Hartz-IV-Urteil wird auch im Landkreis Roth diskutiert

7.11.2019, 14:59 Uhr
Am Dienstag entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass Kürzungen bei Pflichtverletzungen von Hartz-IV-Empfängern verfassungswidrig waren. Die Linkspartei fordert sogar, Kürzungen komplett abzuschaffen.

© Andreas Gebert Am Dienstag entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass Kürzungen bei Pflichtverletzungen von Hartz-IV-Empfängern verfassungswidrig waren. Die Linkspartei fordert sogar, Kürzungen komplett abzuschaffen.

Fast 15 Jahre lang mussten Hartz-IV-Empfänger bei Pflichtverletzungen mit der Kürzung ihrer Hilfen rechnen. Etwa wenn sie Jobangebote abgelehnt haben oder nicht zu Terminen im Jobcenter erschienen sind. Im Extremfall betrug die Kürzung 100 Prozent. Am Dienstag entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass diese Praxis verfassungswidrig war. Um mehr als 30 Prozent dürfen die Gelder nicht mehr gekürzt werden. Welche Auswirkungen hat das im Landkreis Roth und wie sehen die lokalen Entscheider das Urteil?

Stefan Lohmüller, Geschäftsführer des Jobcenters Roth betont, dass "wir als Behörde das Urteil neutral und sachlich sehen". Eine Meinung zu dem Urteil gibt er deswegen nicht ab. Das Besondere daran sei jedoch, dass es sofortige Wirkung entfalte: Üblich sei, dass das Karlsruher Gericht dem Gesetzgeber einen bestimmten Zeitraum vorschreibt, in dem eine Regelung geändert werden muss. Das Hartz-IV-Urteil vom Dienstag müsse aber sofort umgesetzt werden, so Lohmüller.

Das stellt das Rother Jobcenter vor eine besondere Herausforderung: Es gibt keine Verwaltungsvorschriften, wie mit der neuen Situation umgegangen werden soll. Noch nicht. Um das Urteil einzuhalten, werden ab sofort keine Kürzungen des Hartz-IV-Satzes über 30 Prozent mehr verhängt, so Lohmüller. Aktuell betreffe das 25 von derzeit knapp 1350 Hartz-IV-Empfängern, die vom Jobcenter betreut werden. "Wir reden also über einen ganz kleinen Teil der Kunden", erklärt der Geschäftsführer.

Die Linkspartei im Landkreis Roth kritisiert, dass die Karlsruher Richter die ärgsten Auswüchse in der praktischen Umsetzung des Sozialgesetzbuches (SGB) II "zwar etwas korrigiert, aber nicht abgeschafft" haben. Denn die Kürzung des als Existenzminimum gedachten Geldes um bis zu 30 Prozent bleibt erlaubt. Sie bedauert, dass Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger nicht generell für unzulässig erklärt wurden.

Außerdem, so teilt Cornelius Vogt vom Rother Kreisvorstand der Linken mit, seien die Hartz-IV-Regelsätze ohnehin zu niedrig. Strafen würden dazu führen, dass die Motivation der Betroffenen zur Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Arbeitsbehörden sinke. Damit werde also das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich beabsichtigt sei.

Sven Erhardt von der Rother SPD begrüßt das Karlsruher Urteil. Und: "Im Vordergrund muss stehen, Anreize zu schaffen, um die Menschen wieder in Arbeit zu bringen." Es gebe einen Vorstoß der Jusos für den nächsten SPD-Parteitag (auf dem auch der Bundesvorstand neu gewählt werden soll) mit dem Inhalt, Hartz-IV-Kürzungen komplett abzuschaffen.

Sven Erhardt hält diesen Vorstoß der Jusos für richtig: "Ein Existenzminimum kann man nicht kürzen. Das hat etwas mit der Menschenwürde zu tun."

Die FDP im Landkreis Roth will das Urteil dafür nutzen, "um weitergehende Reformen an den rot-grünen Hartz-IV-Gesetzen anzugehen". Die FDP setzt sich dafür ein, dass verhängte Sanktionen wieder aufgehoben werden, wenn Betroffene versäumte Verpflichtungen nachgeholt haben. Wir haben auch bei den Sozialverbänden VdK, Caritas, Diakonie und AWO sowie bei den Parteien CSU, Freie Wähler, Bündnis90/Die Grünen und AfD angefragt – bis Redaktionsschluss ohne Antwort.

 

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