Hochbetrieb im neu gebauten Büchenbacher Mosthaus

21.9.2020, 16:47 Uhr
Hochbetrieb im neu gebauten Büchenbacher Mosthaus

© Foto: Stefanie Graff

  Mit Beginn der diesjährigen Mostsaison ist der Verein vom Quartier im ehemaligen Feuerwehrgerätehaus mitten im Hauptort ins Gewerbegebiet umgezogen. Neben der komplett erneuerten Mostanlage gibt es dort dringend benötigte Lagerflächen und einen großzügigen Vorplatz, auf dem die Obstlieferanten geordnet vorfahren, warten und laden können.

Beste Bedingungen

"Wir haben hier jetzt beste Arbeits- und Hygienebedingungen", freut sich der Vereinsvorsitzende Manfred Riedl. Er ist sehr stolz, dass die Ehrenamtlichen die Großinvestition gewagt haben, nachdem der Pachtvertrag für das alte Mosthaus abgelaufen ist. Allein 100 000 Euro hat die neue Mostanlage mit Presse, Zwischenspeicher, Gastherme und Abfüllanlage gekostet. Dazu musste das Grundstück erworben, Halle und Außenbereich gebaut werden.

Am Samstag früh um 8.20 Uhr rattert die Zerkleinerung schon lärmend vor sich hin. Die ersten Kunden haben soeben viele Pakete frisch gepressten Fruchtsafts aus eigener Ernte in den Kofferraum geschlichtet. Gleich fahren die nächsten Hobbygärtner vor. Ihr Saft soll in mitgebrachte Flaschen abgefüllt werden. Das ist mittlerweile die Ausnahme. Der meiste Saft verlässt "Bag-in-Box" das Haus: Wiederverschließbare Fünf- oder Zehn-Liter-Plastikschläuche, die in einen feststehenden Karton eingelegt werden.

Eine Viertelstunde nur 

Obst anliefern darf jeder, eine Anmeldung ist aber Pflicht. Mittlerweile ist es gar nicht mehr so einfach, einen freien Termin in der Kladde des Mosthauses zu finden. Bis in den Oktober hinein ist die Mosterei gut ausgebucht. Gerade mal eine gute Viertelstunde dauert es vom Zerkleinern des Obstes bis der erste Saft die Abfüllanlage erreicht hat. Jeder Kunde bekommt hier den Saft aus der eigenen Ernte.

Bis zum Ende der Mostsaison hat das Mosterei-Team des Obst-und Gartenbauvereins alle Hände voll zu tun. Von sieben Uhr früh bis in den frühen Abend hinein werden vor allem Äpfel, aber auch Birnen und Quitten angeliefert und sofort verarbeitet.

"Das muss dir schon Spaß machen", lacht Susanne Schmidt, die an diesem Tag zusammen mit ihrem Mann, dem Mostwart Roland Schmidt für einen reibungslosen Ablauf zuständig ist. Die beiden verbringen im Spätsommer einen Großteil ihrer Freizeit in der Mosterei, sind ein offensichtlich perfekt eingespieltes Team. Mit Handschuhen, Gummischürze und Gummistiefeln arbeiten sie fast ohne Pause Hand in Hand.

Mit Hitze und Druck

Die Lieferanten füllen die mitgebrachten Früchte selbst in die Anlage ein. Dort werden sie gewaschen, dann zerkleinert und zur Presse transportiert. Dort ist das Reich des Mostwarts. Roland Schmidt schlichtet mit routinierten Handgriffen quadratische Holzgitter, Filtertücher und das geschredderte Obst aufeinander.

Portionsweise lässt er die Früchte auf das Tuch fallen, streicht jeder Lage mit den Händen glatt und schlägt das Tuch sauber ein, bevor mithilfe eines Rahmens die nächste das nächste Holzgitter aufgesetzt wird. Dann drückt die Presse mit viel Druck den Saft heraus.

Über die Edelstahl-Sammelbehälter erreicht die Flüssigkeit die Heizung. Dort wird der frischgepresste Saft auf exakt 80 bis 84 Grad Celsius erhitzt. So wird er haltbar und verliert keine Vitamine. Die Temperatur hat Susanne Schmidt im Blick. Wenn alles passt, fließt der goldbraune Saft in die Abfüllanlage, die automatisch das Quantum für die Bags abmessen kann.

Susanne Schmidt wechselt die Beutel, verschließt sie und reicht sie an die Kunden weiter. Wenn jemand Flaschen mitbringt, muss Susanne Schmidt zum Messbecher greifen und die Flaschen per Hand befüllen. Derweil schüttelt ihr Mann Roland nach dem Pressvorgang die Feststoffe aus den Filtertüchern auf ein Transportband. Der Trester wird gesammelt und allabendlich von Jägern aus der Region abgeholt. Sie verwenden ihn zur Winterfütterung der Wildtiere. So werden alle Teile des Obstes restlos verwertet.

80 000 bis 100 000 Liter

Ein Zentner Äpfel ergibt je nach Sorte 32 bis 35 Liter Saft. 80 000 bis 100 000 Liter produziert der Verein in einer normalen Saison. Neben dem Ertrag aus den Gärten in einem Umkreis von fast 30 Kilometern verarbeiten die Vereinsmitglieder auch die Ernte von den über hundert Obstbäumen, die auf den drei vereinseigenen Streuobstwiesen stehen. Überwiegend alte Obstsorten, zu 90 Prozent Mostobst, baue der Verein selbst an, berichtet der Vorsitzende und schwärmt von der Vielfalt und Qualität, die dort gehegt und geerntet wird.

Derzeit hofft er auf eine frühe Frostnacht, die einer seiner Lieblingssorten, dem "rheinischen Bohnapfel" den letzten aromatischen Schliff geben würde.

Ansonsten empfiehlt er, dem Apfelsaft bis zu einem Drittel Birne unterzumischen. "Das gibt einen besonders schmackhaften Saft." Mit Sorge betrachtet er braune Flächen auf dem ein oder anderen ansonsten makellosen Apfel. "Sonnenbrand" sagt er, "das war heuer ein Problem".

Versteckte Lage

Ein anderes ist, wie er den wertvollen Saft aus eigener Produktion in diesem Jahr unter die Leute bringen soll. Es fehlen die Märkte und Feste, auf denen der Verein sonst mit Verkaufsständen präsent ist. Und der neue Standort im Industriegebiet hat den einzigen Nachteil, dass niemand dort auf dem Weg zum Bäcker vorbeikommt und dann eben gleich zwei Packungen Saft mitnimmt. Ein Einweihungsfest war wegen der Pandemie nicht möglich. Für nächstes Jahr aber ist ein großer "Tag der offenen Tür" geplant. "Wir hoffen, dass die Leute trotzdem den Weg zu uns finden und unser regionales Produkt aus unbehandeltem Obst zu würdigen wissen."

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