"Wenn er nicht mag, mag er halt nicht"

Kleine Diven: Die Pilzsaison 2021 im Raum Roth-Schwabach

23.10.2021, 15:04 Uhr
Potzpilz! Solche stattlichen Kerle waren heuer leider eher Ausnahmeerscheinungen im Landkreis Roth und rund um Schwabach. Doch Kreispilzberater Rudolf Rossmeissl bleibt da ganz gelassen, weil er weiß: Jedes Pilzjahr ist anders. In 2022 kann alles schon wieder ganz anders sein...

© Patrick Pleul/zb/dpa Potzpilz! Solche stattlichen Kerle waren heuer leider eher Ausnahmeerscheinungen im Landkreis Roth und rund um Schwabach. Doch Kreispilzberater Rudolf Rossmeissl bleibt da ganz gelassen, weil er weiß: Jedes Pilzjahr ist anders. In 2022 kann alles schon wieder ganz anders sein...

Herr Rossmeissl, lassen Sie uns zum Ende der Saison 2021 einen Versuch wagen: Nähern wir uns der „Psychologie des Pilzes“! Immerhin: Dieses Lebewesen hat Angst, gönnt sich auch mal einen Schönheitsschlaf und benimmt sich wie eine Diva, wenn ihm das Drumherum nicht passt...

Sie haben mit allem völlig Recht! Aber zuallererst muss ich – wie so oft - darauf pochen, dass der Fruchtkörper, den wir als „Pilz“ bezeichnen, ja gar nicht der Pilz ist!

Ich weiß, ich weiß: Pilz = Myzel

Jawoll, so geht die Rechnung auf: Das Fadengeflecht im Boden, das so genannte „Myzel“, ist der eigentliche Pilz! Es steht in enger Verbindung zu den Bäumen des Waldes, denn es beliefert sie mit Wasser und Mineralstoffen. Im Gegenzug geben die Bäume Zucker ans Myzel ab. Erst dann kann es nämlich diese Fruchtkörper ausbilden, die wir – fälschlicherweise, wenn man´s genau nimmt - „Pilze“ nennen.

Nun liegt ein nicht allzu warmer Sommer mit viel Regen hinter uns. Das dürfte Ihr Mykologenherz freuen ...

Ähm, bedingt. Ich habe heuer nur 70 Beratungen durchgeführt. Zum Vergleich: In guten Jahren sind es weit über 200! Und meine Pilzwanderungen für Interessierte musste ich mangels Anschauungsobjekten absagen. Um also ein vorläufiges Fazit zu ziehen: Die regionale Pilzsaison 2021 war mau – allerdings weiß keiner so recht, warum.

Sie haben sicher eine Vermutung.

Ich glaube, dass die Symbiose zwischen den Bäumen und dem Myzel nicht so geklappt hat, wie sie sollte. Der Pilz hat zwar etwas abgegeben, aber nichts zurückbekommen! Möglicherweise waren die Bäume durch die kurzen Hitzeperioden doch so geschwächt, dass sie den Zucker selber gebrauchen konnten. Aber da ist nichts belegt.

Und Anfang September wurde noch eine „Schwammerl-Schwemme“ prognostiziert...

Verständlich. Denn im Grunde haben die Voraussetzungen gepasst.

Klimawandel?

Hm, ich kann da bloß auf meine Aufzeichnungen verweisen, die ich seit 1978 führe: Solche Schwankungen kommen vor – schon immer! Denn wie Sie eingangs erwähnten: Pilze sind kleine Diven, die genehmigen sich auch mal Erholungsphasen. Nach einem guten Pilzjahr kann es durchaus sein, dass sich in der Folgesaison kaum Exemplare finden. So betrachtet, stehen die Chancen für 2022 gut …

Und was ist mit dem „Angsttrieb“, den der Pilz im Herbst angeblich so gerne aktiviert?

Den gibt es wirklich! Vor allem, wenn das Myzel wegen ungünstiger Wetterbedingungen vorher nicht zum Zug gekommen ist, reichen ihm herbstlicher Nebel und Morgentau unter Umständen aus, um Fruchtkörper zu produzieren. Dieser „Angsttrieb“ ist eine Selbsterhaltungstaktik, weil die Sporen, die in den Fruchtkörpern sitzen, zu Boden fallen und für Vermehrung sorgen. Da wäre nur ein Problem: Der Pilz weiß nicht, wann Herbst ist! Sind die Abende und Nächte im Juni mal kühler, kann er auch da schon anfangen zu keimen... In diesem Jahr scheint allerdings die Devise zu gelten: Wenn er nicht mag, mag er nicht!

