Gerd Berghofer: Geschichtsträchtiger Ort als Oase der Ruhe

14.8.2015, 18:44 Uhr
Gerd Berghofer: Geschichtsträchtiger Ort als Oase der Ruhe

© Foto: Scherbel

Ein paar Meter führt der gepflasterte Weg quer von der Straße Am Anger weg und bergan, dann weitet er sich zu einem kleinen Platz mit der Gedenkstele in der Mitte. Sie steht auf dem sechszackigen Davidstern, um sie herum gruppiert drei Sitzbänke, eingerahmt von Bäumen, Büschen und Hausmauern. Gerd Berghofer zeigt auf die Bank mit der schon stark geneigten Rückenlehne und setzt sich in den Schatten, den das Grün und die verwinkelten Häuser ringsherum spenden: „Hier ist mein Lieblingsplatz.“

Die Stille hier in Georgensgmünd, wo man „mitten im Ort ist, aber an einem lauschigen Platz,“ nur ein kleines Stück abseits der Straßen und Geschäfte, diese Stille genießt er besonders. Gerd Berghofer setzt sich hierher, wenn er vor einem Termin noch ein bisschen Zeit hat, wenn er auf dem Weg vom oder zum Rathaus ist oder wenn er zusammen mit seinen Kindern herkommt, weil das Eis aus der Eisdiele noch genüsslich geschleckt werden will.

Berghofer, Jahrgang 1967, der nach der Wirtschaftsschule in Schwabach eigentlich eine handwerkliche und eine kaufmännische Ausbildung gemacht, aber schon immer gern geschrieben und sich schon seit der siebten Klasse für Geschichte interessiert hat, führt längst die Berufsbezeichnung Publizist (der außerdem als Rezitator in ganz Deutschland gebucht wird). Zuerst waren es journalistische Texte, Gedichte und eine Erzählung, später kamen die Freitagsglossen dazu, da hatte er auch schon seine Stimme ausbilden lassen und fing an, Literatur zu rezitieren, nein, zu inszenieren.

Gleichzeitig faszinierte den gebürtigen Nürnberger, der „in eine alte Gmünder Familie eingeheiratet“ hat, die Geschichte seiner neuen Heimat. Und die Geschichte der Juden in diesem Ort. Denn in Georgensgmünd hatten sich seit dem 16. Jahrhundert die Juden angesiedelt, das Dorf lag direkt an zwei wichtigen Handelsstraßen. Die jüdische Gemeinde wuchs, man wohnte nachbarschaftlich mit den Christen nebeneinander, „teilweise im selben Haus“, hat Berghofer beim umfangreichen Quellenstudium ermittelt.

Was weder der 30-jährige Krieg mit Mehrfachzerstörung noch die Neuordnung von Land und Gemeinden nach den napoleonischen Kriegen oder die Flüchtlingswelle im 19. Jahrhundert schaffte, das schaffte die NS-Diktatur binnen weniger Jahre: 1938 galt Georgensgmünd als „judenfrei“, die Synagoge wurde an einen Bäcker verkauft, der sie als Lager nutzte.

Seit dem Jahr 2000 gibt es die Synagoge nun wieder: als Ort für Vorträge, Musik und Lesungen — meist mit jüdischem Bezug. Und Berghofer freut sich, dass sie zur Begegnung von Menschen genutzt wird. Sie wird, so sagt er, „mit Leben gefüllt“. Hier wurde auch sein Buch „Die Anderen“ vorgestellt und mit einer Ausstellung verbunden. „Das fränkische Georgensgmünd und seine Juden vor und während des Dritten Reiches“ erzählt vom Vertreiben der jüdischen Familien, die bis 1938 hier wohnten. Seitdem haben hier nie mehr Juden gelebt.

Direkt vor der Synagoge, neben dem Stein „Zum ewigen Gedenken“, wo der Autor gern auf der Bank mit der ausladenden Rückenlehne sitzt, kann er auch heute noch die alte Gemeindegeschichte spüren — „nicht vor 70 Jahren, sondern vor 200 und 300 Jahren“. Wo die verwinkelten alten Häuser über dem engen Platz thronen, gab es natürlich auch Ärger und Kabbeleien, innerhalb und außerhalb der Religionsgrenzen, „das normale Zusammenleben halt — das dann ganz plötzlich endete“.

Bei der jüngsten, abrupt beendeten Geschichte der Juden in Georgensgmünd will er es deshalb nicht belassen. Gerd Berghofer schreibt gerade am Vorgängerbuch zu „Die Anderen“, Arbeitstitel: „Die Anderen — wie alles begann.“

Wenn er dann zwischendurch hier auf dem Platz vor der Synagoge sitzt, kann er zwar nicht an dem Buch arbeiten, aber dafür die „Gedanken treiben lassen“ und etwas „von der alten Gemeinde spüren“, dafür ist sein Lieblingsplatz der allerbeste.

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