Muskelpakete mit Unterhaltungswert

13.5.2008, 00:00 Uhr
Muskelpakete mit Unterhaltungswert

© Tobias Tschapka

Bei den ersten beiden Auflagen wurde in der Rother SC-Halle gekämpft. Und das kam so gut an, dass die Organisatoren sich diesmal entschieden hatten, in die wesentlich größere Anton-Seitz-Sporthalle zu wechseln. Vielleicht war das ein bisschen voreilig, denn ein gutes Drittel der Plätze blieb leer, und so kochte diesmal die Stimmung nicht ganz so hoch wie in den vergangenen Jahren. Vielleicht war auch das Pfingstwochenende mit seinem sommerlichen Wetter als Veranstaltungstag nicht optimal gewählt, denn schließlich hatten an diesem Abend auch viele Grillpartys Hochkonjunktur.

Wie auch immer - die internationalen Wrestlingsstars, darunter auch «Absolute Andy« aus Hilpoltstein (wir berichteten) waren trotzdem heiß drauf, ihre Gegner aufs Kreuz zu legen. Im dichten Trockeneisnebel und zu harten Heavy-Metal Klängen betraten sie die «Fight-Zone«, die sich übrigens nicht nur auf den Ring beschränken sollte.

Bernd Föhr aus Speyer konnte einem schon leid tun. Er bekam es gleich beim ersten Kampf mit dem stiernackigen «Bad Bones« zu tun. 70 Kilo gegen 110! Es war abzusehen, dass ihm das nicht bekommt. Nach kurzem, einseitigem Kampf band Bones den im Vergleich zu ihm schmalbrüstigen Athleten mit Kabelbindern an den Seilen fest, wo er benommen von den Ringrichtern befreit werden musste.

Natürlich darf man annehmen, dass die Zwei sich schon vorab in der Garderobe geeinigt hatten, wer die Kämpfe gewinnt (und mit welchen Hilfsmitteln). Aber dem Publikum war das egal. Es feuerte ihre Lieblinge an und buhte die Fieslinge aus. So ist das beim Wrestling: Eine Mischung aus jeder Menge Show, Emotion, Freude, Spannung, Angst, Mitgefühl und verdammt viel Drama liegt immer in der von Scheinwerfern schnell erhitzten Luft.

So auch beim nächsten Kampf, dem so genannten «Tag Team Match«. Der Libanese Ahmed Chaer stieg zusammen mit «Crazy Sexy Mike« gegen dem «Mexikaner mit der Maske« alias «José Lopez« und dem Schweizer Marc Roudin in den Ring. Dabei wurde es hin und wieder auch mal sehr unübersichtlich.

Wer verprügelte nun eigentlich wen? Bei bis zu fünf Leuten im Ring (einschließlich des Ringrichters) konnte man sich da nicht immer sicher sein. Eigentlich dürfen sich ja immer nur zwei Kämpfer im Ring aufhalten, aber sobald der Ringrichter mal weg sah, droschen schon mal fröhlich zwei auf einen ein, bis der sich entweder aus dem Ring flüchten konnte, oder nach einer schier endlos langen Zeit doch die Aufmerksamkeit des Ringrichters mit viel Geschrei auf sich ziehen konnte.

Schon bald darauf stand schon wieder ein Schweizer im Ring: «Are$« hieß der glanzköpfige, mit Krawatte ganz auf Banker getrimmte Wrestler, zu dessen liebsten Techniken der «Toblerone Drive« gehörte. Er musste gegen den Engländer Doug Williams antreten, der sich mit breitem Grinsen schon vor dem Kampf von seinen Fans feiern ließ. Wie immer wurde dann sowohl im als auch außerhalb des Ringes gekämpft, und «Are$« bekam es gar nicht gut, mit Krawatte im Ring erschienen zu sein, denn an eben der wurde er von Williams immer wieder gepackt, gewürgt und durch die Gegend gezogen, sehr zum Jubel der vielen «Are$«-Gegner im Publikum.

Dafür revangierte Are$ sich mit einigen kräftigen Hieben mit seiner Aktentasche, die er am Ringrichter vorbei in den Ring geschmuggelt hatte.

«Absolute Andy« hatte kein leichtes Spiel mit seinem Herausforderer «Sam Slam«. In Sachen Größe und Körperbau stand ihm der Engländer in nichts nach, und so entwickelte sich ein zähes Ringen, bei dem er oft in Bedrängnis geriet, aber letztendlich hatte «Sam Slam« Andys Lieblingstechniken, der «A-Klasse« und natürlich dem gefürchteten «Absolute Ellbox« nichts entgegenzusetzen. Cool und als sei absolut nichts gewesen, nahm der alte und neue «Dragonheart Champion« seinen Gürtel wieder im Empfang und verschwand unter dem Jubel seiner zahlreichen Fans in den Katakomben.

Aber schon bald tauchte der im wirklichen Leben sehr umgängliche «Absolute Andy« im Publikum auf, gab bereitwillig Autogramme und ließ sich auf die breiten Schultern klopfen.

Das Publikum hatte seinen Spaß. Zum Beispiel mit dem langmähnige Steve Douglas, den sie laut mit dem Lied: «Du hast die Haare schön« begrüßten, was dem natürlich gar nicht gefiel. Oder auch mit dem schwergewichtigen Match «Orlando Jordan« (117 Kilo) gegen «Joe E. Legend« (121 Kilo). Bei den beiden schien nicht nur der Ring, sondern die ganze Halle zu beben, wenn sie sich gegenseitig aufs Kreuz legten. Vier Stunden lang ging es so. Es wurde getreten, geschrieen, geworfen, geschlagen und viel Schweiß, jedoch kein Blut vergossen. Denn eigentlich ist ja alles nur Spaß, beziehungweise gut gemachte Show.

Zumindest bei den Kämpfern. Ganz anders jedoch bei den Veranstaltern. Unter denen scheint es nach dem Abend ordentlich Ärger gegeben zu haben. Jedenfalls stand gestern auf der Homepage der German Wrestling Promotion, dass sich das GWP-Office «aufgrund persönlicher Differenzen« getrennt habe, und der für den 18.Oktober ebenfalls in Roth geplante «Day of Decisions«, «ersatzlos gestrichen« sei.

Schirmherr Bürgermeister Richard Erdmann, hatte bei seinem Grußwort im Ring am Anfang des spannenden und kurzweiligen Spektakels davon gesprochen, dass «er sich wünschen würde, dass sich in Roth neben dem Triathlon auch der Wrestlingsport etablieren würde.« Nach den Veröffentlichungen des Veranstalters ist das aber zweifelhaft.T. TSCHAPKA