"Geschichte darf sich nicht wiederholen"

17.11.2019, 17:28 Uhr

© Foto: Yevheniya Frömter

Ob der Volkstrauertag heutzutage überhaupt noch nötig sei, fragte sich auf der Gedenkfeier auf dem Ehrenfriedhof in Roth Bürgermeister Ralph Edelhäußer. Beim Blick in die jüngste Vergangenheit der Bundesrepublik läge die Antwort auf der Hand: "Ja, wir brauchen solche Tage." Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft oder auch das jüngst begangene Attentat in Halle würden deutliche Gründe liefern. Edelhäußer mahnte: "Wir müssen uns daran erinnern, wie es damals angefangen hat – mit bösen Worten gegen andere." Es sei Aufgabe eines jeden Einzelnen, für die Demokratie einzustehen, sich zu einem freien und liberalen Land zu bekennen. Alleine schon deshalb sei der Volkstrauertag 2019 etwas Besonderes und weiterhin wichtig für die Zukunft."

"Ja, wir brauchen den Volkstrauertag", bekannte auch Vikarin Johanna Bogenreuther. Es sei von besonderer Bedeutung auch den Soldatinnen und Soldaten Respekt zu erweisen, die seit 1992 im Dienste der Bundeswehr ihr Leben verloren haben – immerhin 114 Menschen. Es sei jedoch ein Trugschluss, zu behaupten, aus den Weltkriegen nichts gelernt zu haben. Das Gegenteil sei der Fall: "Wir haben gelernt Verantwortung auszuüben und nicht mehr blinden Befehlen zu folgen." " Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier von der Bläsergruppe des Stadtorchesters und dem Männergesangsverein "Germania".

"Was macht Krieg mit uns?" Diese Frage stellte Gerd Berghofer sich, aber auch den Anwesenden bei der Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertags in der Rezatgemeinde Georgensgmünd. Aber macht es heute überhaupt noch Sinn, sich so etwas zu fragen? Wo doch – Gott sei Dank – seit Jahrzehnten Friede in unserem Land herrscht und die Zahl derer, die selbst unmittelbar von Krieg und Gewaltherrschaft betroffen waren, immer geringer wird, die meisten Deutschen das damit einhergehende Leid und die Not praktisch nur noch aus den Nachrichten, Büchern oder Erzählungen kennen.

Persönliches Schicksal

Trotzdem, so machte Berghofer mit einem sehr persönlichen Einblick deutlich, macht es Sinn, weil auch weit zurückliegende Kriege sich auf die nachfolgenden Generationen auswirken. Am Beispiel seiner Familie erklärte er, was er damit meint. Sein Großvater, der 1941 aus der Wehrmacht entlassen worden war, sollte als sogenannter Moorsoldat durch harte Arbeit wieder auf Linie gebracht werden und wurde anschließend zum Bewährungseinsatz zurück an die Front geschickt. Seit Mai 1944 gilt er als vermisst. Die letzten Erinnerungsstücke an ihn verbrannten infolge des verheerenden Luftangriffs auf Nürnberg Anfang 1945. Die Hinterbliebenen hatten so nur noch ihre vagen Erinnerungen oder spürten – wie der Enkel, der den Großvater nie gekannt hatte – lediglich "die hinterlassene Lücke". Dementsprechend beantwortete Berghofer seine zuvor gestellte Frage mit den Worten: "Jeder Krieg wirkt weiter über Erziehung, über Verhaltensmuster, über unterdrückte oder ausgelebte Gefühle oder eben unbeantwortet gebliebene Fragen."

Gleichzeitig appellierte er an die Anwesenden, sich ihrer "Mitverantwortung für die Zukunft" bewusst zu sein. Auch wenn sich Geschichte nicht wiederhole, "die Mechanismen bleiben dieselben." So habe Hitler die Macht eben nicht ergreifen müssen. Vielmehr sei seine Partei von den Deutschen gewählt worden. Diese Warnung gelte es zu hören – nicht zuletzt heute.

Neben dem Moderator teilten auch Vertreter verschiedener Generationen ihre Gedanken mit den Anwesenden. Nach den von Pfarrer Martin Kraus gesprochenen Fürbitten und einem gemeinsamen Vater unser spielte das Blasorchester Georgensgmünd, das zusammen mit dem Volkschor die Veranstaltung musikalisch umrahmte, zur Kranzniederlegung das Lied "Der gute Kamerad". Eine Abordnung der Krieger- und Reservistenkameradschaft führte zusammen mit Bürgermeister Ben Schwarz die Zeremonie durch.

© Foto: Tobias Tschapka

Nach einem Gottesdienst in der katholischen Kirche Hilpoltstein ging es in einem Trauermarsch zum Ehrenmal in den Stadtpark. Zwischen den Musikbeiträgen von Stadtkapelle und Gesangsverein fanden Ansprachen statt. Rektor Peter Benz stellte dabei den Artikel 1 des Deutschen Grundgesetzes in den Mittelpunkt. "Die Würde des Menschen ist unantastbar ist das kühnste Versprechen unserer Verfassung", betonte er. Die Bundesrepublik Deutschland sei damals als Antithese zum Nazistaat gegründet worden. Damit die Beweggründe von damals im Bewusstsein bleiben, müsse man schon in den Schulen den jungen Leuten Feindesliebe, Völkerverständigung und die bewusste Auseinandersetzung mit der Geschichte beibringen.

Auf Werte der Verfassung achten

Pfarrerin Verena Fries machte deutlich, dass sie Angst habe, wohin die Polarisierung unserer Gesellschaft noch hinführen könnte. "Es muss sich etwas ändern in unserem Zusammenleben", sagte sie, "denn die Werte unserer Verfassung sind nicht selbstverständlich, und wir sind alle aufgerufen, etwas zu tun, dass diese erhalten bleiben". Offenbar sei gerade ihre Generation dem Trugschluss erlegen, dass eben diese Werte wie Toleranz, Meinungsfreiheit oder Respekt anderen gegenüber nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit seien. "Wir müssen wieder lernen, einander zuzuhören und zu verstehen, und Freude an der Begegnung mit anderen zu haben".

Nach der offiziellen Kranzniederlegung machte Bürgermeister Markus Mahl darauf aufmerksam, dass man eine Lösung gefunden habe, die verwitterten Namen der Gefallenen beider Weltkriege auf den Gedenksteinen wieder lesbar zu machen. Man werde hinter den Original-Gedenksteinen ein weiteres Mal errichten, auf dem die Namen der gefallenen Söhne der Stadt noch einmal aufgeführt sind. Für die Namensliste der Toten des Ersten Weltkrieges sei das bereits geschehen, die für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs sei in Arbeit. Er danke unter anderem auch der Helmut-Reiter-Stiftung für die finanzielle Unterstützung für dieses Vorhaben.

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