mit den Geschichten zur Guten Nacht weiterging. Alle Erzähler gaben beim Abschluss erneut eine beeindruckende Kostprobe ihres Könnens, wenn es darum geht, nur mit Sprache, Stimme und Ausdruck die Fantasie der Zuhörenden zu wecken. Spät nachts ging ein eindrucksvolles Erzählfestival zu Ende, und Museumsleiterin Kerstin Bienert versprach eine Wiederholung in zwei Jahren. Die ersten Geschichten wurden noch in der Nacht gesponnen.

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