Nach 17 Stunden reichte auch Vollgas nicht mehr

1.9.2016, 15:26 Uhr
Nach 17 Stunden reichte auch Vollgas nicht mehr

© Foto: privat

Frau Schall, wie geht es Ihnen heute, einige Tage später?

Mirjam Schall: Mir geht es soweit eigentlich richtig gut, auch vom Kreislauf her. (lacht) Ich war heute sogar schon wieder schwimmen.

Hand aufs Herz: Wie enttäuscht sind Sie, dass es nicht geklappt hat?

Schall: Klar stinkt es mir gewaltig. Natürlich hätte ich gerne einen Erfolg mit nach Hause gebracht. Vor allem, weil es dann sogar zwei Weltrekorde gewesen wären: Ich wäre nicht nur die erste Frau, sondern auch noch schneller als der bislang einzige Mann gewesen.

Zunächst sah es ja auch durchaus danach aus, als würde alles nach Plan zu laufen.

Schall: Ja. Die Bedingungen waren anfangs ganz gut. Das Wetter war top, die Ostsee mit 18 Grad Celsius angenehm warm, ich hab nicht gefroren. Nach dem Start auf Fehmarn am Samstagmorgen, um fünf Uhr ging es zuerst gut voran. Doch auf den letzten zehn Kilometern bis Rötby hatte ich immer wieder mit heftigen Gegenströmungen zu kämpfen. Das kostete richtig Kraft. Darum hab ich auch rund neun Stunden bis nach Dänemark gebraucht, was eigentlich indiskutabel ist. Auf dem Rückweg habe ich dann aber streckenweise richtig von der Strömung profitiert.

Vorab machten Ihnen das Salzwasser und die Feuerquallen Sorgen. Gab es damit dann tatsächlich Probleme?

Schall: Ich hatte dreimal Kontakt mit Feuerquallen. Von den Schmerzen her ging das aber. (lacht wieder). Und Wasser hab ich natürlich auch ordentlich geschluckt an dem Tag. Aber das war ebenfalls kein echtes Problem.

Warum hat es dann aber trotzdem nicht zur erfolgreichen Doppelquerung gereicht?

Schall: Ich war eigentlich nur noch zwei Kilometer vom Ziel, dem Strand von Fehmarn entfernt. Aber der Skipper meines Begleitbootes, der auch die Gültigkeit des Versuchs überwachte, bestand aus Sicherheitsgründen darauf, dass ich an einer anderen Stelle an Land gehen soll. Die war aber nicht nur drei zusätzliche Kilometer entfernt, sondern ich hatte auf dieser Strecke auch extrem mit Gegenströmungen, die mich zurück ins offene Meer zogen, und mit immer stärker werdendem Wind zu kämpfen. Nach einer Stunde, während der ich praktisch nur auf der Stelle gegen die Strömung geschwommen bin, war dann Schluss. Mein Trainer Michael Reiwe hat sich mit dem Skipper beraten und meinte dann zu mir: „Entweder du gibst jetzt richtig Vollgas oder wir brechen ab.“ Ich bin aber schon mit rund drei Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen. Und mehr Vollgas ging an dem Tag einfach nicht.

Mirjam Schall

Mirjam Schall © Foto: Regler

Schwimmen müssen Sie zwar alleine, solo sind Sie aber bei Ihren Projekten dennoch nie unterwegs. Sie werden immer von einem kleinen Boot mit einigen Helfern begleitet. Welche Rolle spielt das für Sie?

Schall: Ein gutes Team ist schon extrem wichtig. Ich wollte keinen meiner fünf Freunde missen, dich mich begleitet haben. Neben meinem Trainer, der für Technik und Taktik zuständig war, kümmerte sich Alexander Gallitz um den Kontakt zum Skipper. Außerdem war Martina Böhm an Bord, die zusammen mit meinem Freund Philipp Frik meine Verpflegung übernommen hat. Und Ole Gehrmann hat alles gemanagt, was mit Medien, Live-Berichterstattung und Sponsoren zu tun hatte.

Apropos Sponsoren: Beim Fehmarnbelt-Rekordversuch wurden Sie von einigen Firmen unterstützt. Erhöht das den Erfolgsdruck oder denkt man daran, wenn es um die Frage „Abbruch oder nicht“ geht?

Schall: Natürlich macht man sich da Gedanken. Als ich zurück auf Fehmarn war, war das erste, was ich gemacht habe, mich bei Jochen Scharf zu entschuldigen, der extra an die Ostsee gekommen war. Aber der meinte nur: „Du spinnst wohl!“ Und auch Marlies Bernreuther war mir nicht böse, dass es nicht geklappt hat.

Im vergangenen Jahr mussten Sie bei der Längsquerung des Bodensees knapp zehn Kilometer vor dem Ziel wegen des Wetters aufgeben. Diesmal fehlten rund fünf Kilometer und wieder lag es nicht an Ihrer Fitness, sondern an der Natur. Wie frustrierend ist das, so viel zu investieren und es letztlich doch nicht selbst in der Hand zu haben?

Schall: Immer wieder so knapp zu scheitern ist schon frustrierend. Aber das ist eben Open-Water-Schwimmen. Und nicht zu wissen, ob man es schafft, macht ja auch irgendwie den Reiz aus. Sonst könnte es ja jeder machen, oder? (denkt nach) Mit meiner Leistung kann ich zufrieden sein. Ich bin 17 Stunden ohne Probleme durchgeschwommen und war auch zügig unterwegs; trotz Gegenströmungen. Ich hab alles gegeben.

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