Mit dem Beil in der Hand den Eltern gedroht

28.1.2020, 12:57 Uhr

Dass es trotz einer offenen Bewährung des jungen Mannes – er wurde im Juli 2018 wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung vom Amtsgericht Dortmund zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt – zu dem milden Urteil kam, lag vor allem an den besonderen Umständen, unter denen er aufwuchs und in den zurückliegenden Jahren lebte: Als ADHS-Kind war er schon in der Schule auffällig; er hat Jugendpsychiatrie und Heimaufenthalte hinter sich. Er war später oft arbeits- und obdachlos, lernte nie einen Beruf. In der Familie waren verbale und körperliche Verletzungen nichts Ungewöhnliches.

Drei Tage Streit

So auch im Sommer 2019, als er nach seinem "Ausflug" nach Nordrhein-Westfalen und der erwähnten Verurteilung in Dortmund an den Wohnort der Eltern zurückkam. Als "Aufnahmesituation mit Rücknahmegarantie", bezeichnete die Vorsitzende des Schöffengerichtes, Richterin Andrea Martin, dies.

Matthias T. bezeichnet die Auseinandersetzung mit seinen Eltern als "an der Tagesordnung und normal". Für 500 Euro hatte er seiner Mutter ein Auto finanziert, damit diese zu einer neuen Arbeitsstelle fahren konnte. Und so erwartete er, dass man ihm auch mal Tabak kauft. Drei Tage lang zog sich der Streit hin, bis der 25-Jährige ausrastete. Zuerst drohte er dem Vater, seine Geschwister vor dessen Augen mit einem Messer zu töten; dann untermauerte er seine Forderung nach Tabak vom Balkon der elterlichen Wohnung aus mit einem Beil in der Hand.

Nie habe er daran gedacht, dass die Eltern die Drohungen ernst nehmen, sagte der junge Mann vor Gericht. Das sei ja der übliche Umgangston gewesen. Dass er einsichtig sei und sein Leben geändert habe, sollte nach dem Willen von Pflichtverteidiger Roger Bitsch ein Mitglied einer freikirchlichen Gemeinschaft bestätigen. Der Zeuge sagte aus, dass seine Gemeinde dem 25-Jährigen Obdach gewährt habe und ihn seelsorgerisch begleite – und dass Matthias T. seit fünf Monaten arbeite und sich immer mehr stabilisiere.

Keine leichte Entscheidung

Staatsanwalt Philip Pasch arbeitete sein Plädoyer an den Fakten ab: Er forderte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung. Anwalt Bitsch erinnerte an den Leidensweg seines Mandanten und stellte heraus, dass Matthias T. in seiner Herkunftsfamilie nie Liebe und Geborgenheit leben durfte. "Sein Leben war von Gewalt und Drohungen geprägt." Liebe und Geborgenheit erfahre der 25-Jährige erst jetzt in seinem neuen Freundeskreis. Der Verteidiger bemängelte zudem, dass dem jungen Mann nach dem Urteil in Dortmund eine Bewährungshilfe versagt geblieben sei. Die Akten seien viel zu spät nach Bayern übermittelt worden. So war Bitsch überzeugt, dass ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung genug Bestrafung seien.

Das Schöffengericht folgte diesen Ausführungen. Die Vorsitzende Richterin räumte ein, "dass uns [dem Schöffengericht] die Entscheidung nicht leicht gefallen ist." Man werde aber genau beobachten, wie es mit Matthias T. weitergehe. Und sollte der 25-Jährige gegen irgendeine Bewährungsauflage (unter anderem der monatliche und über zwei Jahre andauernde Besuch der Nürnberger Gewaltberatung) verstoßen, werde man ihn sofort wegsperren.

"Das alles ist passiert wegen nix, wegen Tabak", sagte die Richterin – ließ aber nicht unberücksichtigt, dass der Beschuldigte nach seiner Verurteilung in Dortmund tatsächlich ohne Bewährungshilfe geblieben war.