NS-Ausstellung in Roth: Wie viele nur ein Rädchen im verbrecherischen System

18.10.2017, 15:41 Uhr
NS-Ausstellung in Roth: Wie viele nur ein Rädchen im verbrecherischen System

© Foto: Hans Pühn

Noch nicht abgeschlossen, sondern als erfolgreichen Zwischenbericht will der Rother Bürgermeister Ralph Edelhäußer verstanden wissen, was Guido Schmid und Anne Roßius mit der Ausstellung im Schloss bereits realisiert haben. In sechs Kapiteln wird die Zeit des Nationalsozialismus in Roth beleuchtet: seine erste Ausbreitung schon in der Weimarer Republik, die Gleichschaltung ab 1933, die systematische Vernichtung der Juden, der Zweite Weltkrieg bis zum Ende der Diktatur und ihrer Aufarbeitung. Besonderes Augenmerk richtet die Ausstellung dabei auf die Rolle des Bürgermeisters Dr. Robert Groß und sein Verhältnis zum NSDAP-Ortsgruppenleiter Karl Merkel.

Grund für diese Fokussierung ist laut Schmid, dass in Roth seit den 1990er Jahren, verstärkt seit 2010 eine Diskussion über die Aufarbeitung der Geschichte der Stadt Roth und ihres Bürgermeisters Dr. Groß geführt wurde. Der von 1919 bis 1945 amtierende Stadtchef, der sich einen Tag nach der Übergabe der Stadt an die US-Truppen mit seiner Frau erschossen hatte, sei nachträglich als Ausnahmeerscheinung, als "Retter der Stadt" geschildert und mit falschen Behauptungen verbunden worden. Doch Groß, der schon in den 1920er Jahren Mitglied der "Nordischen Gesellschaft" wurde, sich also zu völkischem Gedankengut bekannte, sei wohl "notwendige Kompromisse" eingegangen, "um seine Position zu halten", wie Schmid nach umfangreichen Recherchen schilderte. Schon 1933 wurde Groß Mitglied der NSDAP. Laut Schmid stelle er einen exemplarischen Fall dar, wie viele andere auch "ein Rädchen im verbrecherischen System".

Die Darstellung von der Groß-Merkel-Kombination als good guy und bad guy sei nur insofern zutreffend, "dass wir nichts davon wissen, dass er sich an Verbrechen oder Pogromen beteiligt hat". Sicher sei jedoch, dass Groß den SPD-Stadträten, die schon 1933 für einige Monate in Dachau im KZ inhaftiert waren, nach ihrer Rückkehr "die Meldeauflagen so weit wie möglich ersparte".

Wie es dazu kam, dass der Stadtrat ihm einstimmig ein Ehrengrab widmete, erklärt Schmid damit, dass die SPD-Räte Groß schon seit den 1920er Jahren kannten und einschätzten, dass sie außerdem "jetzt nicht unbedingt die NS-Zeit aufarbeiten wollten" und dass der Selbstmord dem Stadtrat sozusagen "günstig gelegen kam".

Unter der großen Grabplatte wollte man, so Schmid, sprichwörtlich "alles drunter halten". Zu Diskussionen über die Rolle des Bürgermeisters kam es später auch, weil die Gedenkplatte, die wegen der Sanierung der Friedhofskirche abmontiert worden war, danach nicht mehr aufgestellt wurde.

Dazu merkte Bürgermeister Edelhäußer nun an, dass sie seines Erachtens nach einer Sanierung der Aussegnungshalle wieder angebracht werden könne. Beschließen könne das jedoch nicht er, sondern der Stadtrat. Guido Schmid kündigte an, dass neben der Ausstellung für 2018 eine Publikation geplant sei, die die Ausstellung fortführe. Noch längst nicht alle Kapitel seien bearbeitet. Schmid: "Erst wir sind jetzt die Generation, die Licht in diese Zeit bringt."

Nicht nur einzelne Besucher, sondern vor allem Schulklassen will Museumspädagogin Anne Roßius mit der Aufarbeitung vertraut machen. Ziel sei, mit Führungen durch die Ausstellung, mit Quellenmappen für die Arbeit in kleinen Gruppen bei jungen Leuten das Bewusstsein zu schaffen, dass der Nationalsozialismus nicht als abstraktes Phänomen in Berlin stattgefunden habe, "sondern auch vor der eigenen Haustür". Roßius: "Es hat eine ganz andere Wirkung, wenn man Fotos von Hakenkreuzen in der Rother Hauptstraße sieht."

Einziges Manko der Ausstellung: Sie wird im obersten Stockwerk des Schlosses gezeigt, dorthin führt nur eine schmale Treppe. Das kritisierte FW-Stadträtin Sonja Möller und ließ sich auch von Schmids Ankündigung, dass sie vom 20. März bis 1. April barrierefrei in den Ratsstuben zu sehen ist, nicht von ihrer Forderung abbringen: Das Thema sei so wichtig, dass man bei der nächsten Ausstellung doch bitte gleich auf den barrierefreien Zugang achten möge.

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