Rother Feuerwehrmann: 50 Jahre löschen, retten und helfen

18.11.2020, 08:40 Uhr
Flammendes Inferno. Einen Lkw-Brand „Marke Hollywood“ hatten Werner Weigel und seine Kameraden 1994 zu löschen. Deutlich ist der Lkw-Fahrer am Steuer seines lichterloh brennenden Fahrzeuges zu sehen.  

© RHV-Archiv Flammendes Inferno. Einen Lkw-Brand „Marke Hollywood“ hatten Werner Weigel und seine Kameraden 1994 zu löschen. Deutlich ist der Lkw-Fahrer am Steuer seines lichterloh brennenden Fahrzeuges zu sehen.  

Schicht im Schacht. Werner Weigel hat sein Pensum als Feuerwehrmann erfüllt. 50 Jahre war er bei der Rother Wehr aktiv; trug im Team und als Führungskraft dazu bei, Brände zu löschen, Menschen aus Notlagen zu befreien; hat Anteil an oft herzzerreißenden Schicksalen genommen, hat mitgelitten und getröstet, Ölspuren beseitigt, den Verkehr um Unfallstellen geleitet und sein Helfertalent auch in eher kuriosen Situationen unter Beweis gestellt. Beispielsweise als es einmal galt, einen ausgebüxten Brillen-Kaiman einzufangen.

Neben den Einsätzen absolvierte Weigel auch eine Vielzahl von Fortbildungsmaßnahmen und Lehrgängen und trat ebenso regelmäßig an das Rednerpult, um den nachfolgenden Feuerwehr-Generationen die wichtigen Kniffe beizubringen. Dass das Brandschutzgesetz auch für ehrenamtlich aktive Feuerwehrleute eine Altersbegrenzung vorsieht, macht insofern Sinn, als die Hilfsleistungen, die Männer und Frauen in Feuerwehruniform erbringen, immer komplizierter und damit auch fordernder werden. Gleich, ob Ortswehr oder Stützpunktwehr: Körperliche Fitness und ein hoher Ausbildungsstand sind heute mehr denn je vonnöten.

Kommandant Werner Weigel (links) ernennt 1994 seinen Vorgänger Georg Lösel zum Ehrenkommandanten. 23 Jahre später erfuhr Weigel die gleiche Ehre. 

Kommandant Werner Weigel (links) ernennt 1994 seinen Vorgänger Georg Lösel zum Ehrenkommandanten. 23 Jahre später erfuhr Weigel die gleiche Ehre.  © RHV-Archiv

Werner Weigel kann ein Lied davon singen. Schließlich hat er in seiner Zeit als operativer Chef der Rother Wehr weit über 5000 Einsätze geleitet. Seinen Piepser, der ihn jahrzehntelang zu allen Tages- und Nachtzeiten auf Trab hielt, hat er zwar zur Seite gelegt, seiner Rother Wehr aber steht er weiter mit Rat und Tat zur Seite. Schade nur, dass ein wesentlicher Teil des Miteinanders derzeit coronabedingt nicht möglich ist. Die Ausbildung muss auf das Nötigste beschränkt werden, der obligatorische Kameradschaftsabend fällt ganz flach. Und so schwingt auch ein bisschen Wehmut mit, wenn Werner Weigel von seiner Zeit als Rothelm in Erinnerungen schwelgt.

Er verkörpert insofern ein Stück Feuerwehr-Zeitgeschichte, als er die Entwicklung der Rother Einrichtung zu einer modernen, technisch höchst anspruchsvollen Stützpunktwehr über fünf Jahrzehnte hinweg aktiv begleitete. Dass die fortschreitende Technik auch das Stress-Potenzial erheblich vergrößert, verschweigt Weigel in diesem Zusammenhang nicht. Zudem lässt der kontinuierliche Anstieg der Einsätze immer weniger Zeit für das kameradschaftliche Miteinander. So war es in den letzten Jahren von Werner Weigels Wirken längst nicht mehr selbstverständlich, dass man sich nach Übungen und Einsätzen zusammensetzte.

Den von Nostalgikern gerne zitierten Satz „Früher war alles besser“ möchte Werner Weigel dennoch nicht unterschreiben. „Früher war alles anders“, das schon. Als 16-jähriger Jungspund war der gelernte Buchdrucker erstmals in einem Feuerwehrauto gesessen. Etwa 30 Einsätze im Jahr gab es anfangs der 70er-Jahre erinnert sich Weigel. Bei den meisten Einsätzen handelte es sich um Brände. Der Rest fiel auf technische Hilfeleistungen. Inzwischen summieren sich die Einsätze der Rother Stützpunktwehr auf alljährlich über 200 und nur noch ein Drittel davon entfallen auf Löscheinsätze. Der große Rest sind technische Hilfeleistungen; angefangen von der Rettung einer verängstigten Katze auf dem Baum bis hin zur Bergung eines voll beladenen Tanklastzugs. Die aktuelle Statistik für das dritte Quartal 2020 verzeichnete nicht weniger als 61 Einätze, mehr als die Hälfte davon zur technischen Hilfeleistung.

