Experiment in der Klinik: Frösche quaken, Vögel zwitschern

11.5.2019, 07:00 Uhr
Experiment in der Klinik: Frösche quaken, Vögel zwitschern

© Stefanie Graff

Die Forscher der Hochschule Ansbach wollen herausfinden, wie sich virtuelle akustische Naturerlebnisse im stationären Rahmen auf die Befindlichkeit von älteren Patienten auswirken. Die Kreisklinik hatte sich auf einen Aufruf der Hochschule auf der Suche nach klinischen Partnern beworben. Bei der interdisziplinären Studie arbeiten Forscher des Kompetenzzentrums Sound und Interaktion im Fachbereich Medien unter Professor Dr. Julius Pöpel und Studierende des Master-Studiengangs Medizintechnik unter Professor Dr. Roland Schnurpfeil zusammen. Die Studie ist eingebettet in ein internationales Forschungsprojekt namens "Listen(n)", an dem auch die Arizona State University und die Universidad de Chile beteiligt sind.

Virtuelles Naturerlebnis im Speiseraum

Im Speiseraum der Geriatrischen Reha hat das Forschungsteam seinen Klangerlebnisraum aufgestellt. Ein sechseckiger geschlossener Raum aus Projektionswänden, in dem 14 Lautsprecher für eine Rundum-Beschallung mit Naturgeräuschen sorgen. Den Klang eines Natur-Ortes haben die Forscher an der Vogelinsel am Altmühlsee mit speziellen Mehrkanalmikrofonen eingefangen und konserviert. Für die Probanden steht ein Stuhl in der Mitte des Aufbaus. Jeweils einer der Reha-Patienten, die sich freiwillig für dieses Experiment gemeldet haben, nimmt dort Platz und wird mit einem Biofeedback-Gerät verkabelt, das Herzaktivität, Atmung, Sauerstoffvolumen im Blut, Hautleitwert und -temperatur aufzeichnet.

Eine Viertelstunde bleiben die Probanden in dem abgedunkelten Raum, umgeben von einem Bildpanorama des Uferbereichs am Altmühlsee und lauschen auf die Naturgeräusche von allen Seiten. Vor und nach dem virtuellen "Klangbad" wird ein Befindlichkeits-Fragebogen ausgefüllt. Die Reaktionen von etwa 30 Patienten hofft das Team in den nächsten Tagen aufzeichnen zu können. Von der Auswertung versprechen sich die Forscher Hinweise darauf, ob und wie der Einsatz des virtuellen "Naturerlebnis auf Station" sich auf das Wohlbefinden der Patienten auswirkt. 

Hans-Peter Becker war einer der ersten Patienten, die am Donnerstag in den Naturerlebnisraum geführt wurden. Sehr interessiert hat er die Verkabelungs-Aktion über sich ergehen lassen und sich auf das eingelassen, was er zu sehen und zu hören bekam. "Es waren so viele verschiedene Geräusche und es tat gut, das einfach mal auf sich wirken zu lassen." In den nächsten beiden Wochen wird es auch eine mehrtägige Testphase geben, in deren Zuge der Klangraum für die Patienten, Pflegekräfte und Therapeuten offen zugänglich ist. Dabei möchte das Forschungsteam testen, ob sich die Menschen zu dem Raum und dem Klangerlebnis hingezogen fühlen, ob sie gerne oder öfter hineinkommen.

"Schöne Erinnerungen"

Stationsärztin Dr. Katja Reeg kann sich gut vorstellen, dass vertraute Naturgeräusche für Menschen, die vorübergehend oder auf Dauer nicht in die reale Natur gehen können, einen positiven Einfluss auf das Befinden haben können. "Viele Patienten berichten uns von schönen Erinnerungen an Erlebnisse in Gärten und in der Natur. Für sehr deprimierte Patienten könnte es auch ein Weg sein, neue Motivation zu schöpfen, um Natur noch einmal "in echt" zu erleben." Das Stationsteam werde sicher die Gelegenheit nützen, den Klangraum im Laufe der Studie auch für Gruppentherapien auszuprobieren.

Klinikvorstand Werner Rupp, der den Kontakt zur Ansbacher Hochschule hergestellt hat, erhofft sich aus der Studie Erkenntnisse, die zu praxistauglichen Anwendungen für therapeutische Verbesserungen führen können. Er sieht im Bereich Virtual Reality "ein großes Potential für den therapeutischen Bereich" und steht dieser Entwicklung aufgeschlossen gegenüber.

 

Keine Kommentare