Faszination im bunten Quadrat

22.2.2010, 00:00 Uhr
Faszination im bunten Quadrat

© Petra Bittner

Wenn der Postmann zweimal klingelt, ist Max Olschok bereits völlig aus dem Häuschen. Zumal es diesmal ja nichts anderes bedeuten kann als das: eine neue Ladung Zauber im Würfelformat. Für den Gymnasiasten ein Gefühl wie Weihnachten. Und deshalb glimmt auch gleich der zugehörige Augenglanz auf, da dem Bauch des kartonierten Päckchens ein Rubik’s Magic, ein Floppy Cube, der Megaminx und ein Selfmadeset samt Silikonspray entspringen.

Dieser Tage ist Zauberwürfel nämlich nicht gleich Zauberwürfel. Inzwischen gibt es den Klassiker in zahlreichen Varianten. Und zahllose Fans rund um den Erdball, die wieder mit dem Rubik-Fieber infiziert sind.

Gereizt und gefesselt

So wie Max Olschok. Für ihn fand die schicksalhafte Kubus-Begegnung im Sommer vergangenen Jahres statt: «Da hat ein Kumpel den alten Zauberwürfel von seinem Opa in die Schule mitgebracht«. Allerdings ohne eine Idee, wie man das kunterbunt verdrehte Ding in seinen Ursprungszustand zurückversetzen könnte. Eine Aufgabe, die den 14-jährigen Max erst reizte und schließlich fesselte. Er begann, nach Lösungswegen im Internet zu fahnden. Dabei stieß der Neuntklässer nicht nur auf systematisierte Algorithmen wie die Roux-, Fridrich oder Petrusmethode, sondern auch auf jede Menge Gleichgesinnte: Speedcuber.

«Speedcubing« ist der offizielle Begriff für das farbflächenhomogene Lösen eines verdrehten Zauberwürfels in möglichst kurzer Zeit. «Und gerade das macht den Reiz aus: dass man’s möglichst schnell können will«, umreißt Max die Faszination im Quadrat.

«Wettbewerb, ick hör’ dir trapsen...«, musste sich der blonde Junge damals schon gedacht haben. Denn ebenso rasch wie des kompakten Rätsels Lösungen waren auch Datum und Teilnahmemodalitäten der ersten Meisterschaft des Jahres in Aachen gegoogelt: Einer Vorqualifizierung bedurfte es nicht. Trotzdem hatten Cracks wie Weltrekordhalter Erik Akkersdijk aus den Niederlanden ihre Teilnahme zugesagt. Akkerdijks persönliche Bestzeit liegt bei gar erstaunlichen 7.08 Sekunden.

Und obschon Max Olschok ganze 32 Sekunden länger zum «Zaubern« braucht, wollte er sich den Wettbewerb keinesfalls entgehen lassen. Mutter Gabi nebst Bruder Michi waren schnell überzeugt, und so fand sich der selbstbewusste Schüler Mitte Januar mit Weltrekordler Akkersdijk am selben Zeitnahme-Board sitzen.

In fünf Wettbewerbskategorien trat der Heidecker an und platzierte sich bei Rubik’s Klassik-Puzzle auf Platz 99 (von 148 Teilnehmern), beim einhändigen Lösen des Cubes auf Platz 52, beim 5x5x5er Würfel auf Platz 56, beim 2x2x2er auf Platz 74 und beim Megaminx auf Platz 27. Doch viel wichtiger als all die Platzierungen sei ihm die Atmosphäre dieses außergewöhnlichen Events gewesen: «Wow!«, schwärmt Max Olschok auch im Nachhinein noch. Und dann erzählt er von einem «super netten und total offenen« Erik Akkersdijk, vom Typus des «lustigen und hilfsbereiten Cubers« im Allgemeinen oder vom spektakulären Weltrekord des Finnen Seppänen im 4x4x4er Blindlösen, den Max Olschok live am Nebentisch miterleben durfte.

Nur ein Würfel und ein Wille

Ein spezielles Völkchen? Nein, das seien die Speedcuber eigentlich nicht, sagt ein 14-Jähriger, der’s wissen muss. Aber für Max Olschok gehören zum Speedcubing ja auch ganz lapidar «nur ein Würfel, ein Wille, ein Computer, eine halbe Stunde Zeit – dann kann jeder Rubik’s Cube knacken«.

Und trotzdem: Das erfahrene Zugehörigkeitsgefühl zu dieser internationalen Cuberfamilie – vom indonesischen Kindergartenkind bis hin zum britischen Senior – hätte sich doch als unvergessliche Erinnerung in ihm verankert, meint der kesse Blondschopf. Darum sei für ihn glasklar: Bei den «German Nationals 2010« in Gütersloh will er auf jeden Fall mit von der Partie sein.

Bis dahin ist jetzt erst einmal Üben, Üben, Üben angesagt. Während der heißen Vorbereitungsphase durchaus drei bis vier Stunden pro Tag. Denn selbstverständlich hat den Schüler in Aachen auch der Ehrgeiz gepackt. So will er demnächst unter den Top 80 landen – mindestens.

Ob er in seinem Freundeskreis derzeit der flinkeste Speedcuber sei, lässt Max Olschok dahingestellt sein. Immerhin habe er sein ganzes Umfeld erfolgreich mit diesem Virus angesteckt. Aber, und da gewinnt wieder das Selbstbewusstsein die Oberhand: «Ich bin auf alle Fälle der multifunktionalste!«. Und so einer braucht ganz zweifelsfrei eine Fahrkarte - nämlich die nach Gütersloh.

Nähere Informationen zum Speedcubing unter http://cube.hackvalue.de/ao10/media-de