Kurse völlig ausgebucht

Roth/Schwabach: Schwimmen lernen mit Warteliste

10.7.2021, 07:04 Uhr
Viele Eltern möchten, dass ihre Kinder "ordentlich" schwimmen lernen und melden sie Schwimmen lernen bei versierten Übungsleitern und -leiterinnen an. Aber: deren Wartelisten sind inzwischen ellenlang, bedingt durch den "Stau", der sich in den Lockdown-Monaten entwickelt hat.

© e-arc-tmp_20170301-150157-002.jpg, NN Viele Eltern möchten, dass ihre Kinder "ordentlich" schwimmen lernen und melden sie Schwimmen lernen bei versierten Übungsleitern und -leiterinnen an. Aber: deren Wartelisten sind inzwischen ellenlang, bedingt durch den "Stau", der sich in den Lockdown-Monaten entwickelt hat.

Es klingt auf den ersten Blick gut: Der Freistaat Bayern "spendiert" für jedes Kind einen 50-Euro-Gutschein, zweckgebunden für einen Schwimmkurs mit dem Ziel, dass das Kind am Ende das "Seepferdchen" mit 25-Metern Schwimmen am Stück im tiefen Wasser schafft. Aber: "Uns steht das Wasser bis Unterkante Oberlippe". Wenn eine versierte Schwimmlehrerin wie Anja Haas (54) das sagt, dann muss die Lage Ernst sein. Und tatsächlich. In der gesamten Region herrscht nämlich "Land unter", was freie Plätze für Kinder-Schwimmkurse angeht.

Das ist umso fataler angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Ertrinkungstoten - gerade auch unter Kindern - steigend ist. Immer weniger Grundschüler können wirklich schwimmen, wie das unter anderem Statistiken der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) ausweisen. Entsprechend auch ein Statement des DLRG-Präsidenten Achim Haag: "Das Jahr 2020 war für die Schwimmausbildung ein verlorenes Jahr“. Eine Aussage, die von Protagonisten vor Ort ohne Wenn und Aber unterschrieben wird.

Stau wird lang und länger

Im Umkehrschluss bedeutet das nämlich auch: Über ein Jahr lang hat kein einziges Kind über einen professionellen Anbieter schwimmen lernen können. Die Folge: der "Stau" auf den Anmelde-Wartelisten wird lang und länger. "Denn viele Eltern wollen die Schwimmausbildung lieber geübten Schwimmlehrern überlassen. Sei es aus Zeitgründen. Oder weil sie es selbst nicht wirklich beherrschen und dann natürlich auch nicht richtig beibringen können", berichtet Haas.

Schon rund 1000 Kindern hat Gerhard Ellinger das Schwimmen beigebracht. Er sagt: Auch an Land kann man viel dafür üben, um später im Wasser schneller gut und sicher schwimmen zu lernen.

Schon rund 1000 Kindern hat Gerhard Ellinger das Schwimmen beigebracht. Er sagt: Auch an Land kann man viel dafür üben, um später im Wasser schneller gut und sicher schwimmen zu lernen. © Mathias Hochreuther, NN

So wie der Chefin der privaten Schwimmschule "Sam", die unter anderem im Hilpoltsteiner Auhof-Lehrbecken Kurse anbietet, geht es vielen Schwimm-Übungsleitern und -leiterinnen; unabhängig davon, ob sie für Vereine, Freibäder oder für eine selbständige Schwimmschule arbeiten. Das "Kurs-Sponsoring-Angebot" des Freistaats verschärft nun die Situation zusätzlich. Nun müssen Kursleiter, wie Haas oder Gerhard Ellinger, der im Rother Freizeitbad als Schwimmlehrer ein echtes Urgestein ist, noch mehr Anfragen als ohnehin schon nach Ende des Lockdowns aufgeschlagen sind, abweisen.

