Die neuen Abgeordneten zur Corona-Politik

Plobner und Lütke: "Der Lockdown ist das letzte Mittel"

3.12.2021, 06:04 Uhr
Weihnachtliche Lichterketten über leergefegten Straßen vor ziemlich genau einem Jahr: Vom 16. Dezember bis zum 10. Januar galt in Bayern eine nächtliche Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr.  

© Salvatore Giurdanella Weihnachtliche Lichterketten über leergefegten Straßen vor ziemlich genau einem Jahr: Vom 16. Dezember bis zum 10. Januar galt in Bayern eine nächtliche Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr.  

In einem Pressegespräch nahmen Lütke und Plobner am Montag (29. November) Stellung zum geänderten Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung, zu den anstehenden Maßnahmen im Kampf gegen die vierte Corona-Welle und zu den Versprechen von Politikern, es werde keinen Lockdown mehr geben. Lütke und Plobner wurden als Teil der neuen Ampel-Koalition nicht sachte an ihre Arbeit herangeführt, sondern mussten sich sofort mit der brennenden Frage befassen, wie Deutschland der vierten Welle Herr werden kann. Und sie sitzen vor einem angehäuften Berg aus fehlenden Impf- und Testkapazitäten, den ihnen die Noch-Regierung – in der die SPD bereits Mitglied war – durch fehlende Vorbereitung auf den nächsten Corona-Winter hinterlassen hat.

Die Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke (FDP).

Die Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke (FDP). © Philipp Bauer

Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bereits am Dienstag eine erneute „Bundesnotbremse“ forderte, pocht die Laufer FPD-Abgeordnete Lütke weiter auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen. „Eine Ausgangssperre oder das Verbot, allein auf einer Bank zu sitzen, sind nicht verhältnismäßig.“ Ein Lockdown sei, wenn überhaupt, nur begrenzt auf besonders betroffene Gebiete sinnvoll. Das neue Infektionsschutzgesetz enthalte ein Bündel wichtiger Maßnahmen und lasse dabei gleichzeitig den Ländern die Möglichkeit, sie je nach Inzidenz und Hospitalisierungsrate zu verschärfen.

Noch keine Ausgangssperren

Durch das neue Gesetz, das vorläufig bis zum 19. März 2022 gilt, trat die 3G-Regel im öffentlichen Nahverkehr in Kraft. Außerdem gilt in Krankenhäusern und Pflegeheimen nun eine Testpflicht für Personal und Besucher. Beschäftigte jeder Branche sollen laut dem Gesetz, wann immer möglich, im Homeoffice arbeiten und Maßnahmen wie 3G, 2G oder 2G-plus können je nach Lage von den Ländern beschlossen werden.

Ausgeschlossen sind aber die Anordnung von Ausgangssperren und Beherbergungsverboten oder die pauschale, flächendeckende Schließung von Geschäften, Schulen, Gastronomie oder Sportstätten. Das war jedenfalls der Stand vor der kurzfristig anberaumten „Blitz-Sitzung“ der Ministerpräsidenten am Dienstagnachmittag (30. November).

Der Bundestagsabgeordnete Jan Plobner (SPD).

Der Bundestagsabgeordnete Jan Plobner (SPD). © SPD

Dass es bei dieser Regelung bleibt, will der SPD-Abgeordnete Jan Plobner aus Altdorf schon am Montag nicht versprechen: „Die Inzidenzen explodieren, die Betten werden knapp und die Virologen erwarten den Höhepunkt der vierten Welle erst im kommenden Jahr. Es kann sein, dass unsere jetzigen Maßnahmen noch nicht ausreichen.“ Dies bestätigte sich dann am Donnerstagnachmittag (2. Dezember) beim Bund-Länder-Gipfel.

Kontakte freiwillig einschränken

Das flächendeckende Schließen von Handel und Gastronomie und festgelegte Kontaktbeschränkungen sind für Plobner trotzdem die letzten möglichen Mittel, denn „ein Lockdown verursacht psychische Probleme, er bringt Menschen in Existenznot“. Er hoffe nun auf die flächendeckende Einführung von 2G und 2G-plus und die freiwillige Kontaktbeschränkung der Bürger. „Und es darf natürlich keine Fußballspiele mit 50.000 Zuschauern mehr geben.“ Plobner stimmte zu, dass es „gefährlich“ von einigen Politiker-Kollegen gewesen sei, im Sommer absolute Aussagen zu treffen, jetzt müsse das verlorene Vertrauen wiederhergestellt werden. „Wir tun alles, um möglichst viele Menschenleben zu retten.“

Dadurch, dass die Krankheit so neu sei, seien eigentlich jegliche Versprechen und Voraussagen zu vermeiden. Was er und Lütke allerdings „so lange wie möglich“ verhindern wollen, sind die Schulschließungen, die für viel soziales Leid von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien gesorgt hätten.

Wie es zu dem jetzigen Chaos aus fehlenden Impf- und Testkapazitäten gekommen sei, sei noch zu klären, „aber jetzt müssen wir handeln“, sagt Plobner. Er hält es für denkbar, dass sich die Regierung im Sommer zu stark auf die Impfbereitschaft der Bürger und die Wirksamkeit der Impfung verlassen habe.

„Aber das war voreilig“, sagt Lütke: „Bereits im April kamen die Meldungen aus den Krankenhäusern, dass die Zahl der Impfdurchbrüche steigt und trotzdem ist den Sommer über nichts passiert.“ Die FDP sei auch immer gegen das Ende der kostenlosen Tests gewesen. Die Beweggründe der Regierung könne sie nicht nachvollziehen.

Hoffnung auf den Krisenstab

„Wir müssen jetzt den Impfturbo anwerfen, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen“, sagte Lütke. Sie und Plobner setzen große Hoffnung in den neuen Krisenstab unter Generalmajor Carsten Breuer. Der Stab besteht unter anderem aus Vertretern verschiedener Wissenschaften wie Virologie, Epidemiologie und Soziologie und wird noch in dieser Woche seinen Dienst antreten. Er berichtet dem Bundestag täglich, und seinen „dringlichen Vorschlägen“ werden die Politiker wohl in den meisten Fällen folgen. Mithilfe der Bundeswehr soll auch die Zahl der Impfdosen schneller aufgestockt werden.

„Wir müssen uns auch von der deutschen Korrektheit verabschieden. Unsere Nachbarländer impfen in Drogerien und Bars, wir sollten wenigstens auch in den Apotheken damit starten“, so Lütke. Sie und Plobner setzen auf die Forschung, um Corona langfristig zu besiegen. Neue Impfstoffe und Medikamente könnten die große Belastung des Gesundheitssektors vor allem in Herbst und Winter verhindern. „Auch die Debatte um eine allgemeine oder eine teilweise Impfpflicht müssen wir führen. Mit den steigenden Zahlen endet die Freiheit der Ungeimpften“, sagte Plobner.

Eine große Herausforderung ist laut den beiden eine langfristige Verbesserung des deutschen Gesundheitssystems, vor allem in Bezug auf die Personalnot. Viele Pfleger hätten ihren Beruf nach dem letzten Corona-Winter endgültig aufgegeben. „Die Beschäftigten brauchen mehr Zeit für sich und ihre Familien“, sagte Plobner. Wie das realisiert werden könnte, sei noch zu klären.

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