Geändert hat sich auch die Ausrüstung. „Früher hatten wir in einem Löschfahrzeug neben den Schläuchen vielleicht eine Tauchpumpe und dann noch eine Flex“, so Weigel. „Heute besteht der Rüstwagen aus etwa 400 Teilen, die eigentlich jeder beherrschen sollte.“ War in Weigels ersten Jahren als Feuerwehrmann in erster Linie der „Allrounder“ gefragt, so ist es in der Gegenwart der Spezialist. Maschinisten, Funker, Atemschutzträger beispielsweise. Grund: Die Bandbreite der Einsätze ist im Landkreis Roth durch Main-Donau-Kanal, Rothsee und ICE-Strecke wesentlich größer geworden. Außerdem nehmen auf den Straßen Gefahrguttransporte stetig zu.

Bulli aus Eigenmitteln

Als Werner Weigel zu Beginn der 70er-Jahre dem Beispiel seines Vaters folgte und Feuerwehrler wurde, war gerade Georg Lösel zum neuen Kommandanten der Rother Wehr gewählt worden. Unter Lösels Regie gelang mit der Einführung der Funkalarmierung ein wichtiger Schritt zu einer moderneren Wehr. Aus Eigenmitteln beschafften die Rother zudem einen VW-Bus, den unvergleichlichen Bulli. 1976 setzte sich mit dem ersten hydraulischen Rettungssatz und den ersten Presslufthämmern die Technisierung fort, ehe 1984 mit der Atemschutzstrecke des Landkreises das Domizil in der Hilpoltsteiner Straße weiter aufgewertet wurde.

Ein winziger Fehler hätte im Oktober 2001 bei einem spektakulären Gefahrgutunfall auf der B2 eine Katastrophe auslösen können. Doch die Hilfsorganisationen lieferten unter der Regie von Johann Deß und Werner Weigel ein Musterbeispiel an gut funktionierender Zusammenarbeit ab und verhinderten so großes Unheil. 

Ein winziger Fehler hätte im Oktober 2001 bei einem spektakulären Gefahrgutunfall auf der B2 eine Katastrophe auslösen können. Doch die Hilfsorganisationen lieferten unter der Regie von Johann Deß und Werner Weigel ein Musterbeispiel an gut funktionierender Zusammenarbeit ab und verhinderten so großes Unheil.  © RHV-Archiv

14 Jahre nach seinem Eintritt zur Rother Wehr wurde Werner Weigel zum Chef ernannt. Als erste Amtshandlung in dieser Funktion händigte Weigel seinem Vorgänger Georg Lösel die Ernennungsurkunde zum Ehrenkommandanten aus. 23 Jahre – und damit weitaus länger als jeder seiner 19 Vorgänger – sollte Werner Weigel der Rother Wehr als Erster Kommandant vorstehen. In seine Ära fielen so wichtige Entwicklungen wie die Gründung einer Jugendfeuerwehr (1995), der Umbau des Gerätehauses in der Hilpoltsteiner Straße zu einem modernen Feuerwehr-Zentrum oder auch der erste Auslandseinsatz, als in der französischen Region Limousin der Orkan Lothar schwer gewütet hatte. Vor drei Jahren nun ernannte der neue Kommandant Markus Dombrowsky seinen Vorgänger Werner Weigel zum Ehrenkommandanten.

Lange Jahre hatte Werner Weigel bei großen Einsätzen mit Kreisbrandrat Johann Deß gut und gerne zusammengearbeitet. Ein Einsatz, den beide gemeinsam leiteten, hat Geschichte geschrieben und gilt in Helferkreisen inzwischen als Lehrbeispiel für eine effektive Zusammenarbeit unter extrem schwierigen Bedingungen.

Der Stadt Roth drohte am 25. Oktober 2001 nach einem Unfall auf der die größte Umweltkatastrophe ihrer jüngeren Geschichte. Ausgangspunkt war ein umgekippter Gefahrguttransporter. Was auf den ersten Blick wie ein alltäglicher Verkehrsunfall aussah, entpuppte sich im Verlauf der Rettungsarbeiten als Gefahrenherd für eine ganze Stadt. „Zur Umweltkatastrophe fehlte nur ein Funke“, titelten die Nürnberger Nachrichtendamals folgerichtig. Insgesamt 378 Helferinnen und Helfer von Feuerwehr, THW und dem Roten Kreuz aus dem Landkreis Roth, aus Schwabach, Weißenburg und Nürnberg waren mit 66 Einsatzfahrzeugen über viele Stunden hinweg am Unfallort, um eine möglicherweise folgenschwere Kettenreaktion zu unterbinden. Was mit vereinten Kräften schließlich auch gelang.

Bei einem auf andere Art und Weise spektakulären Einsatz an der sieben Jahre zuvor im Rother Ortsteil Untersteinbach war Kommandant Weigel ebenfalls als Erster an der Unfall- beziehungsweise Brandstelle. Bei einem auf dem Parkplatz neben der Dorfwirtschaft abgestellten Lkw brannte, als Weigel eintraf, bereits die gesamte Ladung lichterloh.

Er und die Besatzungen mehrerer Feuerwehren erlebten zunächst eine filmreife Szene, bei der der betroffene Lkw-Fahrer Stuntman-Qualitäten gehobenen Durchschnitts demonstrierte. Der Mann kletterte noch einmal in sein lichterloh brennendes Fahrzeug und bewegte das schwere Gefährt einige Meter nach vorne, damit die Rothelme das Feuer löschen konnten. Dann rückten Bauern mit ihren Traktoren an und zogen die brennende Ladung, 154 große Reifen, vom Lkw. „Als ob Hollywood Pate gestanden hätte“, kommentierte die RHV diese filmreifen Szenen.

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