Psychische Last: So gehen Sanitäter mit Corona um

28.1.2021, 06:00 Uhr
Psychische Last: So gehen Sanitäter mit Corona um

© Foto: Arno Heider

"Natürlich belastet Corona", sagt Roger Büchner, der Chef der Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes in Schwabach und einer der zwei stellvertretenden Rettungsdienstleiter im BRK-Kreisverband Südfranken. "Bisher", so der 51-Jährige, "sind wir aber gut über die Runden gekommen". Nicht eine Schicht sei seit dem Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr ausgefallen, es habe auch keinen Fahrzeugausfall gegeben.


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"Das muss ich den Kolleginnen und Kollegen hoch anrechnen", ist Büchner stolz auf seine Mann- und Frauschaft, die im vergangenen Jahr immerhin 276 000 Personalstunden im Rettungsdienst und bei Krankenfahrten geleistet hat: "Ein riesiger Zeitaufwand".

Dass dem so ist, "ist vor allem dem großen Zusammengehörigkeitsgefühl und dem Teamgeist in der Rot-Kreuz-Gemeinschaft zu verdanken", sagt Büchner. Und er ist dankbar. Sehr dankbar.

Schließlich sei es nicht selbstverständlich, wenn er jemanden ob der Corona-Krise aus dem Urlaub zurückholen müsse oder ein freier Tag erst einmal ausfalle: "Die Bereitschaft, bei Engpässen einzuspringen ist groß", sagt der Wachleiter: "Meine Leute sind dann einfach da, auch wenn es für sie manchmal nicht einfach ist, persönliche Termine umzuorganisieren".

Großes Gebiet von Schwabach aus betreut

Die Integrierte Leitstelle (ILS) in Schwabach ist zuständig für die Stadt Schwabach, den Landkreis Roth und den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Zwei Rettungswachen gibt es in Schwabach, je eine in Roth, Hilpoltstein, Greding, Georgensgmünd, Weißenburg, Gunzenhausen und Treuchtlingen.

Dazu kommen Stellplätze (die nicht rund um die Uhr besetzt sind) in Allersberg, Solnhofen, Spalt (ab März) sowie Wendelstein (von den Maltesern über die Leitstelle Nürnberg betreut). Pleinfeld zählt als Saisonrettungswache im Fränkischen Seenland und ist nur im Sommer besetzt.

Wird die ILS – ebenfalls vom BRK betrieben – von einem vermuteten Corona-Einsatz informiert, fragen die Disponenten immer nach einem festgelegten Schema Fakten ab: Fieber? Atemnot? Trockener Husten?

Zwischen dem 1. und 25. Januar dieses Jahres transportierten die "Sanis" in ihrem gesamten Zuständigkeitsgebiet 204 als infiziert bestätigte Corona-Patientinnen und -Patienten in umliegende Krankenhäuser. Dazu kamen 95 Verdachtsfälle.

Schutzmaßnahmen obligatorisch

Wenn klar ist, dass es sich um eine Infektions-Fahrt handelt, greifen die üblichen Schutzmaßnahmen, erklärt der stellvertretende Leiter des Rettungsdienstes, denn "wir haben ja auch schon vor der Pandemie Fahrten gemacht mit anderen ansteckenden Infektionen, beispielsweise mit einer offenen TBC". Alle Kolleginnen und Kollegen seien diesbezüglich ausgebildet und wüssten, wie sie sich zu verhalten haben.


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Zur persönlichen Sicherheit tragen die Sanitäter einen Schutzanzug mit Kunststoffoberfläche, Schutzbrille (um eine Virenaufnahme über die Schleimhäute der Augen zu verhindern), Kopfhaube und doppelte Handschuhe, alles selbstverständlich Einwegartikel. Die Handschuhe sollen doppelt sein, da beim Ausziehen des Schutzanzuges noch Viren vorhanden sein könnten. Erster Handschuh und der Schutzanzug werden verklebt. "Wir fahren unsere Einsätze natürlich auch mit FFP 2-Masken", so der Wachleiter.

Psychische Last: So gehen Sanitäter mit Corona um

© Foto: Arno Heider

Nach jeder Corona-Fahrt ist noch viel zu tun. Desinfizieren und noch einmal desinfizieren. Eine halbe Stunde Zeit kostet das jedes Mal; bei den Rettungswagen, die mehr medizinisches Equipment haben als die Krankentransportfahrzeuge, dauert es sogar etwas länger.

Corona-Tests würden nicht obligatorisch gemacht, erklärt der 51-Jährige. Da gebe es keine Vorschriften. "Wir bieten das aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, wenn sich jemand Sorgen macht."

Keine Ansteckung im Dienst

Und wenn Symptome auftreten, dann müsse die betroffene Person sofort aus dem Verkehr gezogen werden. "Im Dienst aber, das kann ich guten Gewissens behaupten, hat sich bisher niemand angesteckt", ist Büchner froh. Und wenn mal einer aus dem Team in Quarantäne gegangen sei, dann sei es auf private Kontakte zurückzuführen gewesen.

Also alles bestens bei den Kolleginnen und Kollegen? "So kann man das nicht sagen", gesteht Büchner, der die Frage nach der psychischen Belastung mit einem klaren "Ja" beantwortet. "Wenn du Patienten fährst, die vielleicht nie mehr ins Altersheim oder in ihre Familie zurückkehren", dann sei das nicht einfach zu verkraften. Der Tod fahre bei solchen Fahrten doch immer wieder mit.

"Und wenn du vier oder fünf Corona-Fahrten hinter dir hast, dann kannst du schon mal einen Durchhänger haben", räumt Büchner ein: "Das hatten wir auch schon."

Die Tasse Kaffee mit den Kollegen ist wichtig

Gravierende Ereignisse würden erst einmal unter den Kolleginnen und Kollegen besprochen, erklärt Roger Büchner. Bei einer Tasse Kaffee in der Wache könne man sich doch einiges von der Seele reden. Das helfe enorm.

Zudem stünden – auch bei anderen außergewöhnlichen Vorkommnissen wie etwa schweren Unfällen mit Toten – rund um die Uhr Kriseninterventionsteams zur Verfügung: Ehrenamtlich tätige Kolleginnen und Kollegen, die eine Spezialausbildung haben und den entsprechenden Einsatz noch einmal im Detail durchsprechen. Nach einer Woche gibt es eine Nachbesprechung.

Wachleiter Roger Büchner bleibt trotz aller außergewöhnlichen Belastungen optimistisch: "Wir gehen da durch: gemeinsam".

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