Mehr Licht ins Dunkel in der Woche des Sehens

7.10.2014, 18:26 Uhr
Mehr Licht ins Dunkel in der Woche des Sehens

© Foto: Bittner

ROTH – Evi Lang weiß, wie sich Leere anfühlt. Es gab Zeiten im Leben der Hilpoltsteinerin, „da hätte ich mir am liebsten einen Strick genommen...“. Knapp 40 war sie, als ihr ein Krankenhausarzt sinngemäß beschied: „Sie können jetzt nach Hause gehen und warten, bis Sie erblinden!“

Usher-Syndrom lautete die niederschmetternde Diagnose. Das hieß: Zur Hörbehinderung der 56-Jährigen hatte sich ein unaufhaltsam fortschreitendes Seh-Handicap gesellt.

Aber Evi Lang rappelte sich wieder auf — obwohl sie selbst eine Verschlimmerung ihres Zustands feststellte: „Ich hab´ versehentlich Leute angerempelt oder Sachen nicht mehr gefunden, die mir auf den Boden gefallen waren“. Darum sei ihr zwischenzeitlich auch das Arbeiten als Stationshilfe im Auhof untersagt worden. Zu riskant, hieß es. „Da bin ich heim und hab´ geheult...“

Doch Evi Lang schätzt sich „trotzdem glücklich“: Sie weiß einen einfühlsamen Lebenspartner an ihrer Seite. Außerdem ist sie treues Mitglied des „Blinden- und Sehbehindertenstammtisches Roth“. Einem Zusammenschluss, der mit Rat, Tat, Freundschaft und viel Seelenbalsam zur Seite steht, wie dessen Sprecherin Elfriede Meyer bekräftigt.

Selbst seit Geburt blind, hat es sich die 58-jährige Rotherin zur Aufgabe gemacht, für Blinde und Sehbehinderte im Landkreis eine Anlaufstelle zu sein. Nicht nur beim regelmäßigen Stammtisch.

Elfriede Meyer ist seit 22 Jahren aktiv als hiesige „Blinden- und Sehbehindertenberaterin“. Sie fungiert als Mittlerin zum Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) oder stellt Kontakte her: zum Integrationsfachdienst etwa (wenn`s um berufliche Perspektiven geht), zur Rehabilitationshilfe (wenn die Bewältigung des Alltags schwer fällt), zur Landeshilfsmittelzentrale (wenn Spezialausstattung vonnöten ist), zum ambulanten Dienst des BBSB und zur Bürgerengagementstelle „für einander“ (wenn Begleitpersonen gefragt sind) sowie zum Rother Inklusionsnetzwerk (wenn Barrierefreiheit zum Thema wird).

Dazu bietet sie auch Hausbesuche an. Landkreisweit. Das Alter ihrer Klientel spiele dabei keine Rolle. „Ich berate von der Geburt bis ins hohe Alter“.

Aktionen können sensibilisieren

Aktionen wie die „Woche des Sehens“ findet Meyer ebenso richtig wie wichtig – um darauf hinzuweisen, dass sich im Hinblick auf „Lebensperspektiven bei Sehverlust wirklich viel getan“ habe. Die Schicksale freilich, die blieben. Doch auch da könne so eine Aktionswoche „sensibilisieren und Verständnis wecken“.

Heinz Körner (Name v. d. Red. geändert) hört das gerne. Denn als bei ihm vor knapp drei Jahrzehnten eine „Retinitis pigmentosa“ und damit ein fortschreitender Gesichtsfeldausfall diagnostiziert wurde, sei das gewesen, „als wenn dich der Schlag trifft“. Nach wechselnden Phasen von verzweifeltem Aktionismus und tiefer Resignation fühlt sich der heute 71-Jährige bestärkt – von Familie, Freunden, Gleichgesinnten. Den Blinden- und Sehbehindertenstammtisch besucht der mittlerweile völlig erblindete Rother aus Überzeugung.

Genau wie Utta Altmann. Der 62-Jährigen ist kaum anzusehen, dass sie nur noch ein Sehvermögen von 30 Prozent hat. „Solange ich die Gegebenheiten um mich herum kenne, läuft alles prima. Aber wenn ich die Orientierung verliere, denken die Leute, ich bin besoffen!“ Darum rät sie: „Nicht bloß wundern, sondern lieber nachfragen, ob man Hilfe braucht!“

Evi Lang geht es da ganz ähnlich. Zwar sei manches einfacher, wenn man den kleinen gelben Button mit den drei schwarzen Punkten trage, aber man hätte sie auch schon gefragt, ob´s wohl das neue Hilpoltsteiner Burgfestabzeichen sei...

Für Elfriede Meyer ein deutliches Symptom, nicht in ihrem Bemühen nachzulassen: „Unermüdliche Aufklärung ist das A und O“, untermauert sie. Nur so würden Gastronomen beispielsweise erfahren, dass die Unfallgefahr bei Glastüren und Stufen mit ein paar einfachen Markierungen minimiert werden kann. Nur so würden Geschäftsleute darauf aufmerksam gemacht, dass Stühle, Tische oder Aufsteller, die raumgreifend auf dem Gehweg platziert seien, zu unnötigen Stolperfallen würden...

Ja, auch deshalb engagiere man sich. Und nicht zuletzt der Geselligkeit wegen. Wenn die Aktionswoche am 15. Oktober nämlich mit dem „Tag des weißen Stockes“ ausklingt, steht seitens des „Blinden- und Sehbehindertenstammtisches“ wieder eine gemeinsame Fahrt auf dem Programm, die diesmal von Roth nach Hilpoltstein führt.

Dann werden übrigens alle Ausflügler das kleine gelbe Zeichen mit den schwarzen Punkten tragen — ein Siegel mit der Botschaft: „Wir gehören dazu!“

Nähere Auskünfte bei Elfriede Meyer, Telefon (0 91 71) 55 51 oder 81 12 26.

Keine Kommentare