Nach dem Unwetter: Wenn ein Alarm den nächsten jagt

31.8.2019, 19:00 Uhr
Nach dem Unwetter: Wenn ein Alarm den nächsten jagt

© Foto: Martin Regner

Der Petersgmünder Kommandant Christian Wagner verbrachte die Unwetternacht an der Bahnlinie Treuchtlingen-Nürnberg, auf der bei Unterheckenhofen ein ICE mit 400 Fahrgästen liegen geblieben war. Sein Kamerad Bernd Schmidtkonz koordinierte bis nachts um 3 Uhr die Alarmierungen der Feuerwehr aus der Kreiseinsatzzentrale und wurde um 11.30 Uhr zur Rother Sparkasse alarmiert. Für den gerade 18-Jährigen Sebastian Wagner war die Sturmnacht beim ICE der erste richtige Einsatz nach seiner theoretischen und praktischen Ausbildung zum Feuerwehrmann.

Sonntagabend kurz nach 19 Uhr, das Unwetter fegt über Roth und die umliegenden Ortschaften. Es deckt Dächer ab und wirft Bäume auf die Straßen. Wie ging dieser Abend für Sie weiter?

Christian Wagner: Ich war mit meinem Sohn Sebastian unterwegs nach Rednitzhembach zu meinen Eltern. Die hatten angerufen, dass es bei ihnen Ziegel vom Dach geweht hat. Unterwegs hat gleich wieder das Telefon geklingelt: Ich wurde um Unterstützung beim Einsatz am liegengeliebenen ICE gebeten. Wir haben dann zurück in Petersgmünd unsere Sirene ausgelöst. Das war gegen 20.30 Uhr.
Als wir hingekommen sind zu dem Zug haben wir festgestellt: Der hat keinen Strom mehr, kein Licht und keine Klimatisierung. Auch die Toiletten funktionierten nicht mehr. Aber wenn da 400 Leute drin sind, die müssen irgendwann mal.

Bernd Schmidtkonz: Und die Züge heutzutage sind ja komplett dicht, es lässt sich da auch kein Fenster mehr öffnen. Dann wird innen der Sauerstoff auch irgendwann knapp.

Christian Wagner: Zuerst hat es geheißen, es soll ein Ersatzzug kommen, in den die Leute umsteigen. Erst später hat sich dann heraus gestellt, dass der Ersatzzug doch nicht kommt, weil noch mehr Bäume auf der Strecke lagen.
Dann ging es an die Evakuierung. Wir haben an der Strecke eine Beleuchtung aufgebaut, damit die Leute, die wir aus dem Zug begleitet haben, auf dem unwegsamen Gelände durch den Wald etwas sehen. Das Rote Kreuz brachte Getränke vorbei. Ältere Leute haben wir an die Hand genommen und nach unten begleitet, zum Teil haben wir auch das Gepäck aus dem Zug getragen. Der Einsatz mit bis zu 80 Kräften vor Ort war erst spät in der Nacht zu Ende, ich bin gegen 4 Uhr ins Bett gekommen.

Bernd Schmidtkonz: Ich habe in dieser Nacht in der Rother Kreiseinsatzzentrale Dienst getan, die die Einsätze auf die einzelnen Feuerwehren verteilt hat. Die Leitstelle in Schwabach ist gar nicht mehr hinterher gekommen, so viel war los.

Was ging bei dem Einsatz in Ihrem Kopf vor? Woran denkt man in so einer Situation, in der alles gleichzeitig dringend und wichtig ist?

Christian Wagner: Im Einsatzmoment arbeitest Du, da fährst Du Deine Schiene. Das Verarbeiten kommt erst zwei oder drei Tage später. Die Leute, die wir aus dem Zug geholt haben, haben sich bei uns bedankt und uns auf die Schultern geklopft. Die waren ja schon seit was weiß ich wann in der Frühe unterwegs gewesen. In der Nacht ist es erst dann ein bisschen unangenehm geworden, als es wieder leicht angefangen hat zu regnen. Aber dann stehst Du da und denkst Dir: "Das ist jetzt auch wurscht. Das hört wieder auf."

Bernd Schmidtkonz: Ja, wenn die Sirene heult, schaltet man in einen anderen Modus. Da läuft dann ein Programm ab.

Dann fällt man um 4 Uhr ins Bett nach so einer Nacht und um 11.30 Uhr kommt der nächste Alarm ...

Bernd Schmidtkonz: Also erstmal geht man in der Frühe auf die Arbeit. Ich kam um 3 Uhr heim von der Einsatzzentrale und bin 20 nach 6 in die Firma gefahren. Um 11.30 Uhr, als der Vorfall vor der Rother Sparkasse passiert ist, war ich in Thalmannsfeld bei der Arbeit. Dann kam die SMS mit der Alarmierung der Dekon-Einheit der Feuerwehren Bernlohe und Petersgmünd. Die ist dazu da, Menschen, die mit Gefahrstoffen in Berührung gekommen sind, so gut wie möglich zu reinigen. Dieser Einsatz hat sich dann ein paar Stunden hingezogen, weil man lange nicht wusste, was das für ein Stoff war, der da vom Täter verspritzt worden ist.
Wir haben vor Ort unser Dekon-Zelt aufgebaut und abgewartet, bis die Berufsfeuerwehr Nürnberg mit einem Messwagen vor Ort war und die Chemikalie analysiert hatte. Ist es "nur" Pfefferspray oder irgendetwas anderes? Das wussten wir halt nicht und mussten deswegen das volle Programm auffahren. Unsere Kameraden aus Bernlohe standen da stundenlang im Ganzkörper-Schutzanzug und mussten warten. Einsatzende war gegen 15.45 Uhr.

Sebastian Wagner: Als kurz nach 11.30 Uhr der Alarm zur Sparkasse kam, lag ich noch daheim im Bett. Ich war ja auch bis um 4 Uhr nachts im Einsatz gewesen und habe um 8 Uhr meinen Chef angerufen, dass ich heute nicht zur Arbeit kommen kann. Das in der Nacht ist ja mein erster Einsatz überhaupt gewesen.

Christian Wagner: Und das ging ja an dem Montag noch weiter. Wir hatten gegen 20 Uhr den nächsten Alarm mit auslaufenden Betriebsstoffen an einer Tankstelle. Da waren wir dann nochmal ein Stündchen im Einsatz. Am Mittwoch kam noch eine Ölspur dazu und am Donnerstag wieder ein Einsatz an der Bahnstrecke.

Das alles ist jetzt fast zwei Wochen her. Wie denken Sie im Rückblick an das geballte Einsatzgeschehen?

Christian Wagner: Das geht schon an die Substanz. Aber man muss sich dann halt seine Zeit nehmen, um sich zu erholen. Und nicht meinen, dass man jetzt dies und das alles noch schnell machen muss. Sondern mal einen Abend auf’s Sofa legen. Und sich ein Seidla gönnen.

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