Diesmal durften wir also nicht auf Quantität zählen. Wir wär´s in so einem Fall mit Qualität? Will sagen: In Ermangelung an Maronenröhrling, Birken- und Steinpilz könnte man doch auch mal was anderes versuchen – Schopftintlinge zum Beispiel?!

Im Prinzip ja. Doch da muss man sich schon auskennen! Greifen wir Ihr Beispiel auf: Der Schopftintling hat einen hübschen Doppelgänger, den Faltentintling. Aber der sorgt – vor allem in Verbindung mit Alkohol – ganz massiv für Durchfall und Erbrechen. Drum plädiere ich unbedingt dafür, wirklich nur die Arten zu sammeln, die man kennt! Und wenn man kaum welche kennt: Dann bitte nur „Röhrlinge“ mitnehmen – also die mit Schwamm! Keine Blätterpilze! Unter denen gibt es nämlich wirklich viele, viele giftige.

Erst neulich hatte ich den Fall, dass ein Fünfjähriger mit seinen Eltern im Wald war und munter an einem grünen Knollenblätterpilz geknabbert hat. Ich hab´ die Familie natürlich sofort ins Krankenhaus geschickt, wo ein ziemlicher Aufwand betrieben werden musste, um das Gift wieder aus dem Kind rauszuholen…

Jetzt gibt’s ja Apps!

Ehrlich gesagt: Davon halte ich wenig! Man fotografiert den Pilz mit dem Handy und soll in wenigen Sekunden alles über ihn wissen?! Wir haben das mal bei der NHG getestet: Es hat mehrere Versuche gebraucht, bis ein hochgiftiger Pilz auch wirklich als solcher identifiziert war - nicht ganz ungefährlich...

Sind Pilze eigentlich standorttreu?

In der Regel schon. Falls Sie eine gute Steinpilzstelle entdeckt haben, sollten Sie dort immer wieder welche finden. Aber nochmal: Pilze machen auch Pausen – und die können unter Umständen mehrere Jahre dauern...

Eine schöne Ausbeute an Maronenröhrlingen brachte trotz des eher schlechten Pilzjahrs eine Sammlerin aus Unterheckenhofen zu Rudolf Rossmeissl. Beim zweiten Anlauf war sogar eine stattliche Krause Glucke (rechts) dabei.

Eine schöne Ausbeute an Maronenröhrlingen brachte trotz des eher schlechten Pilzjahrs eine Sammlerin aus Unterheckenhofen zu Rudolf Rossmeissl. Beim zweiten Anlauf war sogar eine stattliche Krause Glucke (rechts) dabei. © Tugba Kohrt

Wie erschließt man sich denn geeignete Stellen? Mit topografischen Karten und meteorologischem Knowhow?

Ach Quatsch! Gehen Sie in den Wald, schauen Sie sich ausgiebig um und meiden Sie verkrautetes Gelände – da wachsen keine Pilze. So einfach geht´s!

Was ist übrigens mit dem Corona-Effekt? Manche meinen festgestellt zu haben, dass es während der vergangenen zwei Jahre mehr Leute in den Forst trieb, um der Isolation zu entfliehen? Sind die Wälder vielleicht deshalb so leer, weil Sammler statt Pilze aus dem Boden geschossen sind?

Das kann ich so nicht unterschreiben. Dann hätten sich doch viel mehr Menschen an die Pilzberatung gewandt!

Sie sprechen in der Vergangenheitsform. Also ist es für heuer vorbei?

Hab´ ich schon gedacht, ja. Wir hatten nachts schon die ersten Minusgrade! Doch dann ist vor kurzem eine junge Frau aus Unterheckenhofen zu mir gekommen - mit einer recht schönen Ausbeute an Maronenröhrlingen. Und sehen Sie, das ist das Schöne: Der Wald hält immer Überraschungen parat!

Der gebürtige Rother Rudolf Rossmeissl, Jahrgang 1947, ist bereits seit seiner Kindheit "Feuer und Flamme für Pilze".

Der gebürtige Rother Rudolf Rossmeissl, Jahrgang 1947, ist bereits seit seiner Kindheit "Feuer und Flamme für Pilze". © Lidia Piechulek

Der gebürtige Rother Rudolf Rossmeissl, Jahrgang 1947, ist bereits seit seiner Kindheit „Feuer und Flamme für Pilze“, wie er gesteht. Kein Wunder also, wenn sich der ehemalige Landkreis-Kämmerer neuerdings „dreifacher Pilzberater“ nennen darf: Seit 1978 berät er für die Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg (NHG) als zertifizierter Mykologe, seit 1981 (Jubiläum!) ist er als ehrenamtlicher Pilzberater des Landkreises Roth tätig und seit diesem Jahr firmiert er auch als Mitglied der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft.

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