"Sinnloses Gießkannenprinzip"

Nicht nur das: Ellinger hält von dem finanziellen Gießkannenprinzip, das jetzt zum Zuge komme, nichts. Und von der plakativen Schlagzeile, dass damit das "Seepferdchen" möglich wird, gleich noch weniger. "Wer über ein gutes Einkommen verfügt, kann und will sich als Eltern einen Schwimmkurs leisten. Das war schon vor dem Lockdown so. Wer aber wirklich jeden Euro umdrehen muss, dessen Kind sollte den Kurs komplett bezahlt bekommen. Denn schwimmen-können ist wirklich eine Grundkompetenz, die jedes Kind lernen soll. Und zwar vernünftig", spart der Eckersmühlener nicht mit Kritik für die "finanzielle Gleichmacherei".



Und auch da ist er sich mit seiner Kollegin Haas zu 100 Prozent einig. "Nur, weil ein Kind die Anforderungen des Seepferdchens mehr oder weniger gut erfüllen kann, heißt das noch lange nicht, dass es schwimmen kann", so der 61-jährige, der in seinem Nebenberuf bereits rund 1000 Jungen und Mädchen "ordentlich" Brustschwimmen beigebracht hat. Mit "ordentlich" meint Ellinger, dass die Kleinen sich "sicher" im Wasser bewegen, inklusive lehrbuchmäßigem Bein- und Armschlag.

Kein Freifahrtschein

Auch für Haas ist ein "Seepferdchen" keine Lizenz, "dass Eltern ihr Kind im Wasser unbeaufsichtigt lassen können", warnt sie vor "einem falschen Sicherheitsgefühl". Dieses Abzeichen sei nicht mehr und nicht weniger als eine "gute Grundlage". Aber das eigentliche Schwimmen-lernen "bedeutet üben, üben, üben. Und zwar mit den Eltern. Gemeinsam im Wasser. Damit sich das Erlernte wirklich festigen kann," betonen beide unisono.

Was aber, wenn Eltern das - aus welchen Gründen auch immer - nicht können? Eine gute Alternative: Die Kinder- und Jugendgruppen der Wasserwachten. "Natürlich stehen wir Gewehr bei Fuß", versichert Claudia Urban, die seit Jahrzehnten ehrenamtlich Kinder-Schwimmkurse gibt. Und die regelmäßigen Trainingsstunden in unterschiedlichen Leistungsklassen begleitet.

"Absolut an der Leistungsgrenze"

"Wir freuen uns über jedes Kind, das bei uns schwimmen lernen will. Aber jetzt, wo wegen Corona so viele schon so lange drauf warten, dran zu kommen, stoßen wir absolut an unsere Leistungsgrenze", müssen Claudia Urban, ihr Mann Christian Urban (technischer Leiter) und Ortsgruppen-Vorsitzender Harald Wilfert mit großem Bedauern zugeben. "Uns fehlen schlichtweg die qualifizierten Übungsleiter, die wir dazu brauchen".

Mit den bayerischen Schwimmkurs-Gutscheine "werden wir mit Anfragen von Eltern geradezu überrollt. Mehr als das, was wir jetzt anbieten, können wir aktuell einfach nicht tun", schildert das Trio die Lage aus Vereinssicht.

Was also tun? Geht denn aktuell gar nichts? "Doch", sagt Gerhard Ellinger. "Gerade in dieser Situation kann und will ich an die Eltern appellieren, sich mit dem Thema Schwimmen zu befassen. An Land kann man mit seinen Kindern viel mehr dafür tun als vielleicht manche Mutter oder mancher Vater glaubt. Wer im Trockenen fürs Wasser übt, wird wenig später viel schneller gut und richtig schwimmen lernen. Das geht oft in der Hälfte der Zeit als ohne Trockenübungen.

Ellinger, der Mann mit der langjährigen Kurserfahrung, belässt es nicht nur bei schönen Worten. Aus seiner jahrelangen Arbeit mit Kindern und Erwachsenen heraus hat er eine eigene Schwimmlehre entwickelt. Und gibt diese seit kurzem tausendfach online weiter. Per Video auf YouTube. Kostenlos.

"Gerade jetzt, wo ein freier Platz in einem Schwimmkurs reine Glückssache ist, hoffe ich, dass ich da ein bisschen helfen kann. Aus Überzeugung. Weil es mir wirklich wichtig ist, dass Kinder gut und sicher schwimmen können."

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