"Notbremse" zur Gartensaison: Schwabacher schreibt an Söder

23.4.2021, 15:00 Uhr
Annette und Heino Schwarz im Blütenmeer. Diese Pracht soll eigentlich so schnell wie möglich in den Gärten und auf Balkonen der Kunden landen und nicht auf dem Kompost.

© Günther Wilhelm, NN Annette und Heino Schwarz im Blütenmeer. Diese Pracht soll eigentlich so schnell wie möglich in den Gärten und auf Balkonen der Kunden landen und nicht auf dem Kompost.

Die nächste Akt im Ringen der Geschäftswelt läuft unter dem wenig erfolgversprechenden Titel „Notbremse“. Eigentlich ist in dem Entwurf der Bundesregierung bei Blumenläden und Gartenmärkten vermerkt, dass sie systemrelevant sind und damit ohne Terminvereinbarung und Schnelltest öffnen könnten. Das war kurzzeitig schon ab dem 8. März so, doch einen Monat später hat Bayern als einziges Bundesland die Freigabe einkassiert.

Die Befürchtung, dass sich das im Freistaat ab Montag, wenn die „Notbremse“ amtlich werden soll, wiederholen könnte, ist deshalb nicht unbegründet. Spätestens dann wird Gärtnermeister Heino Schwarz, Manager von Blumen Schwarz in Schwabach, merken, ob sein offener Brief an Ministerpräsident Markus Söder Wirkung gezeigt hat, den er am 15. April auch auf Facebook gepostet hat.


Trotz Lockerungen: Blumenläden müssen geschlossen bleiben


Der Nürnberger Söder hat bislang nicht geantwortet, geschweige denn auf die Einladung zur Betriebsbesichtigung um die Ecke reagiert. „Damit habe ich auch nicht gerechnet“, erklärt Heino Schwarz. Allerdings auch nicht damit, was nach seinem Brief auf der Plattform abging.

Ordinäre Posts geerntet

„Über die Reaktionen war ich tatsächlich schockiert. 25 Prozent der Posts musste ich löschen. Sie waren völlig ordinär oder Stimmungsmache von Corona-Leugnern.“ Nimmt man den überwiegenden Anteil der zustimmenden Beiträge dazu, ergibt sich trotzdem eine fast 100-prozentige Menge Gleichgesinnter: „Kaum einer versteht noch die Maßnahmen der Politik“.

Ein Jahr Versuche, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, haben einen Berg von Frust erzeugt: „Vor einem Jahr kam von den Leuten viel Solidarität, sie wollten die Mittelständler und kleinen Betriebe unterstützen, wo es nur ging, jetzt sind alle nur noch depressiv und entnervt“.

Klar, echte Stammkunden ertragen telefonische Voranmeldung und Schnelltest, aber zusammen mit den eigenen Anstrengungen reicht das zum Überleben nicht aus. Bei Schwarz sieht die Rechnung so aus. Als einer der wenigen Direktvermarkter im Umkreis hat er vor zwei Jahren in eine Neueröffnung bei Ansbach investiert und hat die Kredite zu bedienen.

Gartenbedarf online

Auf die Ladenschließungen hat er mit einem zeitlich und finanziell aufwändigen Online-Shop reagiert. Die Bearbeitung der Bestellungen nimmt viel Zeit in Anspruch, die Telefone sind ständig mit drei Leuten besetzt. Trotzdem: Online bringt nur 65 Prozent des Umsatzes, das Geschäft übernimmt der Lebensmittelhandel: „Edeka hat das Zeug“.

Gärtnerei und online vertragen sich auch nicht unbedingt. „Wir sind kein Amazon“, erklärt Heino Schwarz, „wir können keine Lagerhaltung betreiben.“ Die Ware ist saison- und wetterabhängig, ihr Umgang verträgt sich erst recht nicht mit den Regeln der Industrie.

Im Brief an den Ministerpräsidenten liest sich das so: „Wir können keine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Was wir jetzt verkaufen wollen, wurde von uns drei bis sechs Monate im Betrieb herangezogen. Selbst wenn wir keine Pflanze verkaufen dürfen, benötigen wir unsere Angestellten, um die Pflanzen wegzuwerfen und damit den Platz für die Folgekulturen (die Jungpflanzen sind ja meistens schon knapp ein Jahr im Voraus bestellt) freizugeben. Zudem benötigen wir für Pflege, Pflanzenschutz und Betrieb der Anlage konstant unser Personal.“ Und das ist nicht immer da. Zwei bis vier Mütter fehlten, weil sie ihre Kinder beim Online-Unterricht betreuen müssen.

"Wir wollen Fairness"

Blumen Schwarz hat investiert, mit privatem Einsatz alle Mitarbeiter gehalten und einen Nachfolger, der 120 Jahre Familienunternehmen verlängern möchte. „Wir möchten von der Politik kein Geld, keine Zuschüsse oder Hilfsfonds", schrieb Heino Schwarz an Söder, „wir möchten nur eine sinnvolle Fairness und objektive Bewertung der aktuellen Situation auf unsere Betriebe gemünzt“.

Eine Öffnung unter Hygienevorschriften, so Heino Schwarz, wäre für seine Gärtnerei kein Thema: „Wir haben wahrscheinlich so viel Fläche wie kaum eine andere Branche. Wenn es sein sollte, können wir 200 m² pro Kunde garantieren und damit trotzdem noch locker 20 Kunden in den Betrieb lassen, selbst in Stoßzeiten wird bei uns der Wert von 15 Kunden selten überschritten.“ Problemlos, so Schwarz, könne man die Weihnachtsstände aufstellen und das Geschäft ins Freie verlagern.


Wegen Lockdown: Landen bald tonnenweise Pflanzen im Müll?


Bayern ist kein Gärtnerland, die Hochburg befindet sich in Nordrhein-Westfalen, trotzdem ist auch im Freistaat der Mai der Gartenmonat schlechthin. Da wird ein Drittel des Jahresumsatzes kreiert und damit auch die Reserve für die mageren Zeiten.

Der kommende Montag ist schon der 26. April, aus Sicht der Gärtner rennt die Zeit. Was nicht rausgeht, muss entsorgt werden. „In vier Wochen wird es radikal“, sagt Schwarz und erinnert sich, wie man voriges Jahr nach dem ersten Lockdown nach Ostern die Kurve bekommen hat: „Das wurde noch eine Bombensaison“. – Verbunden mit einer Solidaritätsadresse an die Wirte: „Im Vergleich zur Gastrobranche haben wir wenigstens öffnen dürfen“.